Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Hier ist es nun nicht ganz so arg; man wird in
dieser Jahreszeit nicht stärker fatiguirt, als in einer
deutschen großen Stadt, aber immer noch zuviel ein-
geladen, ohne daß man es füglich ausschlagen kann.
Denn wohl mag ich mit dem englischen Dichter aus-
rufen: "Wie verschieden sind die Gefühle der Gäste
in jener Welt, die man die große und heitere nennt!
von allen die melancholischeste und langweiligste, wenn
man ihre Heiterkeit nicht theilt."



Eben komme ich von einem etwas kleinstädtischen,
aber nicht weniger pretentieusen dine, vom Lande
zurück. Einiges war komisch, aber das wenige Lachen
muß nur immer mit so viel langer Weile erkauft
werden! das Fest fand bei zwei sehr häßlichen und
magern, aber wie man sagt, sehr reichen Misses statt.
Ist dies der Fall, so müssen sie zugleich sehr geizig
seyn, denn die Mahlzeit war eine wahre Mystifica-
tion für einen Gourmet, und Haus und Park eben
so mesquin. Mein guter Stern brachte mich indeß
bei Tische neben Lord P ..., einem berühmten po-
litischen Charakter, der seine Partey auf der edlen
und guten Seite genommen hat, und stets der Sache
der Emancipation treu geblieben ist. Es freute mich
sehr, ihn mit den, von mir selbst an Ort und Stelle
gefaßten Ansichten, so übereinstimmend zu finden.

Hier iſt es nun nicht ganz ſo arg; man wird in
dieſer Jahreszeit nicht ſtärker fatiguirt, als in einer
deutſchen großen Stadt, aber immer noch zuviel ein-
geladen, ohne daß man es füglich ausſchlagen kann.
Denn wohl mag ich mit dem engliſchen Dichter aus-
rufen: „Wie verſchieden ſind die Gefühle der Gäſte
in jener Welt, die man die große und heitere nennt!
von allen die melancholiſcheſte und langweiligſte, wenn
man ihre Heiterkeit nicht theilt.“



Eben komme ich von einem etwas kleinſtädtiſchen,
aber nicht weniger pretentieuſen diné, vom Lande
zurück. Einiges war komiſch, aber das wenige Lachen
muß nur immer mit ſo viel langer Weile erkauft
werden! das Feſt fand bei zwei ſehr häßlichen und
magern, aber wie man ſagt, ſehr reichen Miſſes ſtatt.
Iſt dies der Fall, ſo müſſen ſie zugleich ſehr geizig
ſeyn, denn die Mahlzeit war eine wahre Myſtifica-
tion für einen Gourmet, und Haus und Park eben
ſo mesquin. Mein guter Stern brachte mich indeß
bei Tiſche neben Lord P …, einem berühmten po-
litiſchen Charakter, der ſeine Partey auf der edlen
und guten Seite genommen hat, und ſtets der Sache
der Emancipation treu geblieben iſt. Es freute mich
ſehr, ihn mit den, von mir ſelbſt an Ort und Stelle
gefaßten Anſichten, ſo übereinſtimmend zu finden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0178" n="156"/>
          <p>Hier i&#x017F;t es nun nicht ganz &#x017F;o arg; man wird in<lb/>
die&#x017F;er Jahreszeit nicht <choice><sic>&#x017F;ta&#x0307;rker</sic><corr>&#x017F;tärker</corr></choice> fatiguirt, als in einer<lb/>
deut&#x017F;chen großen Stadt, aber immer noch zuviel ein-<lb/>
geladen, ohne daß man es füglich aus&#x017F;chlagen kann.<lb/>
Denn wohl mag ich mit dem engli&#x017F;chen Dichter aus-<lb/>
rufen: &#x201E;Wie ver&#x017F;chieden &#x017F;ind die Gefühle der Gä&#x017F;te<lb/>
in jener Welt, die man die große und heitere nennt!<lb/>
von allen die melancholi&#x017F;che&#x017F;te und langweilig&#x017F;te, wenn<lb/>
man ihre Heiterkeit nicht theilt.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 28<hi rendition="#sup">&#x017F;ten.</hi></hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Eben komme ich von einem etwas klein&#x017F;tädti&#x017F;chen,<lb/>
aber nicht weniger pretentieu&#x017F;en <hi rendition="#aq">diné,</hi> vom Lande<lb/>
zurück. Einiges war komi&#x017F;ch, aber das wenige Lachen<lb/>
muß nur immer mit &#x017F;o viel langer Weile erkauft<lb/>
werden! das Fe&#x017F;t fand bei zwei &#x017F;ehr häßlichen und<lb/>
magern, aber wie man &#x017F;agt, &#x017F;ehr reichen Mi&#x017F;&#x017F;es &#x017F;tatt.<lb/>
I&#x017F;t dies der Fall, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie zugleich &#x017F;ehr geizig<lb/>
&#x017F;eyn, denn die Mahlzeit war eine wahre My&#x017F;tifica-<lb/>
tion für einen Gourmet, und Haus und Park eben<lb/>
&#x017F;o mesquin. Mein guter Stern brachte mich indeß<lb/>
bei Ti&#x017F;che neben Lord P &#x2026;, einem berühmten po-<lb/>
liti&#x017F;chen Charakter, der &#x017F;eine Partey auf der edlen<lb/>
und guten Seite genommen hat, und &#x017F;tets der Sache<lb/>
der Emancipation treu geblieben i&#x017F;t. Es freute mich<lb/>
&#x017F;ehr, ihn mit den, von mir &#x017F;elb&#x017F;t an Ort und Stelle<lb/>
gefaßten An&#x017F;ichten, &#x017F;o überein&#x017F;timmend zu finden.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0178] Hier iſt es nun nicht ganz ſo arg; man wird in dieſer Jahreszeit nicht ſtärker fatiguirt, als in einer deutſchen großen Stadt, aber immer noch zuviel ein- geladen, ohne daß man es füglich ausſchlagen kann. Denn wohl mag ich mit dem engliſchen Dichter aus- rufen: „Wie verſchieden ſind die Gefühle der Gäſte in jener Welt, die man die große und heitere nennt! von allen die melancholiſcheſte und langweiligſte, wenn man ihre Heiterkeit nicht theilt.“ Den 28ſten. Eben komme ich von einem etwas kleinſtädtiſchen, aber nicht weniger pretentieuſen diné, vom Lande zurück. Einiges war komiſch, aber das wenige Lachen muß nur immer mit ſo viel langer Weile erkauft werden! das Feſt fand bei zwei ſehr häßlichen und magern, aber wie man ſagt, ſehr reichen Miſſes ſtatt. Iſt dies der Fall, ſo müſſen ſie zugleich ſehr geizig ſeyn, denn die Mahlzeit war eine wahre Myſtifica- tion für einen Gourmet, und Haus und Park eben ſo mesquin. Mein guter Stern brachte mich indeß bei Tiſche neben Lord P …, einem berühmten po- litiſchen Charakter, der ſeine Partey auf der edlen und guten Seite genommen hat, und ſtets der Sache der Emancipation treu geblieben iſt. Es freute mich ſehr, ihn mit den, von mir ſelbſt an Ort und Stelle gefaßten Anſichten, ſo übereinſtimmend zu finden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/178
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/178>, abgerufen am 21.12.2024.