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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Der Spezereyen und Materialien
Das dreyßigste Capitel.
Von den Seidenwürmen.
[Spaltenumbruch] Siehe Fig. 366.

DJe Seidenwürme sind ein klein
Gewürme, dessen Ursprung recht
verwunderlich, so wohl als ihre Gestalt
und Veränderungen, die sich mit diesen
Thierlein begeben. Es haben viele
davon geschrieben, und unter diesen der
Herr Jsnard/ welcher in einem kleinen
Tractätlein, das er von den Seiden-
würmen verfertiget hat, ihre Geburt
am 254. Blat nachfolgender massen be-
schreibet: zur Zeit, wenn die Maulbeer-
blätter gesammlet werden, welches 14.
Tage, nachdem sie ausgeschlagen, zu
geschehen pflegt, zu Anfang des Früh-
lings, nimmt man eine Kuh, die bald
kalben will, füttert sie mit eitel Maul-
beerlaube, und giebt ihr sonst nichts an-
ders zu fressen, weder Gras, noch Heu,
noch Stroh, oder Frucht, bis daß sie ge-
kalbet hat; und dergestalt verfährt
man noch acht Tage drüber. Nach die-
sen läßt man die Kuh und das Kalb an-
noch etliche Tage mit lauter Maulbeer-
blättern füttern, schlachtet darauf das
Kalb, wenn es mit Maulbeerblättern
und Milch von der Kuh genugsam ist
gefüttert worden, und hauet es in Stü-
cken, bis auf die Hörner und Klauen,
schüttet hernach das Fleisch, Beine,
Haut und Eingeweide, alles unter ein-
ander in einen höltzernen Trog, und
stellet es zu oberst auf das Haus, bis es
verfaulet. Daraus entstehen dann
kleine Würmlein, welche man mit
Maulbeerblättern zusammenlieset,
und sie hernachmahls auf eben solche
Art erziehet, als wie die andern, die aus
dem Samen entsprossen sind. So sind
auch die Seidenwürme, welche aus
dem Kalbfleisch erzeuget werden, un-
vergleichlich fruchtsamer, denn die an-
dern: dahero werden diejenigen, die
starck damit handeln, nicht unterlassen,
aller zehn oder zwölff Jahr, auf diese
Art, Seidenwürme anzuschaffen.

Bey der Wart- und Auferziehung
dieser Thierlein giebt es dermassen viel
zu beobachten, und genau in Acht zu
nehmen, daß es gar zu verdrüßlich fal-
len dürfte, wenn man sich bey diesem
Stücke alleine aufhalten wolte: da es
ohnediß meine Handlung gar nichts an-
[Spaltenumbruch] gehet, der Herr Jsnard auch ein gan-
tzes Buch davon geschrieben hat, zudem
diejenigen ihre Zuflucht nehmen mögen,
die mehr davon zu wissen begehren.

Diese kleinen Thierlein verschaffen
uns eine gar kostbare Waare, darein
sich vor diesem nur vornehme Leute klei-
deten. Es giebt aber gar vielerley
Seide/ weisse, gelbe und andere, wel-
che sich auf den kleinen Eyergen be-
findet, die so dicke und wie Taubeney-
er gestaltet, und vermittelst eines beson-
dern Haspels im warmen Wasser abge-
wunden, und hernach mit allerhand Ma-
terialien nach Belieben gefärbet wird.

Jch will mich abermahls nicht lange
aufhalten, noch alle die unterschiedenen
Sorten der Seide, die wir hier und
daher kommen lassen, beschreiben, son-
dern nur vermelden, daß diejenige Sei-
de, die zur Artzney gebrauchet wird, die
natürliche Seide/ oder so wie sie von
Natur ist, seyn müsse, das ist, entweder
noch auf denen Eyergen, oder aber,
wenn sie abgesponnen doch in kein war-
mes noch Wasser gekommen ist: diese
wurde von den Alten rohe Seide/Rohe Seide.
soye craue, soye grege, soye en matasse, ge-
nennet.

