Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

den gewöhnlichen Aufenthalt allerlei Spuck's, von
dem mich jedoch nur einige einsame Irrlichter, vor-
beigleitend, mit ihrer Gegenwart beehrten.

Als ich im Dorfe ankam, waren beide Gasthöfe
schon von Touristen besetzt, und ich erhielt nur mit
großer Mühe, ein kleines Vorzimmer eingeräumt, wo
ich auf Stroh schlafen werde. Thee, Butter, Toast
und Eier sind aber vortrefflich, und der Hunger würzt
überdem das Mahl. Ich kann Dir nicht sagen, wie
angenehm mir dieses Leben ist! Mit allen Entbeh-
rungen fühle ich mich doch wahrlich hundert mal
mehr a mon aise, als encombrirt und belästigt von
tausend unnöthigen Bequemlichkeiten. Ich bin frei
wie der Vogel in der Luft, und das ist ein hoher
Genuß. Uebrigens Ehre dem Ehre gebührt. Wenig
Menschen würden nach solchen Fatiguen sich mit re-
ligiöser Ordnung alle Abend hinsetzen, um Dir so
langen Rapport von den Tagesbegebenheiten abzu-
statten. Erfreut es Dich nur, so bin ich hundertfach
belohnt. --



Gall behauptete, wie Du Dich erinnern wirst, als
er in Paris meinen Schädel untersuchte, daß ich ein
sehr hervorstehendes Organ der Theosophie habe.
Demohngeachtet halten mich Viele für einen argen
Ketzer -- aber Gott hat Recht -- wenn anders Re-

den gewöhnlichen Aufenthalt allerlei Spuck’s, von
dem mich jedoch nur einige einſame Irrlichter, vor-
beigleitend, mit ihrer Gegenwart beehrten.

Als ich im Dorfe ankam, waren beide Gaſthöfe
ſchon von Touriſten beſetzt, und ich erhielt nur mit
großer Mühe, ein kleines Vorzimmer eingeräumt, wo
ich auf Stroh ſchlafen werde. Thee, Butter, Toaſt
und Eier ſind aber vortrefflich, und der Hunger würzt
überdem das Mahl. Ich kann Dir nicht ſagen, wie
angenehm mir dieſes Leben iſt! Mit allen Entbeh-
rungen fühle ich mich doch wahrlich hundert mal
mehr à mon aise, als encombrirt und beläſtigt von
tauſend unnöthigen Bequemlichkeiten. Ich bin frei
wie der Vogel in der Luft, und das iſt ein hoher
Genuß. Uebrigens Ehre dem Ehre gebührt. Wenig
Menſchen würden nach ſolchen Fatiguen ſich mit re-
ligiöſer Ordnung alle Abend hinſetzen, um Dir ſo
langen Rapport von den Tagesbegebenheiten abzu-
ſtatten. Erfreut es Dich nur, ſo bin ich hundertfach
belohnt. —



Gall behauptete, wie Du Dich erinnern wirſt, als
er in Paris meinen Schädel unterſuchte, daß ich ein
ſehr hervorſtehendes Organ der Theoſophie habe.
Demohngeachtet halten mich Viele für einen argen
Ketzer — aber Gott hat Recht — wenn anders Re-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0216" n="192"/>
den gewöhnlichen Aufenthalt allerlei Spuck&#x2019;s, von<lb/>
dem mich jedoch nur einige ein&#x017F;ame Irrlichter, vor-<lb/>
beigleitend, mit ihrer Gegenwart beehrten.</p><lb/>
          <p>Als ich im Dorfe ankam, waren beide Ga&#x017F;thöfe<lb/>
&#x017F;chon von Touri&#x017F;ten be&#x017F;etzt, und ich erhielt nur mit<lb/>
großer Mühe, ein kleines Vorzimmer eingeräumt, wo<lb/>
ich auf Stroh &#x017F;chlafen werde. Thee, Butter, Toa&#x017F;t<lb/>
und Eier &#x017F;ind aber vortrefflich, und der Hunger würzt<lb/>
überdem das Mahl. Ich kann Dir nicht &#x017F;agen, wie<lb/>
angenehm mir die&#x017F;es Leben i&#x017F;t! Mit allen Entbeh-<lb/>
rungen fühle ich mich doch wahrlich hundert mal<lb/>
mehr <hi rendition="#aq">à mon aise,</hi> als encombrirt und belä&#x017F;tigt von<lb/>
tau&#x017F;end unnöthigen Bequemlichkeiten. Ich bin frei<lb/>
wie der Vogel in der Luft, und das i&#x017F;t ein hoher<lb/>
Genuß. Uebrigens Ehre dem Ehre gebührt. Wenig<lb/>
Men&#x017F;chen würden nach &#x017F;olchen Fatiguen &#x017F;ich mit re-<lb/>
ligiö&#x017F;er Ordnung alle Abend hin&#x017F;etzen, um Dir &#x017F;o<lb/>
langen Rapport von den Tagesbegebenheiten abzu-<lb/>
&#x017F;tatten. Erfreut es Dich nur, &#x017F;o bin ich hundertfach<lb/>
belohnt. &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Bray, den 24<hi rendition="#sup">&#x017F;ten.</hi></hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Gall behauptete, wie Du Dich erinnern wir&#x017F;t, als<lb/>
er in Paris meinen Schädel unter&#x017F;uchte, daß ich ein<lb/>
&#x017F;ehr hervor&#x017F;tehendes Organ der Theo&#x017F;ophie habe.<lb/>
Demohngeachtet halten mich Viele für einen argen<lb/>
Ketzer &#x2014; aber Gott hat Recht &#x2014; wenn anders Re-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0216] den gewöhnlichen Aufenthalt allerlei Spuck’s, von dem mich jedoch nur einige einſame Irrlichter, vor- beigleitend, mit ihrer Gegenwart beehrten. Als ich im Dorfe ankam, waren beide Gaſthöfe ſchon von Touriſten beſetzt, und ich erhielt nur mit großer Mühe, ein kleines Vorzimmer eingeräumt, wo ich auf Stroh ſchlafen werde. Thee, Butter, Toaſt und Eier ſind aber vortrefflich, und der Hunger würzt überdem das Mahl. Ich kann Dir nicht ſagen, wie angenehm mir dieſes Leben iſt! Mit allen Entbeh- rungen fühle ich mich doch wahrlich hundert mal mehr à mon aise, als encombrirt und beläſtigt von tauſend unnöthigen Bequemlichkeiten. Ich bin frei wie der Vogel in der Luft, und das iſt ein hoher Genuß. Uebrigens Ehre dem Ehre gebührt. Wenig Menſchen würden nach ſolchen Fatiguen ſich mit re- ligiöſer Ordnung alle Abend hinſetzen, um Dir ſo langen Rapport von den Tagesbegebenheiten abzu- ſtatten. Erfreut es Dich nur, ſo bin ich hundertfach belohnt. — Bray, den 24ſten. Gall behauptete, wie Du Dich erinnern wirſt, als er in Paris meinen Schädel unterſuchte, daß ich ein ſehr hervorſtehendes Organ der Theoſophie habe. Demohngeachtet halten mich Viele für einen argen Ketzer — aber Gott hat Recht — wenn anders Re-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/216
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/216>, abgerufen am 22.12.2024.