Ich sende Dir beifolgend zwei spezielle Werke über die Vase und die Elgin'schen Antiken, mit sehr leid- lichen Umrissen, nehme aber jetzt Abschied, um ein- packen zu lassen, denn morgen gedenke ich nach Newmarket zu fahren, um mich während des Pferde- rennens einige Tage daselbst aufzuhalten.
Newmarket den 19ten Oktober.
Die Schönheit des Landes, und die ungemeine Zierlichkeit aller Orte, durch die mein heutiger Weg mich führte, frappirte mich von neuem auf das an- genehmste. Diese eben so fruchtbaren als geordneten Landschaften, diese Tausende von behaglichen und lieb- lichen Landhäusern, auf allen Punkten der Gegend vertheilt, dies fortwährende Gewühl von eleganten Wagen, Reitern und wohlgekleideten Fußgängern sind nur England eigen. Es hat aber dieses schöne Ganze doch einen Fehler, es ist alles zu kultivirt, zu vollen- det, deshalb immer und überall dasselbe, und folglich auf die Länge ermüdend, ja ich kann mir sogar den- ken, daß es endlich widerlich werden muß, wie den Uebersatten eine duftende Schüssel voller Delikatessen aneckelt. Dies mag auch die große Reiselust der Eng- länder zum Theil erklären. Es ist gerade so wie im Leben, wo der Mensch ganz ungestörtes Glück am wenigsten vertragen kann, weßhalb der liebe Gott
Ich ſende Dir beifolgend zwei ſpezielle Werke über die Vaſe und die Elgin’ſchen Antiken, mit ſehr leid- lichen Umriſſen, nehme aber jetzt Abſchied, um ein- packen zu laſſen, denn morgen gedenke ich nach Newmarket zu fahren, um mich während des Pferde- rennens einige Tage daſelbſt aufzuhalten.
Newmarket den 19ten Oktober.
Die Schönheit des Landes, und die ungemeine Zierlichkeit aller Orte, durch die mein heutiger Weg mich führte, frappirte mich von neuem auf das an- genehmſte. Dieſe eben ſo fruchtbaren als geordneten Landſchaften, dieſe Tauſende von behaglichen und lieb- lichen Landhäuſern, auf allen Punkten der Gegend vertheilt, dies fortwährende Gewühl von eleganten Wagen, Reitern und wohlgekleideten Fußgängern ſind nur England eigen. Es hat aber dieſes ſchöne Ganze doch einen Fehler, es iſt alles zu kultivirt, zu vollen- det, deshalb immer und überall daſſelbe, und folglich auf die Länge ermüdend, ja ich kann mir ſogar den- ken, daß es endlich widerlich werden muß, wie den Ueberſatten eine duftende Schüſſel voller Delikateſſen aneckelt. Dies mag auch die große Reiſeluſt der Eng- länder zum Theil erklären. Es iſt gerade ſo wie im Leben, wo der Menſch ganz ungeſtörtes Glück am wenigſten vertragen kann, weßhalb der liebe Gott
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0112"n="72"/><p>Ich ſende Dir beifolgend zwei ſpezielle Werke über<lb/>
die Vaſe und die Elgin’ſchen Antiken, mit ſehr leid-<lb/>
lichen Umriſſen, nehme aber jetzt Abſchied, um ein-<lb/>
packen zu laſſen, denn morgen gedenke ich nach<lb/>
Newmarket zu fahren, um mich während des Pferde-<lb/>
rennens einige Tage daſelbſt aufzuhalten.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Newmarket den 19ten Oktober.</hi></dateline></opener><lb/><p>Die Schönheit des Landes, und die ungemeine<lb/>
Zierlichkeit aller Orte, durch die mein heutiger Weg<lb/>
mich führte, frappirte mich von neuem auf das an-<lb/>
genehmſte. Dieſe eben ſo fruchtbaren als geordneten<lb/>
Landſchaften, dieſe Tauſende von behaglichen und lieb-<lb/>
lichen Landhäuſern, auf allen Punkten der Gegend<lb/>
vertheilt, dies fortwährende Gewühl von eleganten<lb/>
Wagen, Reitern und wohlgekleideten Fußgängern ſind<lb/>
nur England eigen. Es hat aber dieſes ſchöne Ganze<lb/>
doch einen Fehler, es iſt alles zu kultivirt, zu vollen-<lb/>
det, deshalb immer und überall daſſelbe, und folglich<lb/>
auf die Länge ermüdend, ja ich kann mir ſogar den-<lb/>
ken, daß es endlich widerlich werden muß, wie den<lb/>
Ueberſatten eine duftende Schüſſel voller Delikateſſen<lb/>
aneckelt. Dies mag auch die große Reiſeluſt der Eng-<lb/>
länder zum Theil erklären. Es iſt gerade ſo wie im<lb/>
Leben, wo der Menſch ganz ungeſtörtes Glück am<lb/>
wenigſten vertragen kann, weßhalb der liebe Gott<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[72/0112]
Ich ſende Dir beifolgend zwei ſpezielle Werke über
die Vaſe und die Elgin’ſchen Antiken, mit ſehr leid-
lichen Umriſſen, nehme aber jetzt Abſchied, um ein-
packen zu laſſen, denn morgen gedenke ich nach
Newmarket zu fahren, um mich während des Pferde-
rennens einige Tage daſelbſt aufzuhalten.
Newmarket den 19ten Oktober.
Die Schönheit des Landes, und die ungemeine
Zierlichkeit aller Orte, durch die mein heutiger Weg
mich führte, frappirte mich von neuem auf das an-
genehmſte. Dieſe eben ſo fruchtbaren als geordneten
Landſchaften, dieſe Tauſende von behaglichen und lieb-
lichen Landhäuſern, auf allen Punkten der Gegend
vertheilt, dies fortwährende Gewühl von eleganten
Wagen, Reitern und wohlgekleideten Fußgängern ſind
nur England eigen. Es hat aber dieſes ſchöne Ganze
doch einen Fehler, es iſt alles zu kultivirt, zu vollen-
det, deshalb immer und überall daſſelbe, und folglich
auf die Länge ermüdend, ja ich kann mir ſogar den-
ken, daß es endlich widerlich werden muß, wie den
Ueberſatten eine duftende Schüſſel voller Delikateſſen
aneckelt. Dies mag auch die große Reiſeluſt der Eng-
länder zum Theil erklären. Es iſt gerade ſo wie im
Leben, wo der Menſch ganz ungeſtörtes Glück am
wenigſten vertragen kann, weßhalb der liebe Gott
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/112>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.