Diese Seide/ wenn sie zu Pulver ge-
machet worden, welches aber so gar
leichte nicht ist, kommt unter etliche
compositiones, als da ist, confectio Al-
kermes, de Hyacintho,
und andere.
Auch bedient man sich der scharlachro-
then Seide, und giebt sie den schwan-
gern Frauen, wenn selbige gefallen,
und an statt der Scharlachbeeren ein.
Es wollen etliche Scribenten, die Sei-
de habe die Kraft das Hertz zu erfri-
schen, die Lebensgeister zu stärcken, und
das Geblüte zu reinigen.

Die aber die Seidenwürmereyergen
gebrauchen wollen, müssen sie noch, ehe
sie dieselbigen pülvern, entzwey schnei-
den, und den darinne steckenden Wurm,
der bisweilen noch gantz, bisweilen aber
schon verfaulet ist, herausnehmen, zu-
samt dem ersten Häutlein, das ihn um-
giebet, als welches nicht taug, daß es
ein Mensch zu sich nehme. Die aber
noch besser thun wollen, dieselben ge-

brauchen
Der Spezereyen und Materialien
Das dreyßigſte Capitel.
Von den Seidenwuͤrmen.
[Spaltenumbruch] Siehe Fig. 366.

DJe Seidenwuͤrme ſind ein klein
Gewuͤrme, deſſen Urſprung recht
verwunderlich, ſo wohl als ihre Geſtalt
und Veraͤnderungen, die ſich mit dieſen
Thierlein begeben. Es haben viele
davon geſchrieben, und unter dieſen der
Herr Jſnard/ welcher in einem kleinen
Tractaͤtlein, das er von den Seiden-
wuͤrmen verfertiget hat, ihre Geburt
am 254. Blat nachfolgender maſſen be-
ſchreibet: zur Zeit, wenn die Maulbeer-
blaͤtter geſammlet werden, welches 14.
Tage, nachdem ſie ausgeſchlagen, zu
geſchehen pflegt, zu Anfang des Fruͤh-
lings, nimmt man eine Kuh, die bald
kalben will, fuͤttert ſie mit eitel Maul-
beerlaube, und giebt ihr ſonſt nichts an-
ders zu freſſen, weder Gras, noch Heu,
noch Stroh, oder Frucht, bis daß ſie ge-
kalbet hat; und dergeſtalt verfaͤhrt
man noch acht Tage druͤber. Nach die-
ſen laͤßt man die Kuh und das Kalb an-
noch etliche Tage mit lauter Maulbeer-
blaͤttern fuͤttern, ſchlachtet darauf das
Kalb, wenn es mit Maulbeerblaͤttern
und Milch von der Kuh genugſam iſt
gefuͤttert worden, und hauet es in Stuͤ-
cken, bis auf die Hoͤrner und Klauen,
ſchuͤttet hernach das Fleiſch, Beine,
Haut und Eingeweide, alles unter ein-
ander in einen hoͤltzernen Trog, und
ſtellet es zu oberſt auf das Haus, bis es
verfaulet. Daraus entſtehen dann
kleine Wuͤrmlein, welche man mit
Maulbeerblaͤttern zuſammenlieſet,
und ſie hernachmahls auf eben ſolche
Art erziehet, als wie die andern, die aus
dem Samen entſproſſen ſind. So ſind
auch die Seidenwuͤrme, welche aus
dem Kalbfleiſch erzeuget werden, un-
vergleichlich fruchtſamer, denn die an-
dern: dahero werden diejenigen, die
ſtarck damit handeln, nicht unterlaſſen,
aller zehn oder zwoͤlff Jahr, auf dieſe
Art, Seidenwuͤrme anzuſchaffen.

Bey der Wart- und Auferziehung
dieſer Thierlein giebt es dermaſſen viel
zu beobachten, und genau in Acht zu
nehmen, daß es gar zu verdruͤßlich fal-
len duͤrfte, wenn man ſich bey dieſem
Stuͤcke alleine aufhalten wolte: da es
ohnediß meine Handlung gar nichts an-
[Spaltenumbruch] gehet, der Herr Jſnard auch ein gan-
tzes Buch davon geſchrieben hat, zudem
diejenigen ihre Zuflucht nehmen moͤgen,
die mehr davon zu wiſſen begehren.

