Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.XXIV. Erst hab' ich weniger auf dich geachtet, O Tizian, du Mann voll Kraft und Leben! Jezt siehst du mich vor deiner Größe beben, Seit ich Mariä Himmelfahrt betrachtet! Von Wolken war mein trüber Sinn umnachtet, Wie deiner Heil'gen sie zu Füßen schweben: Nun seh' ich selbst dich gegen Himmel streben, Wonach so brünstiglich Maria trachtet! Dir fast zur Seite zeigt sich Pordenone: Ihr wolltet lebend nicht einander weichen, Im Tode hat nun jeder seine Krone! Verbrüdert mögt ihr noch die Hände reichen Dem treuen, vaterländischen Giorgione, Und jenem Paul, dem wen'ge Maler gleichen! XXIV. Erſt hab' ich weniger auf dich geachtet, O Tizian, du Mann voll Kraft und Leben! Jezt ſiehſt du mich vor deiner Groͤße beben, Seit ich Mariaͤ Himmelfahrt betrachtet! Von Wolken war mein truͤber Sinn umnachtet, Wie deiner Heil'gen ſie zu Fuͤßen ſchweben: Nun ſeh' ich ſelbſt dich gegen Himmel ſtreben, Wonach ſo bruͤnſtiglich Maria trachtet! Dir faſt zur Seite zeigt ſich Pordenone: Ihr wolltet lebend nicht einander weichen, Im Tode hat nun jeder ſeine Krone! Verbruͤdert moͤgt ihr noch die Haͤnde reichen Dem treuen, vaterlaͤndiſchen Giorgione, Und jenem Paul, dem wen'ge Maler gleichen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb n="192" facs="#f0202"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">XXIV.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">E</hi>rſt hab' ich weniger auf dich geachtet,</l><lb/> <l>O Tizian, du Mann voll Kraft und Leben!</l><lb/> <l>Jezt ſiehſt du mich vor deiner Groͤße beben,</l><lb/> <l>Seit ich Mariaͤ Himmelfahrt betrachtet!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Von Wolken war mein truͤber Sinn umnachtet,</l><lb/> <l>Wie deiner Heil'gen ſie zu Fuͤßen ſchweben:</l><lb/> <l>Nun ſeh' ich ſelbſt dich gegen Himmel ſtreben,</l><lb/> <l>Wonach ſo bruͤnſtiglich Maria trachtet!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Dir faſt zur Seite zeigt ſich Pordenone:</l><lb/> <l>Ihr wolltet lebend nicht einander weichen,</l><lb/> <l>Im Tode hat nun jeder ſeine Krone!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Verbruͤdert moͤgt ihr noch die Haͤnde reichen</l><lb/> <l>Dem treuen, vaterlaͤndiſchen Giorgione,</l><lb/> <l>Und jenem Paul, dem wen'ge Maler gleichen!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0202]
XXIV.
Erſt hab' ich weniger auf dich geachtet,
O Tizian, du Mann voll Kraft und Leben!
Jezt ſiehſt du mich vor deiner Groͤße beben,
Seit ich Mariaͤ Himmelfahrt betrachtet!
Von Wolken war mein truͤber Sinn umnachtet,
Wie deiner Heil'gen ſie zu Fuͤßen ſchweben:
Nun ſeh' ich ſelbſt dich gegen Himmel ſtreben,
Wonach ſo bruͤnſtiglich Maria trachtet!
Dir faſt zur Seite zeigt ſich Pordenone:
Ihr wolltet lebend nicht einander weichen,
Im Tode hat nun jeder ſeine Krone!
Verbruͤdert moͤgt ihr noch die Haͤnde reichen
Dem treuen, vaterlaͤndiſchen Giorgione,
Und jenem Paul, dem wen'ge Maler gleichen!
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/202>, abgerufen am 03.03.2025. |