Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Sehr bei Zeiten weckte mich heute mein alter B ...,
welches er nur thut, wenn ein Brief von Dir da ist.
Bei minder wichtigen Gelegenheiten läßt er mich im-
mer ruhen, wenn ich ihm Abends auch noch so sehr
einschärfe, mich zu wecken. Die Entschuldigung ist
dann stets: Sie schliefen so gut!

Es ist ein wahres Glück, daß ich nicht die Art
Eitelkeit besitze, die durch Lob schwindlich wird --
sonst müßtest Du einen rechten Thoren aus mir machen.
Ach ich kenne mich nur selbst zu gut, und hundert
Fehler, die Deine Liebe zur Hälfte übersieht! Das
kleine Teufelchen aber, das Du attakirst, spuckt allerdings
manchmal in mir. Es ist aber ein ziemlich unschuldiges,
oft ein recht dummes, armes, ehrliches Teufelchen,
eine Sorte, die hinsichtlich der Moralität, im Grunde
zwischen Engel und Teufel in der Mitte steht, mit
einem Wort: ein ächtes, schwaches Menschenkind!
Da es Dir aber mißfällt, das kleine Teufelchen, so
stecke ich es in die Bouteille wie Hofmann, und
pfropfe sie mit Salomonis Siegel zu. Von nun an
producire ich Dir nur den Herrnhuter; denn Du
weißt, unter ihnen verlebte ich meine Jugend, et si
je m'en ressens, je ne m'en ressens gueres.

Auf dem Fancyball, den Du denen in Brighton
nachahmen willst, erscheine ich gewiß, und es wird
mich dennoch sicher Niemand erkennen, da ich nur
unsichtbar zugegen seyn kann. Ich werde bloß einen


Sehr bei Zeiten weckte mich heute mein alter B …,
welches er nur thut, wenn ein Brief von Dir da iſt.
Bei minder wichtigen Gelegenheiten läßt er mich im-
mer ruhen, wenn ich ihm Abends auch noch ſo ſehr
einſchärfe, mich zu wecken. Die Entſchuldigung iſt
dann ſtets: Sie ſchliefen ſo gut!

Es iſt ein wahres Glück, daß ich nicht die Art
Eitelkeit beſitze, die durch Lob ſchwindlich wird —
ſonſt müßteſt Du einen rechten Thoren aus mir machen.
Ach ich kenne mich nur ſelbſt zu gut, und hundert
Fehler, die Deine Liebe zur Hälfte überſieht! Das
kleine Teufelchen aber, das Du attakirſt, ſpuckt allerdings
manchmal in mir. Es iſt aber ein ziemlich unſchuldiges,
oft ein recht dummes, armes, ehrliches Teufelchen,
eine Sorte, die hinſichtlich der Moralität, im Grunde
zwiſchen Engel und Teufel in der Mitte ſteht, mit
einem Wort: ein ächtes, ſchwaches Menſchenkind!
Da es Dir aber mißfällt, das kleine Teufelchen, ſo
ſtecke ich es in die Bouteille wie Hofmann, und
pfropfe ſie mit Salomonis Siegel zu. Von nun an
producire ich Dir nur den Herrnhuter; denn Du
weißt, unter ihnen verlebte ich meine Jugend, et si
je m’en ressens, je ne m’en ressens guêres.

