Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.LV. Man schilt mich stolz, doch hat mich's nie verdrossen, Daß ich so wenig dir gefallen habe; Denn deine blonde Jugend, süßer Knabe, Verschmäht den melancholischen Genossen. So will in Scherz ich mich ergehn, in Possen, Anstatt ich jezt mich blos an Thränen labe, Und um der Fröhlichkeit mir fremde Gabe Hab' ich den Himmel anzuflehn beschlossen. Zwar dank' ich viel dem wohlgelaunten Glücke, Von dem ich mehr, als ich verdient, empfangen, Doch nichts, wodurch ich meinen Freund entzücke: Wer aber gäbe mir die vollen Wangen Der ersten Jugend und den Glanz zurücke, Woran allein der Menschen Blicke hangen? LV. Man ſchilt mich ſtolz, doch hat mich's nie verdroſſen, Daß ich ſo wenig dir gefallen habe; Denn deine blonde Jugend, ſuͤßer Knabe, Verſchmaͤht den melancholiſchen Genoſſen. So will in Scherz ich mich ergehn, in Poſſen, Anſtatt ich jezt mich blos an Thraͤnen labe, Und um der Froͤhlichkeit mir fremde Gabe Hab' ich den Himmel anzuflehn beſchloſſen. Zwar dank' ich viel dem wohlgelaunten Gluͤcke, Von dem ich mehr, als ich verdient, empfangen, Doch nichts, wodurch ich meinen Freund entzuͤcke: Wer aber gaͤbe mir die vollen Wangen Der erſten Jugend und den Glanz zuruͤcke, Woran allein der Menſchen Blicke hangen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0233" n="223"/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">LV</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">M</hi>an ſchilt mich ſtolz, doch hat mich's nie verdroſſen,</l><lb/> <l>Daß ich ſo wenig dir gefallen habe;</l><lb/> <l>Denn deine blonde Jugend, ſuͤßer Knabe,</l><lb/> <l>Verſchmaͤht den melancholiſchen Genoſſen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>So will in Scherz ich mich ergehn, in Poſſen,</l><lb/> <l>Anſtatt ich jezt mich blos an Thraͤnen labe,</l><lb/> <l>Und um der Froͤhlichkeit mir fremde Gabe</l><lb/> <l>Hab' ich den Himmel anzuflehn beſchloſſen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Zwar dank' ich viel dem wohlgelaunten Gluͤcke,</l><lb/> <l>Von dem ich mehr, als ich verdient, empfangen,</l><lb/> <l>Doch nichts, wodurch ich meinen Freund entzuͤcke:</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Wer aber gaͤbe mir die vollen Wangen</l><lb/> <l>Der erſten Jugend und den Glanz zuruͤcke,</l><lb/> <l>Woran allein der Menſchen Blicke hangen?</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [223/0233]
LV.
Man ſchilt mich ſtolz, doch hat mich's nie verdroſſen,
Daß ich ſo wenig dir gefallen habe;
Denn deine blonde Jugend, ſuͤßer Knabe,
Verſchmaͤht den melancholiſchen Genoſſen.
So will in Scherz ich mich ergehn, in Poſſen,
Anſtatt ich jezt mich blos an Thraͤnen labe,
Und um der Froͤhlichkeit mir fremde Gabe
Hab' ich den Himmel anzuflehn beſchloſſen.
Zwar dank' ich viel dem wohlgelaunten Gluͤcke,
Von dem ich mehr, als ich verdient, empfangen,
Doch nichts, wodurch ich meinen Freund entzuͤcke:
Wer aber gaͤbe mir die vollen Wangen
Der erſten Jugend und den Glanz zuruͤcke,
Woran allein der Menſchen Blicke hangen?
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