Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
I.

Die Sachsengänger waren an ihrem Bestimmungsorte ein¬
getroffen. Leiterwagen vom Rittergute Welzleben hatten sie
an der Station abgeholt und nach dem Vorwerke Habeldamm
gebracht. Hier waren sie vom Inspektor in ihre Kaserne ein¬
gewiesen worden.

Am nächsten Morgen bereits ging's mit der Feldarbeit
los.

Die Rüben waren eben erst aufgegangen; an ihnen gab
es also noch keine Arbeit. Die Mädchen wurden daher mit
Behacken des Wintergetreides beschäftigt, während die Männer
bei der Frühjahrsbestellung zu helfen hatten.

Es waren völlig neue Verhältnisse hier im Westen, in
welche diese Ostländer ganz unvermittelt versetzt wurden. Weit
und breit fruchttragende ebene Fluren. Feld an Feld, Schlag
an Schlag, die das Auge kaum zu übersehen vermochte, durch¬
quert von gradlinigen Kunststraßen und Obstalleen. Jede Hand¬
breit Land war hier ausgenutzt. So kostbar schien dieser
Boden, daß man keinem wilden Baum, keinem Strauch in der
Feldmark das Leben gönnte. Nirgends fiel der Blick auf Un¬
land. Sorgfältig waren die Steine aus dem Acker entfernt.
Am Horizonte fehlte der Kiefernbusch, der im Osten fast über¬
all das landschaftliche Bild einrahmt. Kein Wald, kein Ge¬
büsch, keine Hutung zu erblicken. Wenig Wiese; die Acker¬
scholle beherrschte hier alles. An Stelle des buntscheckigen

I.

Die Sachſengänger waren an ihrem Beſtimmungsorte ein¬
getroffen. Leiterwagen vom Rittergute Welzleben hatten ſie
an der Station abgeholt und nach dem Vorwerke Habeldamm
gebracht. Hier waren ſie vom Inſpektor in ihre Kaſerne ein¬
gewieſen worden.

Am nächſten Morgen bereits ging's mit der Feldarbeit
los.

Die Rüben waren eben erſt aufgegangen; an ihnen gab
es alſo noch keine Arbeit. Die Mädchen wurden daher mit
Behacken des Wintergetreides beſchäftigt, während die Männer
bei der Frühjahrsbeſtellung zu helfen hatten.

Es waren völlig neue Verhältniſſe hier im Weſten, in
welche dieſe Oſtländer ganz unvermittelt verſetzt wurden. Weit
und breit fruchttragende ebene Fluren. Feld an Feld, Schlag
an Schlag, die das Auge kaum zu überſehen vermochte, durch¬
quert von gradlinigen Kunſtſtraßen und Obſtalleen. Jede Hand¬
breit Land war hier ausgenutzt. So koſtbar ſchien dieſer
Boden, daß man keinem wilden Baum, keinem Strauch in der
Feldmark das Leben gönnte. Nirgends fiel der Blick auf Un¬
land. Sorgfältig waren die Steine aus dem Acker entfernt.
Am Horizonte fehlte der Kiefernbuſch, der im Oſten faſt über¬
all das landſchaftliche Bild einrahmt. Kein Wald, kein Ge¬
büſch, keine Hutung zu erblicken. Wenig Wieſe; die Acker¬
ſcholle beherrſchte hier alles. An Stelle des buntſcheckigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0297" n="[283]"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></head>
        <p>Die Sach&#x017F;engänger waren an ihrem Be&#x017F;timmungsorte ein¬<lb/>
getroffen. Leiterwagen vom Rittergute Welzleben hatten &#x017F;ie<lb/>
an der Station abgeholt und nach dem Vorwerke Habeldamm<lb/>
gebracht. Hier waren &#x017F;ie vom In&#x017F;pektor in ihre Ka&#x017F;erne ein¬<lb/>
gewie&#x017F;en worden.</p><lb/>
        <p>Am näch&#x017F;ten Morgen bereits ging's mit der Feldarbeit<lb/>
los.</p><lb/>
        <p>Die Rüben waren eben er&#x017F;t aufgegangen; an ihnen gab<lb/>
es al&#x017F;o noch keine Arbeit. Die Mädchen wurden daher mit<lb/>
Behacken des Wintergetreides be&#x017F;chäftigt, während die Männer<lb/>
bei der Frühjahrsbe&#x017F;tellung zu helfen hatten.</p><lb/>
        <p>Es waren völlig neue Verhältni&#x017F;&#x017F;e hier im We&#x017F;ten, in<lb/>
welche die&#x017F;e O&#x017F;tländer ganz unvermittelt ver&#x017F;etzt wurden. Weit<lb/>
und breit fruchttragende ebene Fluren. Feld an Feld, Schlag<lb/>
an Schlag, die das Auge kaum zu über&#x017F;ehen vermochte, durch¬<lb/>
quert von gradlinigen Kun&#x017F;t&#x017F;traßen und Ob&#x017F;talleen. Jede Hand¬<lb/>
breit Land war hier ausgenutzt. So ko&#x017F;tbar &#x017F;chien die&#x017F;er<lb/>
Boden, daß man keinem wilden Baum, keinem Strauch in der<lb/>
Feldmark das Leben gönnte. Nirgends fiel der Blick auf Un¬<lb/>
land. Sorgfältig waren die Steine aus dem Acker entfernt.<lb/>
Am Horizonte fehlte der Kiefernbu&#x017F;ch, der im O&#x017F;ten fa&#x017F;t über¬<lb/>
all das land&#x017F;chaftliche Bild einrahmt. Kein Wald, kein Ge¬<lb/>&#x017F;ch, keine Hutung zu erblicken. Wenig Wie&#x017F;e; die Acker¬<lb/>
&#x017F;cholle beherr&#x017F;chte hier alles. An Stelle des bunt&#x017F;checkigen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[283]/0297] I. Die Sachſengänger waren an ihrem Beſtimmungsorte ein¬ getroffen. Leiterwagen vom Rittergute Welzleben hatten ſie an der Station abgeholt und nach dem Vorwerke Habeldamm gebracht. Hier waren ſie vom Inſpektor in ihre Kaſerne ein¬ gewieſen worden. Am nächſten Morgen bereits ging's mit der Feldarbeit los. Die Rüben waren eben erſt aufgegangen; an ihnen gab es alſo noch keine Arbeit. Die Mädchen wurden daher mit Behacken des Wintergetreides beſchäftigt, während die Männer bei der Frühjahrsbeſtellung zu helfen hatten. Es waren völlig neue Verhältniſſe hier im Weſten, in welche dieſe Oſtländer ganz unvermittelt verſetzt wurden. Weit und breit fruchttragende ebene Fluren. Feld an Feld, Schlag an Schlag, die das Auge kaum zu überſehen vermochte, durch¬ quert von gradlinigen Kunſtſtraßen und Obſtalleen. Jede Hand¬ breit Land war hier ausgenutzt. So koſtbar ſchien dieſer Boden, daß man keinem wilden Baum, keinem Strauch in der Feldmark das Leben gönnte. Nirgends fiel der Blick auf Un¬ land. Sorgfältig waren die Steine aus dem Acker entfernt. Am Horizonte fehlte der Kiefernbuſch, der im Oſten faſt über¬ all das landſchaftliche Bild einrahmt. Kein Wald, kein Ge¬ büſch, keine Hutung zu erblicken. Wenig Wieſe; die Acker¬ ſcholle beherrſchte hier alles. An Stelle des buntſcheckigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/297
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [283]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/297>, abgerufen am 21.12.2024.