Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.X. Mädchen, ewig junge, schöner als die Sonne, wenn es tagt, Hat sie doch im Paradiese der Prophete nicht versagt! Wenn er euch den Wein verboten, hat er wohl bedacht, warum? Doch ein Thor, wer nach Geboten oder nach Verboten fragt! Hörtet ihr die Rose fragen, ob sie blühen darf? Sie blüht; Hörtet ihr das Echo fragen, ob es klagen darf? Es klagt; Vom Gebirge fällt die Quelle, rinnt als Silberfluß daher, Prallt am Felsen ab und sprützet bis zum Himmel un¬ verzagt! Kläglich meßt ihr eure Schritte, weil ihr strauchelt jeden Tritt, Doch es fürchtet nicht zu fallen, wer für Alles Alles wagt. Staunet nicht, wenn unser Hafis euch ein stetes Räthsel bleibt, Da ihr stets des Lebens Sorge, wie der Bär die Pfote, nagt. X. Maͤdchen, ewig junge, ſchoͤner als die Sonne, wenn es tagt, Hat ſie doch im Paradieſe der Prophete nicht verſagt! Wenn er euch den Wein verboten, hat er wohl bedacht, warum? Doch ein Thor, wer nach Geboten oder nach Verboten fragt! Hoͤrtet ihr die Roſe fragen, ob ſie bluͤhen darf? Sie bluͤht; Hoͤrtet ihr das Echo fragen, ob es klagen darf? Es klagt; Vom Gebirge faͤllt die Quelle, rinnt als Silberfluß daher, Prallt am Felſen ab und ſpruͤtzet bis zum Himmel un¬ verzagt! Klaͤglich meßt ihr eure Schritte, weil ihr ſtrauchelt jeden Tritt, Doch es fuͤrchtet nicht zu fallen, wer fuͤr Alles Alles wagt. Staunet nicht, wenn unſer Hafis euch ein ſtetes Raͤthſel bleibt, Da ihr ſtets des Lebens Sorge, wie der Baͤr die Pfote, nagt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb n="108" facs="#f0118"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#aq">X.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">M</hi>aͤdchen, ewig junge, ſchoͤner als die Sonne, wenn<lb/><hi rendition="#et">es tagt,</hi></l><lb/> <l>Hat ſie doch im Paradieſe der Prophete nicht verſagt!</l><lb/> <l>Wenn er euch den Wein verboten, hat er wohl bedacht,<lb/><hi rendition="#et">warum?</hi></l><lb/> <l>Doch ein Thor, wer nach Geboten oder nach Verboten<lb/><hi rendition="#et">fragt!</hi></l><lb/> <l>Hoͤrtet ihr die Roſe fragen, ob ſie bluͤhen darf? Sie<lb/><hi rendition="#et">bluͤht;</hi></l><lb/> <l>Hoͤrtet ihr das Echo fragen, ob es klagen darf? Es<lb/><hi rendition="#et">klagt;</hi></l><lb/> <l>Vom Gebirge faͤllt die Quelle, rinnt als Silberfluß<lb/><hi rendition="#et">daher,</hi></l><lb/> <l>Prallt am Felſen ab und ſpruͤtzet bis zum Himmel un¬<lb/><hi rendition="#et">verzagt!</hi></l><lb/> <l>Klaͤglich meßt ihr eure Schritte, weil ihr ſtrauchelt jeden<lb/><hi rendition="#et">Tritt,</hi></l><lb/> <l>Doch es fuͤrchtet nicht zu fallen, wer fuͤr Alles Alles<lb/><hi rendition="#et">wagt.</hi></l><lb/> <l>Staunet nicht, wenn unſer <hi rendition="#g">Hafis</hi> euch ein ſtetes Raͤthſel<lb/><hi rendition="#et">bleibt,</hi></l><lb/> <l>Da ihr ſtets des Lebens Sorge, wie der Baͤr die Pfote,<lb/><hi rendition="#et">nagt.</hi></l><lb/> </lg> </div> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0118]
X.
Maͤdchen, ewig junge, ſchoͤner als die Sonne, wenn
es tagt,
Hat ſie doch im Paradieſe der Prophete nicht verſagt!
Wenn er euch den Wein verboten, hat er wohl bedacht,
warum?
Doch ein Thor, wer nach Geboten oder nach Verboten
fragt!
Hoͤrtet ihr die Roſe fragen, ob ſie bluͤhen darf? Sie
bluͤht;
Hoͤrtet ihr das Echo fragen, ob es klagen darf? Es
klagt;
Vom Gebirge faͤllt die Quelle, rinnt als Silberfluß
daher,
Prallt am Felſen ab und ſpruͤtzet bis zum Himmel un¬
verzagt!
Klaͤglich meßt ihr eure Schritte, weil ihr ſtrauchelt jeden
Tritt,
Doch es fuͤrchtet nicht zu fallen, wer fuͤr Alles Alles
wagt.
Staunet nicht, wenn unſer Hafis euch ein ſtetes Raͤthſel
bleibt,
Da ihr ſtets des Lebens Sorge, wie der Baͤr die Pfote,
nagt.
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/118>, abgerufen am 03.03.2025. |