Bei Gelegenheit einer Visite, die ich Mistriß Hope machte, besah ich ihres Mannes Kunstsammlung heute etwas mehr en detail. Eine sehr schöne Venus von Canova war für mich besonders deßwegen sehr anzie- hend, weil ich sie, noch nicht völlig vollendet, im At- telier des liebenswürdigen Künstlers in Rom vor ziemlich vielen Jahren gesehen, wo sie schon damals von allen seinen Werken den angenehmsten Eindruck bei mir zurückließ.
Unter den Gemälden frappirte mich das des berüch- tigten Cäsar Borgia, von Corregio. Ein erhabener Sünder! In der kühnsten, männlichen Schönheit steht er da, Geist und Größe blitzt aus allen Zügen, nur in den Augen lauert ein häßlicher Tiger.
Ganz besonders reich ist die Sammlung an Bil- dern der niederländischen Schule. Viele sind von der unübertreffbarsten Wahrheit, welche, ich gestehe es gern, für mich oft einen größern Reiz hat, als selbst
Sechszehnter Brief.
London, den 5. Juni 1827.
Bei Gelegenheit einer Viſite, die ich Miſtriß Hope machte, beſah ich ihres Mannes Kunſtſammlung heute etwas mehr en detail. Eine ſehr ſchöne Venus von Canova war für mich beſonders deßwegen ſehr anzie- hend, weil ich ſie, noch nicht völlig vollendet, im At- telier des liebenswürdigen Künſtlers in Rom vor ziemlich vielen Jahren geſehen, wo ſie ſchon damals von allen ſeinen Werken den angenehmſten Eindruck bei mir zurückließ.
Unter den Gemälden frappirte mich das des berüch- tigten Cäſar Borgia, von Corregio. Ein erhabener Sünder! In der kühnſten, männlichen Schönheit ſteht er da, Geiſt und Größe blitzt aus allen Zügen, nur in den Augen lauert ein häßlicher Tiger.
Ganz beſonders reich iſt die Sammlung an Bil- dern der niederländiſchen Schule. Viele ſind von der unübertreffbarſten Wahrheit, welche, ich geſtehe es gern, für mich oft einen größern Reiz hat, als ſelbſt
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Sechszehnter Brief.
London, den 5. Juni 1827.
Bei Gelegenheit einer Viſite, die ich Miſtriß Hope
machte, beſah ich ihres Mannes Kunſtſammlung heute
etwas mehr en detail. Eine ſehr ſchöne Venus von
Canova war für mich beſonders deßwegen ſehr anzie-
hend, weil ich ſie, noch nicht völlig vollendet, im At-
telier des liebenswürdigen Künſtlers in Rom vor
ziemlich vielen Jahren geſehen, wo ſie ſchon damals
von allen ſeinen Werken den angenehmſten Eindruck
bei mir zurückließ.
Unter den Gemälden frappirte mich das des berüch-
tigten Cäſar Borgia, von Corregio. Ein erhabener
Sünder! In der kühnſten, männlichen Schönheit
ſteht er da, Geiſt und Größe blitzt aus allen Zügen,
nur in den Augen lauert ein häßlicher Tiger.
Ganz beſonders reich iſt die Sammlung an Bil-
dern der niederländiſchen Schule. Viele ſind von der
unübertreffbarſten Wahrheit, welche, ich geſtehe es
gern, für mich oft einen größern Reiz hat, als ſelbſt
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. [47]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/63>, abgerufen am 24.11.2024.
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