Die schöne Aussicht des gestrigen Abends lockte mich, heute von nahem zu sehen, was ich dort nur von ferne geschaut. Mein gefälliger Freund arran- girte zu diesem Endzweck schnell unsre Equipage, ei- nen kleinen char a banc den wir "tandem" (d. h. ein Pferd vor das andere gespannt) mit Postpferden fuhren. Wir beschlossen: den See Corrib, Cong und seine Tropfsteinhöhlen in Augenschein zu nehmen, und um die Zeit aufs Beste zu benutzen, erst in der Nacht wieder zurückzukehren. Nach vier Stunden scharfen Trabens, und einigen kleinen Unglücksfällen, die dem gebrechlichen Fuhrwerk zustießen, erreichten wir das, einige zwanzig Meilen entfernte, Cong, wo wir zuförderst in dem elenden Gasthof ein mitge- brachtes Frühstück von irländisch zubereiteten Hum- mer *), wie die Chineser mit Hölzchen, verzehrten, da keine Messer und Gabeln zu haben waren, und uns dann sogleich nach den Höhlen auf den Weg machten, wie gewöhnlich von einem halbnackten Ge- folge begleitet. Jeder von diesem suchte irgend einen Dienst zu thun; bückte man sich nach einem Stein, so rissen sich zehn darum ihn aufzuheben, und baten dann um ein Trinkgeld; war eine Thür zu öffnen, so stürzten zwanzig darauf zu, und erwarteten gleich- falls Belohnung. Später, als ich schon alle meine Münze ausgetheilt hatte, kam noch Einer der be-
*) Ein vortreffliches Gericht! das Rezept mündlich.
den 13ten.
Die ſchöne Ausſicht des geſtrigen Abends lockte mich, heute von nahem zu ſehen, was ich dort nur von ferne geſchaut. Mein gefälliger Freund arran- girte zu dieſem Endzweck ſchnell unſre Equipage, ei- nen kleinen char â banc den wir „tandem“ (d. h. ein Pferd vor das andere geſpannt) mit Poſtpferden fuhren. Wir beſchloſſen: den See Corrib, Cong und ſeine Tropfſteinhöhlen in Augenſchein zu nehmen, und um die Zeit aufs Beſte zu benutzen, erſt in der Nacht wieder zurückzukehren. Nach vier Stunden ſcharfen Trabens, und einigen kleinen Unglücksfällen, die dem gebrechlichen Fuhrwerk zuſtießen, erreichten wir das, einige zwanzig Meilen entfernte, Cong, wo wir zuförderſt in dem elenden Gaſthof ein mitge- brachtes Frühſtück von irländiſch zubereiteten Hum- mer *), wie die Chineſer mit Hölzchen, verzehrten, da keine Meſſer und Gabeln zu haben waren, und uns dann ſogleich nach den Höhlen auf den Weg machten, wie gewöhnlich von einem halbnackten Ge- folge begleitet. Jeder von dieſem ſuchte irgend einen Dienſt zu thun; bückte man ſich nach einem Stein, ſo riſſen ſich zehn darum ihn aufzuheben, und baten dann um ein Trinkgeld; war eine Thür zu öffnen, ſo ſtürzten zwanzig darauf zu, und erwarteten gleich- falls Belohnung. Später, als ich ſchon alle meine Münze ausgetheilt hatte, kam noch Einer der be-
*) Ein vortreffliches Gericht! das Rezept mündlich.
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den 13ten.
Die ſchöne Ausſicht des geſtrigen Abends lockte
mich, heute von nahem zu ſehen, was ich dort nur
von ferne geſchaut. Mein gefälliger Freund arran-
girte zu dieſem Endzweck ſchnell unſre Equipage, ei-
nen kleinen char â banc den wir „tandem“ (d. h.
ein Pferd vor das andere geſpannt) mit Poſtpferden
fuhren. Wir beſchloſſen: den See Corrib, Cong und
ſeine Tropfſteinhöhlen in Augenſchein zu nehmen,
und um die Zeit aufs Beſte zu benutzen, erſt in der
Nacht wieder zurückzukehren. Nach vier Stunden
ſcharfen Trabens, und einigen kleinen Unglücksfällen,
die dem gebrechlichen Fuhrwerk zuſtießen, erreichten
wir das, einige zwanzig Meilen entfernte, Cong,
wo wir zuförderſt in dem elenden Gaſthof ein mitge-
brachtes Frühſtück von irländiſch zubereiteten Hum-
mer *), wie die Chineſer mit Hölzchen, verzehrten,
da keine Meſſer und Gabeln zu haben waren, und
uns dann ſogleich nach den Höhlen auf den Weg
machten, wie gewöhnlich von einem halbnackten Ge-
folge begleitet. Jeder von dieſem ſuchte irgend einen
Dienſt zu thun; bückte man ſich nach einem Stein,
ſo riſſen ſich zehn darum ihn aufzuheben, und baten
dann um ein Trinkgeld; war eine Thür zu öffnen,
ſo ſtürzten zwanzig darauf zu, und erwarteten gleich-
falls Belohnung. Später, als ich ſchon alle meine
Münze ausgetheilt hatte, kam noch Einer der be-
*) Ein vortreffliches Gericht! das Rezept mündlich.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/266>, abgerufen am 21.11.2024.
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