Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.IV. Der Schenke spricht: "O seht, wie schön ich prange!" Doch Jugend, leider! blüht nicht allzulange! Dein wolkenfreyes Angesicht verkläret Ein leichter Sinn, an dem ich zärtlich hange; Wie freundlich lacht das Aug' aus blonder Wimper, Wie schmückt der Bart so schön die Tulpenwange! Den Becher fülle mir! Der Wein beschwichtigt Die kranke Brust mit ihrem wilden Drange: Du zwingst zu lieben dich die Welt, wie Hafis, Euch Beyde d'rum verkünd' ich im Gesange. V. Preisen willst du mich? Was kann ich geben, Würdig kaum, zu dir emporzustreben? Deiner Blicke jeder ist ein Funken, Der verdunkelt jeden Stern daneben; Angefesselt hält mich jede Locke, Und so schleppst du mich dir nach im Leben; Blühen möcht' ich dir um's Haupt, wie Rosen, Schlingen mich um deine Knie, wie Reben; Selig seyd ihr, liebende Planeten, Ewig dürft ihr um die Sonne schweben! Liebe wirft mir in der Seele Wogen, Aber Hafis macht die Wogen eben. IV. Der Schenke ſpricht: „O ſeht, wie ſchoͤn ich prange!“ Doch Jugend, leider! bluͤht nicht allzulange! Dein wolkenfreyes Angeſicht verklaͤret Ein leichter Sinn, an dem ich zaͤrtlich hange; Wie freundlich lacht das Aug' aus blonder Wimper, Wie ſchmuͤckt der Bart ſo ſchoͤn die Tulpenwange! Den Becher fuͤlle mir! Der Wein beſchwichtigt Die kranke Bruſt mit ihrem wilden Drange: Du zwingſt zu lieben dich die Welt, wie Hafis, Euch Beyde d'rum verkuͤnd' ich im Geſange. V. Preiſen willſt du mich? Was kann ich geben, Wuͤrdig kaum, zu dir emporzuſtreben? Deiner Blicke jeder iſt ein Funken, Der verdunkelt jeden Stern daneben; Angefeſſelt haͤlt mich jede Locke, Und ſo ſchleppſt du mich dir nach im Leben; Bluͤhen moͤcht' ich dir um's Haupt, wie Roſen, Schlingen mich um deine Knie, wie Reben; Selig ſeyd ihr, liebende Planeten, Ewig duͤrft ihr um die Sonne ſchweben! Liebe wirft mir in der Seele Wogen, Aber Hafis macht die Wogen eben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb n="105" facs="#f0115"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>er Schenke ſpricht: „O ſeht, wie ſchoͤn ich prange!“</l><lb/> <l>Doch Jugend, leider! bluͤht nicht allzulange!</l><lb/> <l>Dein wolkenfreyes Angeſicht verklaͤret</l><lb/> <l>Ein leichter Sinn, an dem ich zaͤrtlich hange;</l><lb/> <l>Wie freundlich lacht das Aug' aus blonder Wimper,</l><lb/> <l>Wie ſchmuͤckt der Bart ſo ſchoͤn die Tulpenwange!</l><lb/> <l>Den Becher fuͤlle mir! Der Wein beſchwichtigt</l><lb/> <l>Die kranke Bruſt mit ihrem wilden Drange:</l><lb/> <l>Du zwingſt zu lieben dich die Welt, wie <hi rendition="#g">Hafis</hi>,</l><lb/> <l>Euch Beyde d'rum verkuͤnd' ich im Geſange.</l><lb/> </lg> </div> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#aq">V.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">P</hi>reiſen willſt du mich? Was kann ich geben,</l><lb/> <l>Wuͤrdig kaum, zu dir emporzuſtreben?</l><lb/> <l>Deiner Blicke jeder iſt ein Funken,</l><lb/> <l>Der verdunkelt jeden Stern daneben;</l><lb/> <l>Angefeſſelt haͤlt mich jede Locke,</l><lb/> <l>Und ſo ſchleppſt du mich dir nach im Leben;</l><lb/> <l>Bluͤhen moͤcht' ich dir um's Haupt, wie Roſen,</l><lb/> <l>Schlingen mich um deine Knie, wie Reben;</l><lb/> <l>Selig ſeyd ihr, liebende Planeten,</l><lb/> <l>Ewig duͤrft ihr um die Sonne ſchweben!</l><lb/> <l>Liebe wirft mir in der Seele Wogen,</l><lb/> <l>Aber <hi rendition="#g">Hafis</hi> macht die Wogen eben.</l><lb/> </lg> </div> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0115]
IV.
Der Schenke ſpricht: „O ſeht, wie ſchoͤn ich prange!“
Doch Jugend, leider! bluͤht nicht allzulange!
Dein wolkenfreyes Angeſicht verklaͤret
Ein leichter Sinn, an dem ich zaͤrtlich hange;
Wie freundlich lacht das Aug' aus blonder Wimper,
Wie ſchmuͤckt der Bart ſo ſchoͤn die Tulpenwange!
Den Becher fuͤlle mir! Der Wein beſchwichtigt
Die kranke Bruſt mit ihrem wilden Drange:
Du zwingſt zu lieben dich die Welt, wie Hafis,
Euch Beyde d'rum verkuͤnd' ich im Geſange.
V.
Preiſen willſt du mich? Was kann ich geben,
Wuͤrdig kaum, zu dir emporzuſtreben?
Deiner Blicke jeder iſt ein Funken,
Der verdunkelt jeden Stern daneben;
Angefeſſelt haͤlt mich jede Locke,
Und ſo ſchleppſt du mich dir nach im Leben;
Bluͤhen moͤcht' ich dir um's Haupt, wie Roſen,
Schlingen mich um deine Knie, wie Reben;
Selig ſeyd ihr, liebende Planeten,
Ewig duͤrft ihr um die Sonne ſchweben!
Liebe wirft mir in der Seele Wogen,
Aber Hafis macht die Wogen eben.
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/115>, abgerufen am 03.03.2025. |