Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Meine heutige Excursion führte mich an der See-
küste hin nach Filey, wo eine berühmte Felsenbrücke
von der Natur selbst in das Meer hineingebaut wor-
den ist. Derselbe Miethgaul, eine Stute ihres Ge-
schlechts, den ich gestern ritt, zog mich heute in ei-
nem ziemlich gut conditionirten Gig. Das Meer
war schön blau und voller Segel. In Filey, einem
Fischerdorf, nahm ich einen Führer, und eilte auf
dem festen Meersande der Brücke zu. Wir kamen
bei vielen seltsam gestalteren Felsen vorüber, hie und
da lag auf einer Spitze ein Fisch in der Sonne, der
bei der Ebbe sitzen geblieben, und dort lebendig ge-
röstet worden war; manche Hohlungen in Stein fand
ich mit einer Unzahl kleiner Muscheln angefüllt, die
von weitem Thonkugeln glichen. Die Brücke selbst
ist eigentlich nur ein breites Felsenriff, welches eine
halbe Viertelstunde in das Meer hinausgebt. Selt-
sam sind die einzelnen Blöcke in phantastischen Fi-
guren durcheinander geworfen, und man muß sich sehr
in Acht nehmen, nicht von ihren schlüpfrigen Kanten
hinabzugleiten. Die Fluth kam bereits heran, und
deckte schon einen Theil des Riffs. Nachdem ich alles
hinlänglich betrachtet, kletterte ich an den Uferfelsen
ziemlich beschwerlich hinan, um den Rückweg oben
zu nehmen, wo ein angenehmer Wiesenweg mich bald
zum nahen Gasthof brachte, in dem mein Fuhrwerk
mich erwartete.



Meine heutige Excurſion führte mich an der See-
küſte hin nach Filey, wo eine berühmte Felſenbrücke
von der Natur ſelbſt in das Meer hineingebaut wor-
den iſt. Derſelbe Miethgaul, eine Stute ihres Ge-
ſchlechts, den ich geſtern ritt, zog mich heute in ei-
nem ziemlich gut conditionirten Gig. Das Meer
war ſchön blau und voller Segel. In Filey, einem
Fiſcherdorf, nahm ich einen Führer, und eilte auf
dem feſten Meerſande der Brücke zu. Wir kamen
bei vielen ſeltſam geſtalteren Felſen vorüber, hie und
da lag auf einer Spitze ein Fiſch in der Sonne, der
bei der Ebbe ſitzen geblieben, und dort lebendig ge-
röſtet worden war; manche Hohlungen in Stein fand
ich mit einer Unzahl kleiner Muſcheln angefüllt, die
von weitem Thonkugeln glichen. Die Brücke ſelbſt
iſt eigentlich nur ein breites Felſenriff, welches eine
halbe Viertelſtunde in das Meer hinausgebt. Selt-
ſam ſind die einzelnen Blöcke in phantaſtiſchen Fi-
guren durcheinander geworfen, und man muß ſich ſehr
in Acht nehmen, nicht von ihren ſchlüpfrigen Kanten
hinabzugleiten. Die Fluth kam bereits heran, und
deckte ſchon einen Theil des Riffs. Nachdem ich alles
hinlänglich betrachtet, kletterte ich an den Uferfelſen
ziemlich beſchwerlich hinan, um den Rückweg oben
zu nehmen, wo ein angenehmer Wieſenweg mich bald
zum nahen Gaſthof brachte, in dem mein Fuhrwerk
mich erwartete.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0213" n="197"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 23&#x017F;ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Meine heutige Excur&#x017F;ion führte mich an der See-<lb/>&#x017F;te hin nach Filey, wo eine berühmte Fel&#x017F;enbrücke<lb/>
von der Natur &#x017F;elb&#x017F;t in das Meer hineingebaut wor-<lb/>
