Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.versuchte jede Schwester das Portrait der andern zu Den 19ten. Ich sah mich heute zu etwas Unangenehmem ge- *) Selbst Religion und Moralität reichen in dem ver-
wickelten Zustande der menschlichen Gesellschaft nicht für alle Fälle aus -- Beweis die conventionelle Ehre, welche oft gegen beide streitet, und deren Gesetze doch von den Besten befolgt werden. verſuchte jede Schweſter das Portrait der andern zu Den 19ten. Ich ſah mich heute zu etwas Unangenehmem ge- *) Selbſt Religion und Moralität reichen in dem ver-
wickelten Zuſtande der menſchlichen Geſellſchaft nicht für alle Fälle aus — Beweis die conventionelle Ehre, welche oft gegen beide ſtreitet, und deren Geſetze doch von den Beſten befolgt werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0208" n="186"/> verſuchte jede Schweſter das Portrait der andern zu<lb/> malen. Beide gelangen ſehr gut, und befinden ſich<lb/> bereits in der Gallerie meiner Lebensbilder.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <opener> <dateline> <hi rendition="#et">Den 19<hi rendition="#sup">ten</hi>.</hi> </dateline> </opener><lb/> <p>Ich ſah mich heute zu etwas Unangenehmem ge-<lb/> nöthigt, was ich ſchon lange aufgeſchoben, und mußte<lb/> endlich mein großes Mittel anwenden, um meine<lb/> Abneigung zu beſiegen. Du wirſt lachen, wenn ich<lb/> Dir es nenne, aber <hi rendition="#g">mir</hi> hilft es, für Großes und<lb/> Kleines. In der That giebt es wenig Menſchen,<lb/> die nicht zuweilen leichtſinnig, noch öfter <hi rendition="#g">ſchwan-<lb/> kend</hi> wären. Da es mir nicht beſſer geht, ſo habe<lb/> ich ein eignes Mittel erfunden, mir in Dingen, die<lb/> mir ſchwer ankommen, künſtlich Entſcheidung, und<lb/><hi rendition="#g">den</hi> Halt zu verſchaffen, der mir ſonſt vielleicht feh-<lb/> len könnte, und den der Menſch einmal durch irgend<lb/> etwas außerhalb Hingeſtelltes bedarf. <note place="foot" n="*)">Selbſt Religion und Moralität reichen in dem ver-<lb/> wickelten Zuſtande der menſchlichen Geſellſchaft nicht<lb/> für alle Fälle aus — Beweis die conventionelle Ehre,<lb/> welche oft gegen beide ſtreitet, und deren Geſetze doch<lb/> von den Beſten befolgt werden.</note> Ich gebe<lb/> nämlich in ſolchem ſpeziellen Falle ganz feierlich <hi rendition="#g">mir<lb/> ſelbſt</hi> mein <hi rendition="#g">Ehren</hi>wort darauf, dies oder jenes<lb/> zu thun, oder zu laſſen. Ich bin natürlich ſehr vor-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0208]
verſuchte jede Schweſter das Portrait der andern zu
malen. Beide gelangen ſehr gut, und befinden ſich
bereits in der Gallerie meiner Lebensbilder.
Den 19ten.
Ich ſah mich heute zu etwas Unangenehmem ge-
nöthigt, was ich ſchon lange aufgeſchoben, und mußte
endlich mein großes Mittel anwenden, um meine
Abneigung zu beſiegen. Du wirſt lachen, wenn ich
Dir es nenne, aber mir hilft es, für Großes und
Kleines. In der That giebt es wenig Menſchen,
die nicht zuweilen leichtſinnig, noch öfter ſchwan-
kend wären. Da es mir nicht beſſer geht, ſo habe
ich ein eignes Mittel erfunden, mir in Dingen, die
mir ſchwer ankommen, künſtlich Entſcheidung, und
den Halt zu verſchaffen, der mir ſonſt vielleicht feh-
len könnte, und den der Menſch einmal durch irgend
etwas außerhalb Hingeſtelltes bedarf. *) Ich gebe
nämlich in ſolchem ſpeziellen Falle ganz feierlich mir
ſelbſt mein Ehrenwort darauf, dies oder jenes
zu thun, oder zu laſſen. Ich bin natürlich ſehr vor-
*) Selbſt Religion und Moralität reichen in dem ver-
wickelten Zuſtande der menſchlichen Geſellſchaft nicht
für alle Fälle aus — Beweis die conventionelle Ehre,
welche oft gegen beide ſtreitet, und deren Geſetze doch
von den Beſten befolgt werden.
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