Dieſe kleinen Thierlein verſchaffen
uns eine gar koſtbare Waare, darein
ſich vor dieſem nur vornehme Leute klei-
deten. Es giebt aber gar vielerley
Seide/ weiſſe, gelbe und andere, wel-
che ſich auf den kleinen Eyergen be-
findet, die ſo dicke und wie Taubeney-
er geſtaltet, und vermittelſt eines beſon-
dern Haſpels im warmen Waſſer abge-
wunden, und heꝛnach mit alleꝛhand Ma-
terialien nach Belieben gefaͤrbet wird.

Jch will mich abermahls nicht lange
aufhalten, noch alle die unterſchiedenen
Sorten der Seide, die wir hier und
daher kommen laſſen, beſchreiben, ſon-
dern nur vermelden, daß diejenige Sei-
de, die zur Artzney gebrauchet wird, die
natuͤrliche Seide/ oder ſo wie ſie von
Natur iſt, ſeyn muͤſſe, das iſt, entweder
noch auf denen Eyergen, oder aber,
wenn ſie abgeſponnen doch in kein war-
mes noch Waſſer gekommen iſt: dieſe
wurde von den Alten rohe Seide/Rohe Seide.
ſoye crûe, ſoye grege, ſoye en mataſſe, ge-
nennet.

Dieſe Seide/ wenn ſie zu Pulver ge-
machet worden, welches aber ſo gar
leichte nicht iſt, kommt unter etliche
compoſitiones, als da iſt, confectio Al-
kermes, de Hyacintho,
und andere.
Auch bedient man ſich der ſcharlachro-
then Seide, und giebt ſie den ſchwan-
gern Frauen, wenn ſelbige gefallen,
und an ſtatt der Scharlachbeeren ein.
Es wollen etliche Scribenten, die Sei-
de habe die Kraft das Hertz zu erfri-
ſchen, die Lebensgeiſter zu ſtaͤrcken, und
das Gebluͤte zu reinigen.

Die aber die Seidenwuͤrmereyergen
gebrauchen wollen, muͤſſen ſie noch, ehe
ſie dieſelbigen puͤlvern, entzwey ſchnei-
den, und den darinne ſteckenden Wurm,
der bisweilen noch gantz, bisweilen aber
ſchon verfaulet iſt, herausnehmen, zu-
ſamt dem erſten Haͤutlein, das ihn um-
giebet, als welches nicht taug, daß es
ein Menſch zu ſich nehme. Die aber
noch beſſer thun wollen, dieſelben ge-

