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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Anwendungen auf homogene Systeme.

Ein solches System, welches sich verändert, ohne dabei
äusseren Einwirkungen zu unterliegen, heisst auch ein "voll-
ständiges" System. Streng genommen gibt es in der Natur gar-
kein vollständiges System, weil sämmtliche materielle Körper
des Weltalls in steter Wechselwirkung miteinander stehen, und
insofern kann man den Satz von der "Erhaltung" der Energie
auf kein wirkliches System strenge anwenden. Doch ist es
wichtig zu bemerken, dass man durch passende Wahl des
Systems die äusseren Wirkungen, die bei einer bestimmten ins
Auge gefassten Veränderung auftreten, im Vergleich zu den
Energieänderungen der einzelnen Theile des Systems so klein
machen kann, als man nur immer will. Man kann nämlich
offenbar jede äussere Wirkung dadurch eliminiren, dass man
nicht nur die Körper, auf welche die Wirkung ausgeübt wird,
sondern auch diejenigen, von welchen dieselbe ausgeht, mit in
das betrachtete System hineinbezieht. Wenn z. B. ein Gas
durch ein sinkendes Gewicht comprimirt wird, so wird dabei
auf das Gas, als System gedacht, durch die von dem Gewicht
geleistete Arbeit eine gewisse Wirkung von Aussen her ausgeübt
und die Energie des Systems demgemäss vergrössert. Sobald
man aber das Gewicht und die Erde mit in das betrachtete
System hineinbezieht, fällt jede äussere Wirkung fort, und die
Energie des neuen Systems bleibt constant. Dafür enthält aber
der Ausdruck der Energie jetzt ein neues Glied: die potentielle
Energie des Gewichts, deren Aenderung durch die der inneren
Energie des Gases gerade compensirt wird. Ebenso kann man
in allen anderen Fällen verfahren.

II. Capitel. Anwendungen auf homogene Systeme.

§ 67. Wir wenden nun den ersten Hauptsatz, wie er in
der Gleichung (17) ausgesprochen ist, zunächst auf eine homogene
Substanz an, deren Zustand, ausser durch ihre chemische Natur
und durch die Masse M, durch 2 Variable, etwa die Temperatur
th und das Volumen V, bestimmt ist. Dabei gebrauchen wir
hier wie auch überall im Folgenden das Wort "homogen"
schlechthin im Sinne von "physikalisch homogen", d. h. wir nennen
homogen jedes System, welches sich auch in seinen kleinsten
noch wahrnehmbaren Raumtheilen als vollständig gleichartig er-

Anwendungen auf homogene Systeme.

Ein solches System, welches sich verändert, ohne dabei
äusseren Einwirkungen zu unterliegen, heisst auch ein „voll-
ständiges“ System. Streng genommen gibt es in der Natur gar-
kein vollständiges System, weil sämmtliche materielle Körper
des Weltalls in steter Wechselwirkung miteinander stehen, und
insofern kann man den Satz von der „Erhaltung“ der Energie
auf kein wirkliches System strenge anwenden. Doch ist es
wichtig zu bemerken, dass man durch passende Wahl des
Systems die äusseren Wirkungen, die bei einer bestimmten ins
Auge gefassten Veränderung auftreten, im Vergleich zu den
Energieänderungen der einzelnen Theile des Systems so klein
machen kann, als man nur immer will. Man kann nämlich
offenbar jede äussere Wirkung dadurch eliminiren, dass man
nicht nur die Körper, auf welche die Wirkung ausgeübt wird,
sondern auch diejenigen, von welchen dieselbe ausgeht, mit in
das betrachtete System hineinbezieht. Wenn z. B. ein Gas
durch ein sinkendes Gewicht comprimirt wird, so wird dabei
auf das Gas, als System gedacht, durch die von dem Gewicht
geleistete Arbeit eine gewisse Wirkung von Aussen her ausgeübt
und die Energie des Systems demgemäss vergrössert. Sobald
man aber das Gewicht und die Erde mit in das betrachtete
System hineinbezieht, fällt jede äussere Wirkung fort, und die
Energie des neuen Systems bleibt constant. Dafür enthält aber
der Ausdruck der Energie jetzt ein neues Glied: die potentielle
Energie des Gewichts, deren Aenderung durch die der inneren
Energie des Gases gerade compensirt wird. Ebenso kann man
in allen anderen Fällen verfahren.

II. Capitel. Anwendungen auf homogene Systeme.

§ 67. Wir wenden nun den ersten Hauptsatz, wie er in
der Gleichung (17) ausgesprochen ist, zunächst auf eine homogene
Substanz an, deren Zustand, ausser durch ihre chemische Natur
und durch die Masse M, durch 2 Variable, etwa die Temperatur
ϑ und das Volumen V, bestimmt ist. Dabei gebrauchen wir
hier wie auch überall im Folgenden das Wort „homogen“
schlechthin im Sinne von „physikalisch homogen“, d. h. wir nennen
homogen jedes System, welches sich auch in seinen kleinsten
noch wahrnehmbaren Raumtheilen als vollständig gleichartig er-

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[41/0057] Anwendungen auf homogene Systeme. Ein solches System, welches sich verändert, ohne dabei äusseren Einwirkungen zu unterliegen, heisst auch ein „voll- ständiges“ System. Streng genommen gibt es in der Natur gar- kein vollständiges System, weil sämmtliche materielle Körper des Weltalls in steter Wechselwirkung miteinander stehen, und insofern kann man den Satz von der „Erhaltung“ der Energie auf kein wirkliches System strenge anwenden. Doch ist es wichtig zu bemerken, dass man durch passende Wahl des Systems die äusseren Wirkungen, die bei einer bestimmten ins Auge gefassten Veränderung auftreten, im Vergleich zu den Energieänderungen der einzelnen Theile des Systems so klein machen kann, als man nur immer will. Man kann nämlich offenbar jede äussere Wirkung dadurch eliminiren, dass man nicht nur die Körper, auf welche die Wirkung ausgeübt wird, sondern auch diejenigen, von welchen dieselbe ausgeht, mit in das betrachtete System hineinbezieht. Wenn z. B. ein Gas durch ein sinkendes Gewicht comprimirt wird, so wird dabei auf das Gas, als System gedacht, durch die von dem Gewicht geleistete Arbeit eine gewisse Wirkung von Aussen her ausgeübt und die Energie des Systems demgemäss vergrössert. Sobald man aber das Gewicht und die Erde mit in das betrachtete System hineinbezieht, fällt jede äussere Wirkung fort, und die Energie des neuen Systems bleibt constant. Dafür enthält aber der Ausdruck der Energie jetzt ein neues Glied: die potentielle Energie des Gewichts, deren Aenderung durch die der inneren Energie des Gases gerade compensirt wird. Ebenso kann man in allen anderen Fällen verfahren. II. Capitel. Anwendungen auf homogene Systeme. § 67. Wir wenden nun den ersten Hauptsatz, wie er in der Gleichung (17) ausgesprochen ist, zunächst auf eine homogene Substanz an, deren Zustand, ausser durch ihre chemische Natur und durch die Masse M, durch 2 Variable, etwa die Temperatur ϑ und das Volumen V, bestimmt ist. Dabei gebrauchen wir hier wie auch überall im Folgenden das Wort „homogen“ schlechthin im Sinne von „physikalisch homogen“, d. h. wir nennen homogen jedes System, welches sich auch in seinen kleinsten noch wahrnehmbaren Raumtheilen als vollständig gleichartig er-

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/57>, abgerufen am 22.12.2024.