den i&#x017F;t. Der&#x017F;elbe Miethgaul, eine Stute ihres Ge-<lb/>
&#x017F;chlechts, den ich ge&#x017F;tern <hi rendition="#g">ritt, zog</hi> mich heute in ei-<lb/>
nem ziemlich gut conditionirten Gig. Das Meer<lb/>
war &#x017F;chön blau und voller Segel. In Filey, einem<lb/>
Fi&#x017F;cherdorf, nahm ich einen Führer, und eilte auf<lb/>
dem fe&#x017F;ten Meer&#x017F;ande der Brücke zu. Wir kamen<lb/>
bei vielen &#x017F;elt&#x017F;am ge&#x017F;talteren Fel&#x017F;en vorüber, hie und<lb/>
da lag auf einer Spitze ein Fi&#x017F;ch in der Sonne, der<lb/>
bei der Ebbe &#x017F;itzen geblieben, und dort lebendig ge-<lb/>&#x017F;tet worden war; manche Hohlungen in Stein fand<lb/>
ich mit einer Unzahl kleiner Mu&#x017F;cheln angefüllt, die<lb/>
von weitem Thonkugeln glichen. Die Brücke &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t eigentlich nur ein breites Fel&#x017F;enriff, welches eine<lb/>
halbe Viertel&#x017F;tunde in das Meer hinausgebt. Selt-<lb/>
&#x017F;am &#x017F;ind die einzelnen Blöcke in phanta&#x017F;ti&#x017F;chen Fi-<lb/>
guren durcheinander geworfen, und man muß &#x017F;ich &#x017F;ehr<lb/>
in Acht nehmen, nicht von ihren &#x017F;chlüpfrigen Kanten<lb/>
hinabzugleiten. Die Fluth kam bereits heran, und<lb/>
deckte &#x017F;chon einen Theil des Riffs. Nachdem ich alles<lb/>
hinlänglich betrachtet, kletterte ich an den Uferfel&#x017F;en<lb/>
ziemlich be&#x017F;chwerlich hinan, um den Rückweg oben<lb/>
zu nehmen, wo ein angenehmer Wie&#x017F;enweg mich bald<lb/>
zum nahen Ga&#x017F;thof brachte, in dem mein Fuhrwerk<lb/>
mich erwartete.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0213] Den 23ſten. Meine heutige Excurſion führte mich an der See- küſte hin nach Filey, wo eine berühmte Felſenbrücke von der Natur ſelbſt in das Meer hineingebaut wor- den iſt. Derſelbe Miethgaul, eine Stute ihres Ge- ſchlechts, den ich geſtern ritt, zog mich heute in ei- nem ziemlich gut conditionirten Gig. Das Meer war ſchön blau und voller Segel. In Filey, einem Fiſcherdorf, nahm ich einen Führer, und eilte auf dem feſten Meerſande der Brücke zu. Wir kamen bei vielen ſeltſam geſtalteren Felſen vorüber, hie und da lag auf einer Spitze ein Fiſch in der Sonne, der bei der Ebbe ſitzen geblieben, und dort lebendig ge- röſtet worden war; manche Hohlungen in Stein fand ich mit einer Unzahl kleiner Muſcheln angefüllt, die von weitem Thonkugeln glichen. Die Brücke ſelbſt iſt eigentlich nur ein breites Felſenriff, welches eine halbe Viertelſtunde in das Meer hinausgebt. Selt- ſam ſind die einzelnen Blöcke in phantaſtiſchen Fi- guren durcheinander geworfen, und man muß ſich ſehr in Acht nehmen, nicht von ihren ſchlüpfrigen Kanten hinabzugleiten. Die Fluth kam bereits heran, und deckte ſchon einen Theil des Riffs. Nachdem ich alles hinlänglich betrachtet, kletterte ich an den Uferfelſen ziemlich beſchwerlich hinan, um den Rückweg oben zu nehmen, wo ein angenehmer Wieſenweg mich bald zum nahen Gaſthof brachte, in dem mein Fuhrwerk mich erwartete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/213
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/213>, abgerufen am 23.11.2024.