Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

davon. Der übrige Boden ist sandig oder naß. Die
Felder stehen mager auf dem trocknen Lande, dage-
gen gedeiht die Bruchwirthschaft, welche man hier
aus dem Fundamente versteht, vortrefflich. Man
planirt die Brüche zuförderst, indem man das vor-
ragende Terrain zu Torfziegeln verarbeitet, dann
geht das Brennen und die Bestellung mit Früchten
erst an. Alle Moore scheinen außerordentlich tief.
Haidekorn, Kartoffeln und Hafer werden am meisten
gebaut. Die Hütten der Einwohner sind über alle
Beschreibung jämmerlich, und das Ansehn der gan-
zen flachen Gegend in hohem Grade dürftig, bis
man sich dem Gute meines Freundes nähert, wo
die Natur freundlicher wird, und am Horizont blaue
Berge winken, die der Sitz vieler Mährchen und
Wunder sind.

Capt. B., mein Wirth, ist einer der Notablen sei-
ner Grafschaft, sein Haus aber nicht besser als das
eines mittelmäßig begüterten, deutschen Edelmanns.
Mit der englischen Eleganz und dem englischen Luxus
ist es hier aus. Wachs ist unbekannt, so wie Claret
und Champagner. Man trinkt Sherry und Port-
wein, vor Allem aber Whisky-Punsch, bekömmt de-
testablen Kaffee, aber eine recht nährende und kräf-
tige Hausmannskost. Das Haus selbst ist nicht
überreinlich, die geringe Dienerschaft zwar respekta-
bel durch Dienstalter, Eifer und Ergebenheit, aber
von etwas ungewaschenem und bäurischem Ansehn.

Aus meinen Fenstern dringe ich in alle Geheim-
nisse der Oekonomie, die jedoch hier zu bescheiden ist,

davon. Der übrige Boden iſt ſandig oder naß. Die
Felder ſtehen mager auf dem trocknen Lande, dage-
gen gedeiht die Bruchwirthſchaft, welche man hier
aus dem Fundamente verſteht, vortrefflich. Man
planirt die Brüche zuförderſt, indem man das vor-
ragende Terrain zu Torfziegeln verarbeitet, dann
geht das Brennen und die Beſtellung mit Früchten
erſt an. Alle Moore ſcheinen außerordentlich tief.
Haidekorn, Kartoffeln und Hafer werden am meiſten
gebaut. Die Hütten der Einwohner ſind über alle
Beſchreibung jämmerlich, und das Anſehn der gan-
zen flachen Gegend in hohem Grade dürftig, bis
man ſich dem Gute meines Freundes nähert, wo
die Natur freundlicher wird, und am Horizont blaue
Berge winken, die der Sitz vieler Mährchen und
Wunder ſind.

Capt. B., mein Wirth, iſt einer der Notablen ſei-
ner Grafſchaft, ſein Haus aber nicht beſſer als das
eines mittelmäßig begüterten, deutſchen Edelmanns.
Mit der engliſchen Eleganz und dem engliſchen Luxus
iſt es hier aus. Wachs iſt unbekannt, ſo wie Claret
und Champagner. Man trinkt Sherry und Port-
wein, vor Allem aber Whisky-Punſch, bekömmt de-
teſtablen Kaffee, aber eine recht nährende und kräf-
tige Hausmannskoſt. Das Haus ſelbſt iſt nicht
überreinlich, die geringe Dienerſchaft zwar reſpekta-
bel durch Dienſtalter, Eifer und Ergebenheit, aber
von etwas ungewaſchenem und bäuriſchem Anſehn.

