Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Den Abend werde ich wieder bei Graf F. zubrin-
gen, der zu den Braminen gehört. Habe ich Dir ihn
schon beschrieben? Er ist keine unbedeutende Person.
Die französische Liebenswürdigkeit mit englischer So-
lidität vereinigend, spricht er auch beide Sprachen
fast gleich geläufig. Obgleich nicht mehr jung, ist
er doch immer noch ein schöner Mann, und sein
Aeusseres wird durch einen sehr edlen Anstand geho-
ben. Einfach und zuvorkommend, heiter ohne Bos-
heit, gefällt und befriedigt seine Unterhaltung, auch
wenn sie in dem Augenblick nicht brillant ist. Seine
Frau, Lady K ...., ist weder schön noch häßlich. Sie
hat Geist, l'usage du grand monde, et quelquefois
de la politesse.
Dazu kein geringes Talent zur Mu-
sik, und 10,000 £. St. Revenüen. Mit alle dem
brauche ich nicht erst hinzuzufügen, daß dies Haus
angenehm ist.



Auf den hiesigen Bällen herrscht eine vortheilhafte
Sitte für die Herren, nämlich nach vollendetem Tanze
ihre Tänzerin an den Arm zu nehmen, und mit ihr
bis zum nächsten herumzuwandeln. Dabei hat Man-
cher Zeit, seine Timidität zu besiegen, und es fehlte
nichts als unsre großen Lokale und einsam bleiben-
den Stuben dazu, um es noch anmuthiger zu ma-
chen! Hier geht es denn nicht weiter auszudehnen,
als die Treppe hinab nach dem Eßsaal, und wieder
herauf, aber auch das Gedränge gewährt große

Den Abend werde ich wieder bei Graf F. zubrin-
gen, der zu den Braminen gehört. Habe ich Dir ihn
ſchon beſchrieben? Er iſt keine unbedeutende Perſon.
Die franzöſiſche Liebenswürdigkeit mit engliſcher So-
lidität vereinigend, ſpricht er auch beide Sprachen
faſt gleich geläufig. Obgleich nicht mehr jung, iſt
er doch immer noch ein ſchöner Mann, und ſein
Aeuſſeres wird durch einen ſehr edlen Anſtand geho-
ben. Einfach und zuvorkommend, heiter ohne Bos-
heit, gefällt und befriedigt ſeine Unterhaltung, auch
wenn ſie in dem Augenblick nicht brillant iſt. Seine
Frau, Lady K ...., iſt weder ſchön noch häßlich. Sie
hat Geiſt, l’usage du grand monde, et quelquefois
de la politesse.
Dazu kein geringes Talent zur Mu-
ſik, und 10,000 £. St. Revenüen. Mit alle dem
brauche ich nicht erſt hinzuzufügen, daß dies Haus
angenehm iſt.



Auf den hieſigen Bällen herrſcht eine vortheilhafte
Sitte für die Herren, nämlich nach vollendetem Tanze
ihre Tänzerin an den Arm zu nehmen, und mit ihr
bis zum nächſten herumzuwandeln. Dabei hat Man-
cher Zeit, ſeine Timidität zu beſiegen, und es fehlte
nichts als unſre großen Lokale und einſam bleiben-
den Stuben dazu, um es noch anmuthiger zu ma-
chen! Hier geht es denn nicht weiter auszudehnen,
als die Treppe hinab nach dem Eßſaal, und wieder
herauf, aber auch das Gedränge gewährt große

