Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.LXV. Hier, wo von Schnee der Alpen Gipfel glänzen, Gedenk' ich still vergangner Mißgeschicke: Zurück nach Deutschland wend' ich kaum die Blicke, Ja, kaum noch vorwärts nach Italiens Gränzen. Vergebens hasch' ich nach geträumten Kränzen, Daß ich die Stirne, die mir brennt, erquicke, Und Seufzer wehn, die selten ich ersticke, Als könnten Seufzer das Gemüth ergänzen! Wo ist ein Herz, das keine Schmerzen spalten? Und wer an's Weltenende flüchten würde, Stets folgten ihm des Lebens Truggestalten. Ein Trost nur bleibt mir, daß ich jeder Bürde Vielleicht ein Gleichgewicht vermag zu halten Durch meiner Seele ganze Kraft und Würde. LXV. Hier, wo von Schnee der Alpen Gipfel glaͤnzen, Gedenk' ich ſtill vergangner Mißgeſchicke: Zuruͤck nach Deutſchland wend' ich kaum die Blicke, Ja, kaum noch vorwaͤrts nach Italiens Graͤnzen. Vergebens haſch' ich nach getraͤumten Kraͤnzen, Daß ich die Stirne, die mir brennt, erquicke, Und Seufzer wehn, die ſelten ich erſticke, Als koͤnnten Seufzer das Gemuͤth ergaͤnzen! Wo iſt ein Herz, das keine Schmerzen ſpalten? Und wer an's Weltenende fluͤchten wuͤrde, Stets folgten ihm des Lebens Truggeſtalten. Ein Troſt nur bleibt mir, daß ich jeder Buͤrde Vielleicht ein Gleichgewicht vermag zu halten Durch meiner Seele ganze Kraft und Wuͤrde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0243" n="233"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">LXV.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">H</hi>ier, wo von Schnee der Alpen Gipfel glaͤnzen,</l><lb/> <l>Gedenk' ich ſtill vergangner Mißgeſchicke:</l><lb/> <l>Zuruͤck nach Deutſchland wend' ich kaum die Blicke,</l><lb/> <l>Ja, kaum noch vorwaͤrts nach Italiens Graͤnzen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Vergebens haſch' ich nach getraͤumten Kraͤnzen,</l><lb/> <l>Daß ich die Stirne, die mir brennt, erquicke,</l><lb/> <l>Und Seufzer wehn, die ſelten ich erſticke,</l><lb/> <l>Als koͤnnten Seufzer das Gemuͤth ergaͤnzen!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Wo iſt ein Herz, das keine Schmerzen ſpalten?</l><lb/> <l>Und wer an's Weltenende fluͤchten wuͤrde,</l><lb/> <l>Stets folgten ihm des Lebens Truggeſtalten.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Ein Troſt nur bleibt mir, daß ich jeder Buͤrde</l><lb/> <l>Vielleicht ein Gleichgewicht vermag zu halten</l><lb/> <l>Durch meiner Seele ganze Kraft und Wuͤrde.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0243]
LXV.
Hier, wo von Schnee der Alpen Gipfel glaͤnzen,
Gedenk' ich ſtill vergangner Mißgeſchicke:
Zuruͤck nach Deutſchland wend' ich kaum die Blicke,
Ja, kaum noch vorwaͤrts nach Italiens Graͤnzen.
Vergebens haſch' ich nach getraͤumten Kraͤnzen,
Daß ich die Stirne, die mir brennt, erquicke,
Und Seufzer wehn, die ſelten ich erſticke,
Als koͤnnten Seufzer das Gemuͤth ergaͤnzen!
Wo iſt ein Herz, das keine Schmerzen ſpalten?
Und wer an's Weltenende fluͤchten wuͤrde,
Stets folgten ihm des Lebens Truggeſtalten.
Ein Troſt nur bleibt mir, daß ich jeder Buͤrde
Vielleicht ein Gleichgewicht vermag zu halten
Durch meiner Seele ganze Kraft und Wuͤrde.
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