Sehr bei Zeiten weckte mich heute mein alter B ..., welches er nur thut, wenn ein Brief von Dir da ist. Bei minder wichtigen Gelegenheiten läßt er mich im- mer ruhen, wenn ich ihm Abends auch noch so sehr einschärfe, mich zu wecken. Die Entschuldigung ist dann stets: Sie schliefen so gut!
Es ist ein wahres Glück, daß ich nicht die Art Eitelkeit besitze, die durch Lob schwindlich wird -- sonst müßtest Du einen rechten Thoren aus mir machen. Ach ich kenne mich nur selbst zu gut, und hundert Fehler, die Deine Liebe zur Hälfte übersieht! Das kleine Teufelchen aber, das Du attakirst, spuckt allerdings manchmal in mir. Es ist aber ein ziemlich unschuldiges, oft ein recht dummes, armes, ehrliches Teufelchen, eine Sorte, die hinsichtlich der Moralität, im Grunde zwischen Engel und Teufel in der Mitte steht, mit einem Wort: ein ächtes, schwaches Menschenkind! Da es Dir aber mißfällt, das kleine Teufelchen, so stecke ich es in die Bouteille wie Hofmann, und pfropfe sie mit Salomonis Siegel zu. Von nun an producire ich Dir nur den Herrnhuter; denn Du weißt, unter ihnen verlebte ich meine Jugend, et si je m'en ressens, je ne m'en ressens gueres.
Auf dem Fancyball, den Du denen in Brighton nachahmen willst, erscheine ich gewiß, und es wird mich dennoch sicher Niemand erkennen, da ich nur unsichtbar zugegen seyn kann. Ich werde bloß einen
Den 1ſten Juni.
Sehr bei Zeiten weckte mich heute mein alter B …, welches er nur thut, wenn ein Brief von Dir da iſt. Bei minder wichtigen Gelegenheiten läßt er mich im- mer ruhen, wenn ich ihm Abends auch noch ſo ſehr einſchärfe, mich zu wecken. Die Entſchuldigung iſt dann ſtets: Sie ſchliefen ſo gut!
Es iſt ein wahres Glück, daß ich nicht die Art Eitelkeit beſitze, die durch Lob ſchwindlich wird — ſonſt müßteſt Du einen rechten Thoren aus mir machen. Ach ich kenne mich nur ſelbſt zu gut, und hundert Fehler, die Deine Liebe zur Hälfte überſieht! Das kleine Teufelchen aber, das Du attakirſt, ſpuckt allerdings manchmal in mir. Es iſt aber ein ziemlich unſchuldiges, oft ein recht dummes, armes, ehrliches Teufelchen, eine Sorte, die hinſichtlich der Moralität, im Grunde zwiſchen Engel und Teufel in der Mitte ſteht, mit einem Wort: ein ächtes, ſchwaches Menſchenkind! Da es Dir aber mißfällt, das kleine Teufelchen, ſo ſtecke ich es in die Bouteille wie Hofmann, und pfropfe ſie mit Salomonis Siegel zu. Von nun an producire ich Dir nur den Herrnhuter; denn Du weißt, unter ihnen verlebte ich meine Jugend, et si je m’en ressens, je ne m’en ressens guêres.
Auf dem Fancyball, den Du denen in Brighton nachahmen willſt, erſcheine ich gewiß, und es wird mich dennoch ſicher Niemand erkennen, da ich nur unſichtbar zugegen ſeyn kann. Ich werde bloß einen
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Den 1ſten Juni.
Sehr bei Zeiten weckte mich heute mein alter B …,
welches er nur thut, wenn ein Brief von Dir da iſt.
Bei minder wichtigen Gelegenheiten läßt er mich im-
mer ruhen, wenn ich ihm Abends auch noch ſo ſehr
einſchärfe, mich zu wecken. Die Entſchuldigung iſt
dann ſtets: Sie ſchliefen ſo gut!
Es iſt ein wahres Glück, daß ich nicht die Art
Eitelkeit beſitze, die durch Lob ſchwindlich wird —
ſonſt müßteſt Du einen rechten Thoren aus mir machen.
Ach ich kenne mich nur ſelbſt zu gut, und hundert
Fehler, die Deine Liebe zur Hälfte überſieht! Das
kleine Teufelchen aber, das Du attakirſt, ſpuckt allerdings
manchmal in mir. Es iſt aber ein ziemlich unſchuldiges,
oft ein recht dummes, armes, ehrliches Teufelchen,
eine Sorte, die hinſichtlich der Moralität, im Grunde
zwiſchen Engel und Teufel in der Mitte ſteht, mit
einem Wort: ein ächtes, ſchwaches Menſchenkind!
Da es Dir aber mißfällt, das kleine Teufelchen, ſo
ſtecke ich es in die Bouteille wie Hofmann, und
pfropfe ſie mit Salomonis Siegel zu. Von nun an
producire ich Dir nur den Herrnhuter; denn Du
weißt, unter ihnen verlebte ich meine Jugend, et si
je m’en ressens, je ne m’en ressens guêres.
Auf dem Fancyball, den Du denen in Brighton
nachahmen willſt, erſcheine ich gewiß, und es wird
mich dennoch ſicher Niemand erkennen, da ich nur
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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