send, und mit Geprassel in den Burgwall herunter schleudernd. Kein menschliches Wesen ließ sich sehen; alles war einsam, schauerlich, ein düstres, aber er- habnes Denkmal der Vernichtung.
Solche Augenblicke sind eigentlich tröstend! Man fühlt lebhafter als sonst, daß es nicht der Mühe werth ist: sich über irdische Dinge zu grämen, da die Sorge wie das Glück nur eine Spanne Zeit dauert. -- Auch mich ergriff noch heute der ewige Wechsel des Men- schenlebens, und versetzte mich am Abend, im schreien- den Contrast mit der leblosen Ruine, in das prosai- sche Gewühl einer nur mit Gewinn beschäftigten Menge, in die dampfende, rauchende, wimmelnde Fabrikstadt Birmingham. Der letzte romantische An- blick für mich waren die Feuer, welche bei der anbre- chenden Dunkelheit die Stadt auf allen Seiten aus den langen Essen der Eisenhämmer umleuchteten, dann entsagte ich den Spielen der Phantasie bis auf geleg- nere Zeit.
Den 30sten.
Birmingham ist eine der ansehnlichsten und zugleich häßlichsten Städte Englands. Sie zählt 120,000 Ein- wohner, wovon gewiß zwei Drittel Fabrikarbeiter sind, auch gewährt sie nur den Anblick eines unermeßlichen Atteliers.
ſend, und mit Gepraſſel in den Burgwall herunter ſchleudernd. Kein menſchliches Weſen ließ ſich ſehen; alles war einſam, ſchauerlich, ein düſtres, aber er- habnes Denkmal der Vernichtung.
Solche Augenblicke ſind eigentlich tröſtend! Man fühlt lebhafter als ſonſt, daß es nicht der Mühe werth iſt: ſich über irdiſche Dinge zu grämen, da die Sorge wie das Glück nur eine Spanne Zeit dauert. — Auch mich ergriff noch heute der ewige Wechſel des Men- ſchenlebens, und verſetzte mich am Abend, im ſchreien- den Contraſt mit der lebloſen Ruine, in das proſai- ſche Gewühl einer nur mit Gewinn beſchäftigten Menge, in die dampfende, rauchende, wimmelnde Fabrikſtadt Birmingham. Der letzte romantiſche An- blick für mich waren die Feuer, welche bei der anbre- chenden Dunkelheit die Stadt auf allen Seiten aus den langen Eſſen der Eiſenhämmer umleuchteten, dann entſagte ich den Spielen der Phantaſie bis auf geleg- nere Zeit.
Den 30ſten.
Birmingham iſt eine der anſehnlichſten und zugleich häßlichſten Städte Englands. Sie zählt 120,000 Ein- wohner, wovon gewiß zwei Drittel Fabrikarbeiter ſind, auch gewährt ſie nur den Anblick eines unermeßlichen Atteliers.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0293"n="247"/>ſend, und mit Gepraſſel in den Burgwall herunter<lb/>ſchleudernd. Kein menſchliches Weſen ließ ſich ſehen;<lb/>
alles war einſam, ſchauerlich, ein düſtres, aber er-<lb/>
habnes Denkmal der Vernichtung.</p><lb/><p>Solche Augenblicke ſind eigentlich tröſtend! Man<lb/>
fühlt lebhafter als ſonſt, daß es nicht der Mühe werth<lb/>
iſt: ſich über irdiſche Dinge zu grämen, da die Sorge<lb/>
wie das Glück nur eine Spanne Zeit dauert. — Auch<lb/>
mich ergriff noch heute der ewige Wechſel des Men-<lb/>ſchenlebens, und verſetzte mich am Abend, im ſchreien-<lb/>
den Contraſt mit der lebloſen Ruine, in das proſai-<lb/>ſche Gewühl einer nur mit Gewinn beſchäftigten<lb/>
Menge, in die dampfende, rauchende, wimmelnde<lb/>
Fabrikſtadt Birmingham. Der letzte romantiſche An-<lb/>
blick für mich waren die Feuer, welche bei der anbre-<lb/>
chenden Dunkelheit die Stadt auf allen Seiten aus<lb/>
den langen Eſſen der Eiſenhämmer umleuchteten, dann<lb/>
entſagte ich den Spielen der Phantaſie bis auf geleg-<lb/>
nere Zeit.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 30ſten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Birmingham iſt eine der anſehnlichſten und zugleich<lb/>
häßlichſten Städte Englands. Sie zählt 120,000 Ein-<lb/>
wohner, wovon gewiß zwei Drittel Fabrikarbeiter ſind,<lb/>
auch gewährt ſie nur den Anblick eines unermeßlichen<lb/>
Atteliers.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[247/0293]
ſend, und mit Gepraſſel in den Burgwall herunter
ſchleudernd. Kein menſchliches Weſen ließ ſich ſehen;
alles war einſam, ſchauerlich, ein düſtres, aber er-
habnes Denkmal der Vernichtung.
Solche Augenblicke ſind eigentlich tröſtend! Man
fühlt lebhafter als ſonſt, daß es nicht der Mühe werth
iſt: ſich über irdiſche Dinge zu grämen, da die Sorge
wie das Glück nur eine Spanne Zeit dauert. — Auch
mich ergriff noch heute der ewige Wechſel des Men-
ſchenlebens, und verſetzte mich am Abend, im ſchreien-
den Contraſt mit der lebloſen Ruine, in das proſai-
ſche Gewühl einer nur mit Gewinn beſchäftigten
Menge, in die dampfende, rauchende, wimmelnde
Fabrikſtadt Birmingham. Der letzte romantiſche An-
blick für mich waren die Feuer, welche bei der anbre-
chenden Dunkelheit die Stadt auf allen Seiten aus
den langen Eſſen der Eiſenhämmer umleuchteten, dann
entſagte ich den Spielen der Phantaſie bis auf geleg-
nere Zeit.
Den 30ſten.
Birmingham iſt eine der anſehnlichſten und zugleich
häßlichſten Städte Englands. Sie zählt 120,000 Ein-
wohner, wovon gewiß zwei Drittel Fabrikarbeiter ſind,
auch gewährt ſie nur den Anblick eines unermeßlichen
Atteliers.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/293>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.