Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder auslösche, und der verirrten Seele von neuem
das weiße Blatt zum glücklicheren Versuche darbiete.
Wer aber hier schon das Heilige darauf geschrie-
ben, dem wird wohl eine weitere seeligere Aufgabe
werden! Die liebende Gerechtigkeit straft nicht wie
der schwache Mensch, aber sie kann nur da belohnen,
wo Lohn verdient, wo er als nöthige Folge des Ver-
gangenen errungen wird. Darum vergrabt Euer
Pfund nicht. Amen!



Es ist wieder recht kalt geworden, und das Kamin
"wo Tag und Nacht die Kohle brennt" leider unzu-
länglich eine warme Stube hervorzubringen, wie sie
unsre zwar häßlichen, aber mir doch heute sehr zweck-
mäßig vorkommenden Oefen gewähren.

Um das Blut in Umlauf zu bringen, reite ich desto
fleißiger aus, und besah heute bei der Rückkunft, ei-
nes der vielen hier aufgestellten Cosmoramas, die
allerdings eine ganz angenehme Reise auf dem Zim-
mer, wie man es in V. nennt, gewähren. So gab
mir das Innere der Cathedrale von Rheims nebst
der Krönungs-Darstellung der Krönung Carl des X.
gewiß hier einen bequemern Anblick derselben, als er
in dem Gedränge der Kirche selbst statt gefunden ha-
ben mag. Aber welches geschmacklose Costume vom
Könige bis zum letzten Hofmanne! Neues und Altes

wieder auslöſche, und der verirrten Seele von neuem
das weiße Blatt zum glücklicheren Verſuche darbiete.
Wer aber hier ſchon das Heilige darauf geſchrie-
ben, dem wird wohl eine weitere ſeeligere Aufgabe
werden! Die liebende Gerechtigkeit ſtraft nicht wie
der ſchwache Menſch, aber ſie kann nur da belohnen,
wo Lohn verdient, wo er als nöthige Folge des Ver-
gangenen errungen wird. Darum vergrabt Euer
Pfund nicht. Amen!



Es iſt wieder recht kalt geworden, und das Kamin
„wo Tag und Nacht die Kohle brennt“ leider unzu-
länglich eine warme Stube hervorzubringen, wie ſie
unſre zwar häßlichen, aber mir doch heute ſehr zweck-
mäßig vorkommenden Oefen gewähren.

Um das Blut in Umlauf zu bringen, reite ich deſto
fleißiger aus, und beſah heute bei der Rückkunft, ei-
nes der vielen hier aufgeſtellten Cosmoramas, die
allerdings eine ganz angenehme Reiſe auf dem Zim-
mer, wie man es in V. nennt, gewähren. So gab
mir das Innere der Cathedrale von Rheims nebſt
der Krönungs-Darſtellung der Krönung Carl des X.
gewiß hier einen bequemern Anblick derſelben, als er
in dem Gedränge der Kirche ſelbſt ſtatt gefunden ha-
ben mag. Aber welches geſchmackloſe Coſtume vom
Könige bis zum letzten Hofmanne! Neues und Altes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0377" n="331"/>
wieder auslö&#x017F;che, und der verirrten Seele von neuem<lb/>
das weiße Blatt zum glücklicheren Ver&#x017F;uche darbiete.<lb/>
Wer aber hier &#x017F;chon das <hi rendition="#g">Heilige</hi> darauf ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben, dem wird wohl eine weitere &#x017F;eeligere Aufgabe<lb/>
werden! Die liebende Gerechtigkeit &#x017F;traft nicht wie<lb/>
der &#x017F;chwache Men&#x017F;ch, aber &#x017F;ie kann nur da belohnen,<lb/>
wo Lohn verdient, wo er als nöthige Folge des Ver-<lb/>
gangenen errungen wird. Darum vergrabt Euer<lb/>
Pfund nicht. Amen!</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 24&#x017F;ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t wieder recht kalt geworden, und das Kamin<lb/>
&#x201E;wo Tag und Nacht die Kohle brennt&#x201C; leider unzu-<lb/>
länglich eine warme Stube hervorzubringen, wie &#x017F;ie<lb/>
un&#x017F;re zwar häßlichen, aber mir doch heute &#x017F;ehr zweck-<lb/>
mäßig vorkommenden Oefen gewähren.</p><lb/>
          <p>Um das Blut in Umlauf zu bringen, reite ich de&#x017F;to<lb/>
fleißiger aus, und be&#x017F;ah heute bei der Rückkunft, ei-<lb/>
nes der vielen hier aufge&#x017F;tellten Cosmoramas, die<lb/>
allerdings eine ganz angenehme Rei&#x017F;e auf dem Zim-<lb/>
mer, wie man es in V. nennt, gewähren. So gab<lb/>
mir das Innere der Cathedrale von Rheims neb&#x017F;t<lb/>
der Krönungs-Dar&#x017F;tellung der Krönung Carl des <hi rendition="#aq">X.</hi><lb/>
gewiß hier einen bequemern Anblick der&#x017F;elben, als er<lb/>
in dem Gedränge der Kirche &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;tatt gefunden ha-<lb/>
ben mag. Aber welches ge&#x017F;chmacklo&#x017F;e Co&#x017F;tume vom<lb/>
Könige bis zum letzten Hofmanne! Neues und Altes<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0377] wieder auslöſche, und der verirrten Seele von neuem das weiße Blatt zum glücklicheren Verſuche darbiete. Wer aber hier ſchon das Heilige darauf geſchrie- ben, dem wird wohl eine weitere ſeeligere Aufgabe werden! Die liebende Gerechtigkeit ſtraft nicht wie der ſchwache Menſch, aber ſie kann nur da belohnen, wo Lohn verdient, wo er als nöthige Folge des Ver- gangenen errungen wird. Darum vergrabt Euer Pfund nicht. Amen! Den 24ſten. Es iſt wieder recht kalt geworden, und das Kamin „wo Tag und Nacht die Kohle brennt“ leider unzu- länglich eine warme Stube hervorzubringen, wie ſie unſre zwar häßlichen, aber mir doch heute ſehr zweck- mäßig vorkommenden Oefen gewähren. Um das Blut in Umlauf zu bringen, reite ich deſto fleißiger aus, und beſah heute bei der Rückkunft, ei- nes der vielen hier aufgeſtellten Cosmoramas, die allerdings eine ganz angenehme Reiſe auf dem Zim- mer, wie man es in V. nennt, gewähren. So gab mir das Innere der Cathedrale von Rheims nebſt der Krönungs-Darſtellung der Krönung Carl des X. gewiß hier einen bequemern Anblick derſelben, als er in dem Gedränge der Kirche ſelbſt ſtatt gefunden ha- ben mag. Aber welches geſchmackloſe Coſtume vom Könige bis zum letzten Hofmanne! Neues und Altes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/377
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/377>, abgerufen am 13.11.2024.