Aus meinen Fenſtern dringe ich in alle Geheim-
niſſe der Oekonomie, die jedoch hier zu beſcheiden iſt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0242" n="218"/>
davon. Der übrige Boden i&#x017F;t &#x017F;andig oder naß. Die<lb/>
Felder &#x017F;tehen mager auf dem trocknen Lande, dage-<lb/>
gen gedeiht die Bruchwirth&#x017F;chaft, welche man hier<lb/>
aus dem Fundamente ver&#x017F;teht, vortrefflich. Man<lb/>
planirt die Brüche zuförder&#x017F;t, indem man das vor-<lb/>
ragende Terrain zu Torfziegeln verarbeitet, dann<lb/>
geht das Brennen und die Be&#x017F;tellung mit Früchten<lb/>
er&#x017F;t an. Alle Moore &#x017F;cheinen außerordentlich tief.<lb/>
Haidekorn, Kartoffeln und Hafer werden am mei&#x017F;ten<lb/>
gebaut. Die Hütten der Einwohner &#x017F;ind über alle<lb/>
Be&#x017F;chreibung jämmerlich, und das An&#x017F;ehn der gan-<lb/>
zen flachen Gegend in hohem Grade dürftig, bis<lb/>
man &#x017F;ich dem Gute meines Freundes nähert, wo<lb/>
die Natur freundlicher wird, und am Horizont blaue<lb/>
Berge winken, die der Sitz vieler Mährchen und<lb/>
Wunder &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Capt. B., mein Wirth, i&#x017F;t einer der Notablen &#x017F;ei-<lb/>
ner Graf&#x017F;chaft, &#x017F;ein Haus aber nicht be&#x017F;&#x017F;er als das<lb/>
eines mittelmäßig <choice><sic>begu&#x0307;terten</sic><corr>begüterten</corr></choice>, deut&#x017F;chen Edelmanns.<lb/>
Mit der engli&#x017F;chen Eleganz und dem engli&#x017F;chen Luxus<lb/>
i&#x017F;t es hier aus. Wachs i&#x017F;t unbekannt, &#x017F;o wie Claret<lb/>
und Champagner. Man trinkt Sherry und Port-<lb/>
wein, vor Allem aber Whisky-Pun&#x017F;ch, bekömmt de-<lb/>
te&#x017F;tablen Kaffee, aber eine recht nährende und kräf-<lb/>
tige Hausmannsko&#x017F;t. Das Haus &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t nicht<lb/>
überreinlich, die geringe Diener&#x017F;chaft zwar re&#x017F;pekta-<lb/>
bel durch Dien&#x017F;talter, Eifer und Ergebenheit, aber<lb/>
von etwas ungewa&#x017F;chenem und bäuri&#x017F;chem An&#x017F;ehn.</p><lb/>
          <p>Aus meinen Fen&#x017F;tern dringe ich in alle Geheim-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e der Oekonomie, die jedoch hier zu be&#x017F;cheiden i&#x017F;t,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0242] davon. Der übrige Boden iſt ſandig oder naß. Die Felder ſtehen mager auf dem trocknen Lande, dage- gen gedeiht die Bruchwirthſchaft, welche man hier aus dem Fundamente verſteht, vortrefflich. Man planirt die Brüche zuförderſt, indem man das vor- ragende Terrain zu Torfziegeln verarbeitet, dann geht das Brennen und die Beſtellung mit Früchten erſt an. Alle Moore ſcheinen außerordentlich tief. Haidekorn, Kartoffeln und Hafer werden am meiſten gebaut. Die Hütten der Einwohner ſind über alle Beſchreibung jämmerlich, und das Anſehn der gan- zen flachen Gegend in hohem Grade dürftig, bis man ſich dem Gute meines Freundes nähert, wo die Natur freundlicher wird, und am Horizont blaue Berge winken, die der Sitz vieler Mährchen und Wunder ſind. Capt. B., mein Wirth, iſt einer der Notablen ſei- ner Grafſchaft, ſein Haus aber nicht beſſer als das eines mittelmäßig begüterten, deutſchen Edelmanns. Mit der engliſchen Eleganz und dem engliſchen Luxus iſt es hier aus. Wachs iſt unbekannt, ſo wie Claret und Champagner. Man trinkt Sherry und Port- wein, vor Allem aber Whisky-Punſch, bekömmt de- teſtablen Kaffee, aber eine recht nährende und kräf- tige Hausmannskoſt. Das Haus ſelbſt iſt nicht überreinlich, die geringe Dienerſchaft zwar reſpekta- bel durch Dienſtalter, Eifer und Ergebenheit, aber von etwas ungewaſchenem und bäuriſchem Anſehn. Aus meinen Fenſtern dringe ich in alle Geheim- niſſe der Oekonomie, die jedoch hier zu beſcheiden iſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/242
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/242>, abgerufen am 26.04.2024.