Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.LVI. Wenn unsre Neider auch sich schlau vereinen, Um uns zu hindern und getrennt zu halten, Noch zähl' ich nicht dich zum Geschlecht der Kalten, Noch geht ein Weg von deinem Blick in meinen. Doch allzuselten seh' ich dich erscheinen, Und wenn ich rings das Auge lasse walten, Vermiss' ich stets die liebste der Gestalten, Die liebsten Züge fehlen stets, die deinen! Ermanne dich, und lege nicht die Zäume Der Liebe furchtsam in die Hand des Neides, Der gern uns schiede durch entlegne Räume! Sey ganz du selbst, dann wird die Zeit des Leides Verronnen seyn, dann werden unsre Träume Verkörpert werden. Wir verdienen beydes. LVI. Wenn unſre Neider auch ſich ſchlau vereinen, Um uns zu hindern und getrennt zu halten, Noch zaͤhl' ich nicht dich zum Geſchlecht der Kalten, Noch geht ein Weg von deinem Blick in meinen. Doch allzuſelten ſeh' ich dich erſcheinen, Und wenn ich rings das Auge laſſe walten, Vermiſſ' ich ſtets die liebſte der Geſtalten, Die liebſten Zuͤge fehlen ſtets, die deinen! Ermanne dich, und lege nicht die Zaͤume Der Liebe furchtſam in die Hand des Neides, Der gern uns ſchiede durch entlegne Raͤume! Sey ganz du ſelbſt, dann wird die Zeit des Leides Verronnen ſeyn, dann werden unſre Traͤume Verkoͤrpert werden. Wir verdienen beydes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0234" n="224"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">LVI.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>enn unſre Neider auch ſich ſchlau vereinen,</l><lb/> <l>Um uns zu hindern und getrennt zu halten,</l><lb/> <l>Noch zaͤhl' ich nicht dich zum Geſchlecht der Kalten,</l><lb/> <l>Noch geht ein Weg von deinem Blick in meinen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Doch allzuſelten ſeh' ich dich erſcheinen,</l><lb/> <l>Und wenn ich rings das Auge laſſe walten,</l><lb/> <l>Vermiſſ' ich ſtets die liebſte der Geſtalten,</l><lb/> <l>Die liebſten Zuͤge fehlen ſtets, die deinen!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Ermanne dich, und lege nicht die Zaͤume</l><lb/> <l>Der Liebe furchtſam in die Hand des Neides,</l><lb/> <l>Der gern uns ſchiede durch entlegne Raͤume!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Sey ganz du ſelbſt, dann wird die Zeit des Leides</l><lb/> <l>Verronnen ſeyn, dann werden unſre Traͤume</l><lb/> <l>Verkoͤrpert werden. Wir verdienen beydes.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [224/0234]
LVI.
Wenn unſre Neider auch ſich ſchlau vereinen,
Um uns zu hindern und getrennt zu halten,
Noch zaͤhl' ich nicht dich zum Geſchlecht der Kalten,
Noch geht ein Weg von deinem Blick in meinen.
Doch allzuſelten ſeh' ich dich erſcheinen,
Und wenn ich rings das Auge laſſe walten,
Vermiſſ' ich ſtets die liebſte der Geſtalten,
Die liebſten Zuͤge fehlen ſtets, die deinen!
Ermanne dich, und lege nicht die Zaͤume
Der Liebe furchtſam in die Hand des Neides,
Der gern uns ſchiede durch entlegne Raͤume!
Sey ganz du ſelbſt, dann wird die Zeit des Leides
Verronnen ſeyn, dann werden unſre Traͤume
Verkoͤrpert werden. Wir verdienen beydes.
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