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0435" n="389"/>
          <p>Den Abend werde ich wieder bei Graf F. zubrin-<lb/>
gen, der zu den Braminen gehört. Habe ich Dir ihn<lb/>
&#x017F;chon be&#x017F;chrieben? Er i&#x017F;t keine unbedeutende Per&#x017F;on.<lb/>
Die franzö&#x017F;i&#x017F;che Liebenswürdigkeit mit engli&#x017F;cher So-<lb/>
lidität vereinigend, &#x017F;pricht er auch beide Sprachen<lb/>
fa&#x017F;t gleich geläufig. Obgleich nicht mehr jung, i&#x017F;t<lb/>
er doch immer noch ein &#x017F;chöner Mann, und &#x017F;ein<lb/>
Aeu&#x017F;&#x017F;eres wird durch einen &#x017F;ehr edlen An&#x017F;tand geho-<lb/>
ben. Einfach und zuvorkommend, heiter ohne Bos-<lb/>
heit, gefällt und befriedigt &#x017F;eine Unterhaltung, auch<lb/>
wenn &#x017F;ie in dem Augenblick nicht brillant i&#x017F;t. Seine<lb/>
Frau, Lady K ...., i&#x017F;t weder &#x017F;chön noch häßlich. Sie<lb/>
hat Gei&#x017F;t, <hi rendition="#aq">l&#x2019;usage du grand monde, et quelquefois<lb/>
de la politesse.</hi> Dazu kein geringes Talent zur Mu-<lb/>
&#x017F;ik, und 10,000 £. St. Revenüen. Mit alle dem<lb/>
brauche ich nicht er&#x017F;t hinzuzufügen, daß dies Haus<lb/>
angenehm i&#x017F;t.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 25&#x017F;ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Auf den hie&#x017F;igen Bällen herr&#x017F;cht eine vortheilhafte<lb/>
Sitte für die Herren, nämlich nach vollendetem Tanze<lb/>
ihre Tänzerin an den Arm zu nehmen, und mit ihr<lb/>
bis zum näch&#x017F;ten herumzuwandeln. Dabei hat Man-<lb/>
cher Zeit, &#x017F;eine Timidität zu be&#x017F;iegen, und es fehlte<lb/>
nichts als un&#x017F;re großen Lokale und ein&#x017F;am bleiben-<lb/>
den Stuben dazu, um es noch anmuthiger zu ma-<lb/>
chen! Hier geht es denn nicht weiter auszudehnen,<lb/>
als die Treppe hinab nach dem Eß&#x017F;aal, und wieder<lb/>
herauf, aber auch das Gedränge gewährt große<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[389/0435] Den Abend werde ich wieder bei Graf F. zubrin- gen, der zu den Braminen gehört. Habe ich Dir ihn ſchon beſchrieben? Er iſt keine unbedeutende Perſon. Die franzöſiſche Liebenswürdigkeit mit engliſcher So- lidität vereinigend, ſpricht er auch beide Sprachen faſt gleich geläufig. Obgleich nicht mehr jung, iſt er doch immer noch ein ſchöner Mann, und ſein Aeuſſeres wird durch einen ſehr edlen Anſtand geho- ben. Einfach und zuvorkommend, heiter ohne Bos- heit, gefällt und befriedigt ſeine Unterhaltung, auch wenn ſie in dem Augenblick nicht brillant iſt. Seine Frau, Lady K ...., iſt weder ſchön noch häßlich. Sie hat Geiſt, l’usage du grand monde, et quelquefois de la politesse. Dazu kein geringes Talent zur Mu- ſik, und 10,000 £. St. Revenüen. Mit alle dem brauche ich nicht erſt hinzuzufügen, daß dies Haus angenehm iſt. Den 25ſten. Auf den hieſigen Bällen herrſcht eine vortheilhafte Sitte für die Herren, nämlich nach vollendetem Tanze ihre Tänzerin an den Arm zu nehmen, und mit ihr bis zum nächſten herumzuwandeln. Dabei hat Man- cher Zeit, ſeine Timidität zu beſiegen, und es fehlte nichts als unſre großen Lokale und einſam bleiben- den Stuben dazu, um es noch anmuthiger zu ma- chen! Hier geht es denn nicht weiter auszudehnen, als die Treppe hinab nach dem Eßſaal, und wieder herauf, aber auch das Gedränge gewährt große

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/435
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/435>, abgerufen am 21.11.2024.