Auf dem Fancyball, den Du denen in Brighton
nachahmen willſt, erſcheine ich gewiß, und es wird
mich dennoch ſicher Niemand erkennen, da ich nur
unſichtbar zugegen ſeyn kann. Ich werde bloß einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0058" n="42"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 1&#x017F;ten Juni.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Sehr bei Zeiten weckte mich heute mein alter B &#x2026;,<lb/>
welches er nur thut, wenn ein Brief von Dir da i&#x017F;t.<lb/>
Bei minder wichtigen Gelegenheiten läßt er mich im-<lb/>
mer ruhen, wenn ich ihm Abends auch noch &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
ein&#x017F;chärfe, mich zu wecken. Die Ent&#x017F;chuldigung i&#x017F;t<lb/>
dann &#x017F;tets: Sie &#x017F;chliefen &#x017F;o gut!</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t ein wahres Glück, daß ich nicht <hi rendition="#g">die Art</hi><lb/>
Eitelkeit be&#x017F;itze, die durch Lob &#x017F;chwindlich wird &#x2014;<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t müßte&#x017F;t Du einen rechten Thoren aus mir machen.<lb/>
Ach ich kenne mich nur &#x017F;elb&#x017F;t zu gut, und hundert<lb/>
Fehler, die Deine Liebe zur Hälfte über&#x017F;ieht! Das<lb/>
kleine Teufelchen aber, das Du attakir&#x017F;t, &#x017F;puckt allerdings<lb/>
manchmal in mir. Es i&#x017F;t aber ein ziemlich un&#x017F;chuldiges,<lb/>
oft ein recht dummes, armes, ehrliches Teufelchen,<lb/>
eine Sorte, die hin&#x017F;ichtlich der Moralität, im Grunde<lb/>
zwi&#x017F;chen Engel und Teufel in der Mitte &#x017F;teht, mit<lb/>
einem Wort: ein ächtes, &#x017F;chwaches Men&#x017F;chenkind!<lb/>
Da es Dir aber mißfällt, das kleine Teufelchen, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tecke ich es in die Bouteille wie Hofmann, und<lb/>
pfropfe &#x017F;ie mit Salomonis Siegel zu. Von nun an<lb/>
producire ich Dir nur den Herrnhuter; denn Du<lb/>
weißt, unter ihnen verlebte ich meine Jugend, <hi rendition="#aq">et si<lb/>
je m&#x2019;en ressens, je ne m&#x2019;en ressens guêres.</hi></p><lb/>
          <p>Auf dem Fancyball, den Du denen in Brighton<lb/>
nachahmen will&#x017F;t, er&#x017F;cheine ich gewiß, und es wird<lb/>
mich dennoch &#x017F;icher Niemand erkennen, da ich nur<lb/>
un&#x017F;ichtbar zugegen &#x017F;eyn kann. Ich werde bloß einen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0058] Den 1ſten Juni. Sehr bei Zeiten weckte mich heute mein alter B …, welches er nur thut, wenn ein Brief von Dir da iſt. Bei minder wichtigen Gelegenheiten läßt er mich im- mer ruhen, wenn ich ihm Abends auch noch ſo ſehr einſchärfe, mich zu wecken. Die Entſchuldigung iſt dann ſtets: Sie ſchliefen ſo gut! Es iſt ein wahres Glück, daß ich nicht die Art Eitelkeit beſitze, die durch Lob ſchwindlich wird — ſonſt müßteſt Du einen rechten Thoren aus mir machen. Ach ich kenne mich nur ſelbſt zu gut, und hundert Fehler, die Deine Liebe zur Hälfte überſieht! Das kleine Teufelchen aber, das Du attakirſt, ſpuckt allerdings manchmal in mir. Es iſt aber ein ziemlich unſchuldiges, oft ein recht dummes, armes, ehrliches Teufelchen, eine Sorte, die hinſichtlich der Moralität, im Grunde zwiſchen Engel und Teufel in der Mitte ſteht, mit einem Wort: ein ächtes, ſchwaches Menſchenkind! Da es Dir aber mißfällt, das kleine Teufelchen, ſo ſtecke ich es in die Bouteille wie Hofmann, und pfropfe ſie mit Salomonis Siegel zu. Von nun an producire ich Dir nur den Herrnhuter; denn Du weißt, unter ihnen verlebte ich meine Jugend, et si je m’en ressens, je ne m’en ressens guêres. Auf dem Fancyball, den Du denen in Brighton nachahmen willſt, erſcheine ich gewiß, und es wird mich dennoch ſicher Niemand erkennen, da ich nur unſichtbar zugegen ſeyn kann. Ich werde bloß einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/58
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/58>, abgerufen am 13.11.2024.