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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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mit meiner Gegenwart zu beehren. Da mir aber
jetzt wenig an Gesellschaft und neuen Bekanntschaf-
ten liegt, so machte ich ihm faux bond, und verließ
am frühen Morgen Cheltenham. Die Gegend bleibt
fortwährend im hohen Grade lieblich, voller Wiesen-
gründe und tief grüner Baumgruppen, mit im-
mer deutlicher werdenden Ansichten der den Horizont
bekränzenden Berge. Fast alle Stationen passirt man
eine ansehnliche Stadt, der nie ihre hoch hinaus-
ragende gothische Kirche fehlt. Besonders reizend
erschien mir die Lage der Stadt Tewksbury. Nichts
kann friedlicher, idyllischer seyn, und dennoch sind
alle diese blühenden Fluren, blutige Schlachtfelder
aus den Zeiten der unzähligen englischen Bürger-
kriege, woher sie auch noch jetzt die im Laufe der
Jahrhunderte so unpassend gewordenen Namen von
Blutstätte, Mordfeld, Knochenacker etc. führen.

Worcester, wo ich Dir jetzt schreibe, die Haupt-
stadt der Grafschaft, bietet außer ihrer prächtigen
Cathedrale, nicht viel Merkwürdiges dar. Die we-
nigen, in dieser Kirche noch übrig gebliebenen, alten
Glasmalereien sind mit neuen ergänzt, welche
sehr hart gegen das Weiche, und doch Glühende,
der alten Farben abstechen. In der Mitte des Schif-
fes liegt King John begraben, sein Conterfei in
Stein gehauen auf dem Steinsarge. Es ist das äl-
teste Grabmonument eines englischen Königs in
Großbrittanien. Man öffnete den Sarg vor einigen
Jahren und fand das Gerippe noch wohl erhalten,
und ganz so gekleidet, wie der König auf dem Sarge

mit meiner Gegenwart zu beehren. Da mir aber
jetzt wenig an Geſellſchaft und neuen Bekanntſchaf-
ten liegt, ſo machte ich ihm faux bond, und verließ
am frühen Morgen Cheltenham. Die Gegend bleibt
fortwährend im hohen Grade lieblich, voller Wieſen-
gründe und tief grüner Baumgruppen, mit im-
mer deutlicher werdenden Anſichten der den Horizont
bekränzenden Berge. Faſt alle Stationen paſſirt man
eine anſehnliche Stadt, der nie ihre hoch hinaus-
ragende gothiſche Kirche fehlt. Beſonders reizend
erſchien mir die Lage der Stadt Tewksbury. Nichts
kann friedlicher, idylliſcher ſeyn, und dennoch ſind
alle dieſe blühenden Fluren, blutige Schlachtfelder
aus den Zeiten der unzähligen engliſchen Bürger-
kriege, woher ſie auch noch jetzt die im Laufe der
Jahrhunderte ſo unpaſſend gewordenen Namen von
Blutſtätte, Mordfeld, Knochenacker ꝛc. führen.

Worceſter, wo ich Dir jetzt ſchreibe, die Haupt-
ſtadt der Grafſchaft, bietet außer ihrer prächtigen
Cathedrale, nicht viel Merkwürdiges dar. Die we-
nigen, in dieſer Kirche noch übrig gebliebenen, alten
Glasmalereien ſind mit neuen ergänzt, welche
ſehr hart gegen das Weiche, und doch Glühende,
der alten Farben abſtechen. In der Mitte des Schif-
fes liegt King John begraben, ſein Conterfei in
Stein gehauen auf dem Steinſarge. Es iſt das äl-
teſte Grabmonument eines engliſchen Königs in
Großbrittanien. Man öffnete den Sarg vor einigen
Jahren und fand das Gerippe noch wohl erhalten,
und ganz ſo gekleidet, wie der König auf dem Sarge

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[11/0035] mit meiner Gegenwart zu beehren. Da mir aber jetzt wenig an Geſellſchaft und neuen Bekanntſchaf- ten liegt, ſo machte ich ihm faux bond, und verließ am frühen Morgen Cheltenham. Die Gegend bleibt fortwährend im hohen Grade lieblich, voller Wieſen- gründe und tief grüner Baumgruppen, mit im- mer deutlicher werdenden Anſichten der den Horizont bekränzenden Berge. Faſt alle Stationen paſſirt man eine anſehnliche Stadt, der nie ihre hoch hinaus- ragende gothiſche Kirche fehlt. Beſonders reizend erſchien mir die Lage der Stadt Tewksbury. Nichts kann friedlicher, idylliſcher ſeyn, und dennoch ſind alle dieſe blühenden Fluren, blutige Schlachtfelder aus den Zeiten der unzähligen engliſchen Bürger- kriege, woher ſie auch noch jetzt die im Laufe der Jahrhunderte ſo unpaſſend gewordenen Namen von Blutſtätte, Mordfeld, Knochenacker ꝛc. führen. Worceſter, wo ich Dir jetzt ſchreibe, die Haupt- ſtadt der Grafſchaft, bietet außer ihrer prächtigen Cathedrale, nicht viel Merkwürdiges dar. Die we- nigen, in dieſer Kirche noch übrig gebliebenen, alten Glasmalereien ſind mit neuen ergänzt, welche ſehr hart gegen das Weiche, und doch Glühende, der alten Farben abſtechen. In der Mitte des Schif- fes liegt King John begraben, ſein Conterfei in Stein gehauen auf dem Steinſarge. Es iſt das äl- teſte Grabmonument eines engliſchen Königs in Großbrittanien. Man öffnete den Sarg vor einigen Jahren und fand das Gerippe noch wohl erhalten, und ganz ſo gekleidet, wie der König auf dem Sarge

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/35>, abgerufen am 26.04.2024.