Ein andres sehenswerthes Haus ist das des großen Banquier ......, vorzüglich wegen seiner schönen Gemäldesammlung. Auch bewundert man hier den Triumph neuerer Sculptur, Thorwaldsons Jason, und mehrere werthvolle Antiken. Auf einem Absatz des Hauses sind hängende Gärten angebracht, und obgleich die Pflanzen nur 3 Fuß Erde haben, wachsen sie doch sehr üppig. Ihre Besitzerin ist aber keine Semiramis, il s'en faut, obgleich sie nicht mindere Schätze, und vielleicht noch etwas mehr Stolz besitzt, sc. Geldstolz, denn für eine andere Art Stolz fehlt wohl die Gelegenheit.
Ich konnte manchmal nicht umhin, sie deshalb in Gedanken mit ihrer noch weit reicheren Nebenbuhlerin Madame R ... zu vergleichen, und mich zu verwun- dern, daß die jüdische Geldkönigin weit über der christlichen an herzlicher Liebenswürdigkeit und äußerm Anstande stehe.
Den 8ten.
Was zu der Dullneß der englischen Gesellschaften viel beiträgt, ist die hochmüthige Weise, nach welcher Engländer (wohl zu merken in ihrem eignen Lande, denn abroad sind sie zuvorkommend genug) nie einen Unbekannten anreden, und wenn man sie auf diese Weise anspricht, es fast wie eine Beleidigung marki- ren. Sie machen sich zuweilen selbst darüber lustig. ohne doch jemals anders zu handeln, wenn sich die Gelegenheit dazu darbietet. Man erzählt: eine Dame
Briefe eines Verstorbenen. III. 27
Ein andres ſehenswerthes Haus iſt das des großen Banquier ......, vorzüglich wegen ſeiner ſchönen Gemäldeſammlung. Auch bewundert man hier den Triumph neuerer Sculptur, Thorwaldſons Jaſon, und mehrere werthvolle Antiken. Auf einem Abſatz des Hauſes ſind hängende Gärten angebracht, und obgleich die Pflanzen nur 3 Fuß Erde haben, wachſen ſie doch ſehr üppig. Ihre Beſitzerin iſt aber keine Semiramis, il s’en faut, obgleich ſie nicht mindere Schätze, und vielleicht noch etwas mehr Stolz beſitzt, sc. Geldſtolz, denn für eine andere Art Stolz fehlt wohl die Gelegenheit.
Ich konnte manchmal nicht umhin, ſie deshalb in Gedanken mit ihrer noch weit reicheren Nebenbuhlerin Madame R … zu vergleichen, und mich zu verwun- dern, daß die jüdiſche Geldkönigin weit über der chriſtlichen an herzlicher Liebenswürdigkeit und äußerm Anſtande ſtehe.
Den 8ten.
Was zu der Dullneß der engliſchen Geſellſchaften viel beiträgt, iſt die hochmüthige Weiſe, nach welcher Engländer (wohl zu merken in ihrem eignen Lande, denn abroad ſind ſie zuvorkommend genug) nie einen Unbekannten anreden, und wenn man ſie auf dieſe Weiſe anſpricht, es faſt wie eine Beleidigung marki- ren. Sie machen ſich zuweilen ſelbſt darüber luſtig. ohne doch jemals anders zu handeln, wenn ſich die Gelegenheit dazu darbietet. Man erzählt: eine Dame
Briefe eines Verſtorbenen. III. 27
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Ein andres ſehenswerthes Haus iſt das des großen
Banquier ......, vorzüglich wegen ſeiner ſchönen
Gemäldeſammlung. Auch bewundert man hier den
Triumph neuerer Sculptur, Thorwaldſons Jaſon,
und mehrere werthvolle Antiken. Auf einem Abſatz
des Hauſes ſind hängende Gärten angebracht, und
obgleich die Pflanzen nur 3 Fuß Erde haben, wachſen
ſie doch ſehr üppig. Ihre Beſitzerin iſt aber keine
Semiramis, il s’en faut, obgleich ſie nicht mindere
Schätze, und vielleicht noch etwas mehr Stolz beſitzt,
sc. Geldſtolz, denn für eine andere Art Stolz fehlt
wohl die Gelegenheit.
Ich konnte manchmal nicht umhin, ſie deshalb in
Gedanken mit ihrer noch weit reicheren Nebenbuhlerin
Madame R … zu vergleichen, und mich zu verwun-
dern, daß die jüdiſche Geldkönigin weit über der
chriſtlichen an herzlicher Liebenswürdigkeit und
äußerm Anſtande ſtehe.
Den 8ten.
Was zu der Dullneß der engliſchen Geſellſchaften
viel beiträgt, iſt die hochmüthige Weiſe, nach welcher
Engländer (wohl zu merken in ihrem eignen Lande,
denn abroad ſind ſie zuvorkommend genug) nie einen
Unbekannten anreden, und wenn man ſie auf dieſe
Weiſe anſpricht, es faſt wie eine Beleidigung marki-
ren. Sie machen ſich zuweilen ſelbſt darüber luſtig.
ohne doch jemals anders zu handeln, wenn ſich die
Gelegenheit dazu darbietet. Man erzählt: eine Dame
Briefe eines Verſtorbenen. III. 27
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/463>, abgerufen am 13.11.2024.
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