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[0426] Der Spezereyen und Materialien Das dreyßigſte Capitel. Von den Seidenwuͤrmen. DJe Seidenwuͤrme ſind ein klein Gewuͤrme, deſſen Urſprung recht verwunderlich, ſo wohl als ihre Geſtalt und Veraͤnderungen, die ſich mit dieſen Thierlein begeben. Es haben viele davon geſchrieben, und unter dieſen der Herr Jſnard/ welcher in einem kleinen Tractaͤtlein, das er von den Seiden- wuͤrmen verfertiget hat, ihre Geburt am 254. Blat nachfolgender maſſen be- ſchreibet: zur Zeit, wenn die Maulbeer- blaͤtter geſammlet werden, welches 14. Tage, nachdem ſie ausgeſchlagen, zu geſchehen pflegt, zu Anfang des Fruͤh- lings, nimmt man eine Kuh, die bald kalben will, fuͤttert ſie mit eitel Maul- beerlaube, und giebt ihr ſonſt nichts an- ders zu freſſen, weder Gras, noch Heu, noch Stroh, oder Frucht, bis daß ſie ge- kalbet hat; und dergeſtalt verfaͤhrt man noch acht Tage druͤber. Nach die- ſen laͤßt man die Kuh und das Kalb an- noch etliche Tage mit lauter Maulbeer- blaͤttern fuͤttern, ſchlachtet darauf das Kalb, wenn es mit Maulbeerblaͤttern und Milch von der Kuh genugſam iſt gefuͤttert worden, und hauet es in Stuͤ- cken, bis auf die Hoͤrner und Klauen, ſchuͤttet hernach das Fleiſch, Beine, Haut und Eingeweide, alles unter ein- ander in einen hoͤltzernen Trog, und ſtellet es zu oberſt auf das Haus, bis es verfaulet. Daraus entſtehen dann kleine Wuͤrmlein, welche man mit Maulbeerblaͤttern zuſammenlieſet, und ſie hernachmahls auf eben ſolche Art erziehet, als wie die andern, die aus dem Samen entſproſſen ſind. So ſind auch die Seidenwuͤrme, welche aus dem Kalbfleiſch erzeuget werden, un- vergleichlich fruchtſamer, denn die an- dern: dahero werden diejenigen, die ſtarck damit handeln, nicht unterlaſſen, aller zehn oder zwoͤlff Jahr, auf dieſe Art, Seidenwuͤrme anzuſchaffen. Bey der Wart- und Auferziehung dieſer Thierlein giebt es dermaſſen viel zu beobachten, und genau in Acht zu nehmen, daß es gar zu verdruͤßlich fal- len duͤrfte, wenn man ſich bey dieſem Stuͤcke alleine aufhalten wolte: da es ohnediß meine Handlung gar nichts an- gehet, der Herr Jſnard auch ein gan- tzes Buch davon geſchrieben hat, zudem diejenigen ihre Zuflucht nehmen moͤgen, die mehr davon zu wiſſen begehren. Dieſe kleinen Thierlein verſchaffen uns eine gar koſtbare Waare, darein ſich vor dieſem nur vornehme Leute klei- deten. Es giebt aber gar vielerley Seide/ weiſſe, gelbe und andere, wel- che ſich auf den kleinen Eyergen be- findet, die ſo dicke und wie Taubeney- er geſtaltet, und vermittelſt eines beſon- dern Haſpels im warmen Waſſer abge- wunden, und heꝛnach mit alleꝛhand Ma- terialien nach Belieben gefaͤrbet wird. Jch will mich abermahls nicht lange aufhalten, noch alle die unterſchiedenen Sorten der Seide, die wir hier und daher kommen laſſen, beſchreiben, ſon- dern nur vermelden, daß diejenige Sei- de, die zur Artzney gebrauchet wird, die natuͤrliche Seide/ oder ſo wie ſie von Natur iſt, ſeyn muͤſſe, das iſt, entweder noch auf denen Eyergen, oder aber, wenn ſie abgeſponnen doch in kein war- mes noch Waſſer gekommen iſt: dieſe wurde von den Alten rohe Seide/ ſoye crûe, ſoye grege, ſoye en mataſſe, ge- nennet. Rohe Seide. Dieſe Seide/ wenn ſie zu Pulver ge- machet worden, welches aber ſo gar leichte nicht iſt, kommt unter etliche compoſitiones, als da iſt, confectio Al- kermes, de Hyacintho, und andere. Auch bedient man ſich der ſcharlachro- then Seide, und giebt ſie den ſchwan- gern Frauen, wenn ſelbige gefallen, und an ſtatt der Scharlachbeeren ein. Es wollen etliche Scribenten, die Sei- de habe die Kraft das Hertz zu erfri- ſchen, die Lebensgeiſter zu ſtaͤrcken, und das Gebluͤte zu reinigen. Die aber die Seidenwuͤrmereyergen gebrauchen wollen, muͤſſen ſie noch, ehe ſie dieſelbigen puͤlvern, entzwey ſchnei- den, und den darinne ſteckenden Wurm, der bisweilen noch gantz, bisweilen aber ſchon verfaulet iſt, herausnehmen, zu- ſamt dem erſten Haͤutlein, das ihn um- giebet, als welches nicht taug, daß es ein Menſch zu ſich nehme. Die aber noch beſſer thun wollen, dieſelben ge- brauchen

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/426>, abgerufen am 21.11.2024.