niederlassen müsse, um auf eine angenehme Weise die Prophezeihung zugleich zu erfüllen und zu entkräften. Als ich gegen Abend noch diese freundliche Landschaft mit unsern düstern Föhren-Wäldern verglich, erschien, wie durch Zauberspruch, plötzlich eine Zunge heimi- sches Land mit Kiefern, Sand und dürren Birken, so weit das Auge reichte, über den Weg gelagert. Nach zehn Minuten schon begrüßten uns aber wieder grüne Matten und stolze Buchen. Welche Revolu- tion hat diesen Sandstrich hier hineingeschoben?
Einige Meilen von Wesel wird indessen das ganze Land tout de bon vaterländisch, und da hier auch die Chaussee aufhört, watet man von neuem in Ber- liner Streusande. Ich kam unglücklicherweise einen Tag zu spät, um sogleich mit dem Dampfboot von hier abgehen zu können, sonst hätte ich, von Weimar aus gerechnet, London in 41/2 Tagen erreicht. Nun werde ich zu Lande bis Rotterdam reisen, und dort die Abfahrt des nächsten Schiffes erwarten müssen.
Rotterdam, den 25sten.
Meine Reise von Wesel bis Arnheim war ziemlich langweilig. Langsam schlichen die Pferde durch eine wenig ansprechende Gegend im endlosen Sande hin. Nichts Interessantes zeigte sich als große Ziegeleyen an der Straße, die ich aufmerksam besichtigte, da sie den unsrigen so sehr vorzuziehen sind. Desto beloh-
niederlaſſen müſſe, um auf eine angenehme Weiſe die Prophezeihung zugleich zu erfüllen und zu entkräften. Als ich gegen Abend noch dieſe freundliche Landſchaft mit unſern düſtern Föhren-Wäldern verglich, erſchien, wie durch Zauberſpruch, plötzlich eine Zunge heimi- ſches Land mit Kiefern, Sand und dürren Birken, ſo weit das Auge reichte, über den Weg gelagert. Nach zehn Minuten ſchon begrüßten uns aber wieder grüne Matten und ſtolze Buchen. Welche Revolu- tion hat dieſen Sandſtrich hier hineingeſchoben?
Einige Meilen von Weſel wird indeſſen das ganze Land tout de bon vaterländiſch, und da hier auch die Chauſſée aufhört, watet man von neuem in Ber- liner Streuſande. Ich kam unglücklicherweiſe einen Tag zu ſpät, um ſogleich mit dem Dampfboot von hier abgehen zu können, ſonſt hätte ich, von Weimar aus gerechnet, London in 4½ Tagen erreicht. Nun werde ich zu Lande bis Rotterdam reiſen, und dort die Abfahrt des nächſten Schiffes erwarten müſſen.
Rotterdam, den 25ſten.
Meine Reiſe von Weſel bis Arnheim war ziemlich langweilig. Langſam ſchlichen die Pferde durch eine wenig anſprechende Gegend im endloſen Sande hin. Nichts Intereſſantes zeigte ſich als große Ziegeleyen an der Straße, die ich aufmerkſam beſichtigte, da ſie den unſrigen ſo ſehr vorzuziehen ſind. Deſto beloh-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0066"n="26"/>
niederlaſſen müſſe, um auf eine angenehme Weiſe die<lb/>
Prophezeihung zugleich zu erfüllen und zu entkräften.<lb/>
Als ich gegen Abend noch dieſe freundliche Landſchaft<lb/>
mit unſern düſtern Föhren-Wäldern verglich, erſchien,<lb/>
wie durch Zauberſpruch, plötzlich eine Zunge heimi-<lb/>ſches Land mit Kiefern, Sand und dürren Birken,<lb/>ſo weit das Auge reichte, über den Weg gelagert.<lb/>
Nach zehn Minuten ſchon begrüßten uns aber wieder<lb/>
grüne Matten und ſtolze Buchen. Welche Revolu-<lb/>
tion hat dieſen Sandſtrich hier hineingeſchoben?</p><lb/><p>Einige Meilen von Weſel wird indeſſen das ganze<lb/>
Land <hirendition="#aq">tout de bon</hi> vaterländiſch, und da hier auch<lb/>
die Chauſſ<hirendition="#aq">é</hi>e aufhört, watet man von neuem in Ber-<lb/>
liner Streuſande. Ich kam unglücklicherweiſe einen<lb/>
Tag zu ſpät, um ſogleich mit dem Dampfboot von<lb/>
hier abgehen zu können, ſonſt hätte ich, von Weimar<lb/>
aus gerechnet, London in 4½ Tagen erreicht. Nun<lb/>
werde ich zu Lande bis Rotterdam reiſen, und dort<lb/>
die Abfahrt des nächſten Schiffes erwarten müſſen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Rotterdam, den 25ſten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Meine Reiſe von Weſel bis Arnheim war ziemlich<lb/>
langweilig. Langſam ſchlichen die Pferde durch eine<lb/>
wenig anſprechende Gegend im endloſen Sande hin.<lb/>
Nichts Intereſſantes zeigte ſich als große Ziegeleyen<lb/>
an der Straße, die ich aufmerkſam beſichtigte, da ſie<lb/>
den unſrigen ſo ſehr vorzuziehen ſind. Deſto beloh-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[26/0066]
niederlaſſen müſſe, um auf eine angenehme Weiſe die
Prophezeihung zugleich zu erfüllen und zu entkräften.
Als ich gegen Abend noch dieſe freundliche Landſchaft
mit unſern düſtern Föhren-Wäldern verglich, erſchien,
wie durch Zauberſpruch, plötzlich eine Zunge heimi-
ſches Land mit Kiefern, Sand und dürren Birken,
ſo weit das Auge reichte, über den Weg gelagert.
Nach zehn Minuten ſchon begrüßten uns aber wieder
grüne Matten und ſtolze Buchen. Welche Revolu-
tion hat dieſen Sandſtrich hier hineingeſchoben?
Einige Meilen von Weſel wird indeſſen das ganze
Land tout de bon vaterländiſch, und da hier auch
die Chauſſée aufhört, watet man von neuem in Ber-
liner Streuſande. Ich kam unglücklicherweiſe einen
Tag zu ſpät, um ſogleich mit dem Dampfboot von
hier abgehen zu können, ſonſt hätte ich, von Weimar
aus gerechnet, London in 4½ Tagen erreicht. Nun
werde ich zu Lande bis Rotterdam reiſen, und dort
die Abfahrt des nächſten Schiffes erwarten müſſen.
Rotterdam, den 25ſten.
Meine Reiſe von Weſel bis Arnheim war ziemlich
langweilig. Langſam ſchlichen die Pferde durch eine
wenig anſprechende Gegend im endloſen Sande hin.
Nichts Intereſſantes zeigte ſich als große Ziegeleyen
an der Straße, die ich aufmerkſam beſichtigte, da ſie
den unſrigen ſo ſehr vorzuziehen ſind. Deſto beloh-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/66>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.