Frau Katschner und ihre Tochter, Pauline, hatten Scheuer¬ fest. Frau Katschner hielt auf Sauberkeit und Ordnung in ihrem kleinen Hause. Sie war viele Jahre lang als Küchen¬ magd auf dem Rittergute gewesen. Von daher stammten ihre Manieren, oder, wie man in Halbenau sagte, die "Be¬ nehmiche", durch die sie sich von den anderen Dorfleuten günstig abhob. Eine Photographie der Gräfin, ihrer ehe¬ maligen Herrin, hing an der Wand, an besonders sichtbarer Stelle.
Ihre feinere Lebensart hinderte die Witwe jedoch nicht, gewöhnliche Arbeit zu verrichten, wie jede andere brave Hal¬ benauerin. Es war Sonnabend, der Tag, an welchem in einem ordentlichen Haushalte gereinigt wird. Frau Katschner hatte gleich ihrer Tochter die Röcke hoch aufgebunden, sie schweifte mit einem Hader die Diele. Pauline handhabte am Boden knieend die Scheuerbürste. In der Mitte des Zimmers stand ein Holzfaß, dessen Inhalt bereits eine graubraune Fär¬ bung angenommen hatte. Pauline wollte eben eine neue Fahrt warmes Wasser aus der Pfanne herbeiholen, als ihr Blick, der sich zufällig durch's Fenster in den Garten gewandt hatte, dort durch etwas Ungewöhnliches gefesselt wurde.
"Mutter! Ne, sahn Se ack! Zu uns kimmt a Gescherre nuf, gerade ibern Garten. Ja, Himmel, ich glebe, das sein de Kontessen, Mutter!"
VI.
Frau Katſchner und ihre Tochter, Pauline, hatten Scheuer¬ feſt. Frau Katſchner hielt auf Sauberkeit und Ordnung in ihrem kleinen Hauſe. Sie war viele Jahre lang als Küchen¬ magd auf dem Rittergute geweſen. Von daher ſtammten ihre Manieren, oder, wie man in Halbenau ſagte, die „Be¬ nehmiche“, durch die ſie ſich von den anderen Dorfleuten günſtig abhob. Eine Photographie der Gräfin, ihrer ehe¬ maligen Herrin, hing an der Wand, an beſonders ſichtbarer Stelle.
Ihre feinere Lebensart hinderte die Witwe jedoch nicht, gewöhnliche Arbeit zu verrichten, wie jede andere brave Hal¬ benauerin. Es war Sonnabend, der Tag, an welchem in einem ordentlichen Haushalte gereinigt wird. Frau Katſchner hatte gleich ihrer Tochter die Röcke hoch aufgebunden, ſie ſchweifte mit einem Hader die Diele. Pauline handhabte am Boden knieend die Scheuerbürſte. In der Mitte des Zimmers ſtand ein Holzfaß, deſſen Inhalt bereits eine graubraune Fär¬ bung angenommen hatte. Pauline wollte eben eine neue Fahrt warmes Waſſer aus der Pfanne herbeiholen, als ihr Blick, der ſich zufällig durch's Fenſter in den Garten gewandt hatte, dort durch etwas Ungewöhnliches gefeſſelt wurde.
„Mutter! Ne, ſahn Se ack! Zu uns kimmt a Geſcherre nuf, gerade ibern Garten. Ja, Himmel, ich glebe, das ſein de Konteſſen, Mutter!“
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VI.
Frau Katſchner und ihre Tochter, Pauline, hatten Scheuer¬
feſt. Frau Katſchner hielt auf Sauberkeit und Ordnung in
ihrem kleinen Hauſe. Sie war viele Jahre lang als Küchen¬
magd auf dem Rittergute geweſen. Von daher ſtammten ihre
Manieren, oder, wie man in Halbenau ſagte, die „Be¬
nehmiche“, durch die ſie ſich von den anderen Dorfleuten
günſtig abhob. Eine Photographie der Gräfin, ihrer ehe¬
maligen Herrin, hing an der Wand, an beſonders ſichtbarer
Stelle.
Ihre feinere Lebensart hinderte die Witwe jedoch nicht,
gewöhnliche Arbeit zu verrichten, wie jede andere brave Hal¬
benauerin. Es war Sonnabend, der Tag, an welchem in
einem ordentlichen Haushalte gereinigt wird. Frau Katſchner
hatte gleich ihrer Tochter die Röcke hoch aufgebunden, ſie
ſchweifte mit einem Hader die Diele. Pauline handhabte am
Boden knieend die Scheuerbürſte. In der Mitte des Zimmers
ſtand ein Holzfaß, deſſen Inhalt bereits eine graubraune Fär¬
bung angenommen hatte. Pauline wollte eben eine neue Fahrt
warmes Waſſer aus der Pfanne herbeiholen, als ihr Blick,
der ſich zufällig durch's Fenſter in den Garten gewandt hatte,
dort durch etwas Ungewöhnliches gefeſſelt wurde.
„Mutter! Ne, ſahn Se ack! Zu uns kimmt a Geſcherre
nuf, gerade ibern Garten. Ja, Himmel, ich glebe, das ſein de
Konteſſen, Mutter!“
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [73]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/87>, abgerufen am 21.11.2024.
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