Den Abend werde ich wieder bei Graf F. zubrin- gen, der zu den Braminen gehört. Habe ich Dir ihn schon beschrieben? Er ist keine unbedeutende Person. Die französische Liebenswürdigkeit mit englischer So- lidität vereinigend, spricht er auch beide Sprachen fast gleich geläufig. Obgleich nicht mehr jung, ist er doch immer noch ein schöner Mann, und sein Aeusseres wird durch einen sehr edlen Anstand geho- ben. Einfach und zuvorkommend, heiter ohne Bos- heit, gefällt und befriedigt seine Unterhaltung, auch wenn sie in dem Augenblick nicht brillant ist. Seine Frau, Lady K ...., ist weder schön noch häßlich. Sie hat Geist, l'usage du grand monde, et quelquefois de la politesse. Dazu kein geringes Talent zur Mu- sik, und 10,000 £. St. Revenüen. Mit alle dem brauche ich nicht erst hinzuzufügen, daß dies Haus angenehm ist.
Den 25sten.
Auf den hiesigen Bällen herrscht eine vortheilhafte Sitte für die Herren, nämlich nach vollendetem Tanze ihre Tänzerin an den Arm zu nehmen, und mit ihr bis zum nächsten herumzuwandeln. Dabei hat Man- cher Zeit, seine Timidität zu besiegen, und es fehlte nichts als unsre großen Lokale und einsam bleiben- den Stuben dazu, um es noch anmuthiger zu ma- chen! Hier geht es denn nicht weiter auszudehnen, als die Treppe hinab nach dem Eßsaal, und wieder herauf, aber auch das Gedränge gewährt große
Den Abend werde ich wieder bei Graf F. zubrin- gen, der zu den Braminen gehört. Habe ich Dir ihn ſchon beſchrieben? Er iſt keine unbedeutende Perſon. Die franzöſiſche Liebenswürdigkeit mit engliſcher So- lidität vereinigend, ſpricht er auch beide Sprachen faſt gleich geläufig. Obgleich nicht mehr jung, iſt er doch immer noch ein ſchöner Mann, und ſein Aeuſſeres wird durch einen ſehr edlen Anſtand geho- ben. Einfach und zuvorkommend, heiter ohne Bos- heit, gefällt und befriedigt ſeine Unterhaltung, auch wenn ſie in dem Augenblick nicht brillant iſt. Seine Frau, Lady K ...., iſt weder ſchön noch häßlich. Sie hat Geiſt, l’usage du grand monde, et quelquefois de la politesse. Dazu kein geringes Talent zur Mu- ſik, und 10,000 £. St. Revenüen. Mit alle dem brauche ich nicht erſt hinzuzufügen, daß dies Haus angenehm iſt.
Den 25ſten.
Auf den hieſigen Bällen herrſcht eine vortheilhafte Sitte für die Herren, nämlich nach vollendetem Tanze ihre Tänzerin an den Arm zu nehmen, und mit ihr bis zum nächſten herumzuwandeln. Dabei hat Man- cher Zeit, ſeine Timidität zu beſiegen, und es fehlte nichts als unſre großen Lokale und einſam bleiben- den Stuben dazu, um es noch anmuthiger zu ma- chen! Hier geht es denn nicht weiter auszudehnen, als die Treppe hinab nach dem Eßſaal, und wieder herauf, aber auch das Gedränge gewährt große
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0435"n="389"/><p>Den Abend werde ich wieder bei Graf F. zubrin-<lb/>
gen, der zu den Braminen gehört. Habe ich Dir ihn<lb/>ſchon beſchrieben? Er iſt keine unbedeutende Perſon.<lb/>
Die franzöſiſche Liebenswürdigkeit mit engliſcher So-<lb/>
lidität vereinigend, ſpricht er auch beide Sprachen<lb/>
faſt gleich geläufig. Obgleich nicht mehr jung, iſt<lb/>
er doch immer noch ein ſchöner Mann, und ſein<lb/>
Aeuſſeres wird durch einen ſehr edlen Anſtand geho-<lb/>
ben. Einfach und zuvorkommend, heiter ohne Bos-<lb/>
heit, gefällt und befriedigt ſeine Unterhaltung, auch<lb/>
wenn ſie in dem Augenblick nicht brillant iſt. Seine<lb/>
Frau, Lady K ...., iſt weder ſchön noch häßlich. Sie<lb/>
hat Geiſt, <hirendition="#aq">l’usage du grand monde, et quelquefois<lb/>
de la politesse.</hi> Dazu kein geringes Talent zur Mu-<lb/>ſik, und 10,000 £. St. Revenüen. Mit alle dem<lb/>
brauche ich nicht erſt hinzuzufügen, daß dies Haus<lb/>
angenehm iſt.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 25ſten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Auf den hieſigen Bällen herrſcht eine vortheilhafte<lb/>
Sitte für die Herren, nämlich nach vollendetem Tanze<lb/>
ihre Tänzerin an den Arm zu nehmen, und mit ihr<lb/>
bis zum nächſten herumzuwandeln. Dabei hat Man-<lb/>
cher Zeit, ſeine Timidität zu beſiegen, und es fehlte<lb/>
nichts als unſre großen Lokale und einſam bleiben-<lb/>
den Stuben dazu, um es noch anmuthiger zu ma-<lb/>
chen! Hier geht es denn nicht weiter auszudehnen,<lb/>
als die Treppe hinab nach dem Eßſaal, und wieder<lb/>
herauf, aber auch das Gedränge gewährt große<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[389/0435]
Den Abend werde ich wieder bei Graf F. zubrin-
gen, der zu den Braminen gehört. Habe ich Dir ihn
ſchon beſchrieben? Er iſt keine unbedeutende Perſon.
Die franzöſiſche Liebenswürdigkeit mit engliſcher So-
lidität vereinigend, ſpricht er auch beide Sprachen
faſt gleich geläufig. Obgleich nicht mehr jung, iſt
er doch immer noch ein ſchöner Mann, und ſein
Aeuſſeres wird durch einen ſehr edlen Anſtand geho-
ben. Einfach und zuvorkommend, heiter ohne Bos-
heit, gefällt und befriedigt ſeine Unterhaltung, auch
wenn ſie in dem Augenblick nicht brillant iſt. Seine
Frau, Lady K ...., iſt weder ſchön noch häßlich. Sie
hat Geiſt, l’usage du grand monde, et quelquefois
de la politesse. Dazu kein geringes Talent zur Mu-
ſik, und 10,000 £. St. Revenüen. Mit alle dem
brauche ich nicht erſt hinzuzufügen, daß dies Haus
angenehm iſt.
Den 25ſten.
Auf den hieſigen Bällen herrſcht eine vortheilhafte
Sitte für die Herren, nämlich nach vollendetem Tanze
ihre Tänzerin an den Arm zu nehmen, und mit ihr
bis zum nächſten herumzuwandeln. Dabei hat Man-
cher Zeit, ſeine Timidität zu beſiegen, und es fehlte
nichts als unſre großen Lokale und einſam bleiben-
den Stuben dazu, um es noch anmuthiger zu ma-
chen! Hier geht es denn nicht weiter auszudehnen,
als die Treppe hinab nach dem Eßſaal, und wieder
herauf, aber auch das Gedränge gewährt große
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/435>, abgerufen am 13.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.