[Spaltenumbruch]
ſolle/ daß deſſen gleichmaͤſſiger ſtarcker Gebrauch
in der Execution einer
Briglitata das Pferd verwun-
den oder beſchaͤdigen koͤnne.
Bey dem Gebrauch aber ſoll ſich nicht weniger die-
ſe Moderation verſpuͤren laſſen/ daß des Pferdes
hoͤchſte Verbrechen nicht eben mit dem Zaum/ ſon-
dern andern Nebenſtraffen nach der Gebuͤhr bezahlet
werde/ dabey er ſich des Zaums allein ſo viel und dar-
innen bedienen moͤge/ das Pferd vermittelſt deſſelben
umb ſo viel mehr/ und ſo lang inzuhalten/ daß er die
Execution ſolcher anderer Nebenſtraffen/ deſto em-
pfindlicher und gewiſſer auch kraͤfftiger verrichten
koͤnne/ ohne daß ſich das Pferd deren mit der Flucht
und anderer Widerſetzung befreyen/ oder ſolche ab-
ſtellen/ vorkommen und unkraͤfftig machen koͤnne.
Und ob gleich ein Pferd nach der Beſchaffenheit
ſeines Verbrechens/ als im Durchfallen (darwider
wenig andere Straffen dienen/ ſondern ehe ſchaden
koͤnnen/) eine Zaum-Straffe erforderte/ muß doch
dieſelbe auch in keiner Extremitaͤt/ wie die andern
Straffen mit voͤlliger/ ſondern auff das allerhoͤchſte
nur mit mittelmaͤſſiger Staͤrcke exequiret werden/
ſintemalen alle Zaum-Straffen mehr gefaͤhrlich als
nuͤtzlich/ und leichter groͤſſern Schaden verurſachen
als ſie verbeſſern koͤnnen.
Dann wie die Menſchen die natuͤrliche Vernunfft
mehr abhaͤlt als reitzet/ wider ſcharffe und verletzende
Sachen mit voͤlliger Staͤrcke anzudringen/ alſo wird
auch den Pferden das avanziren widrig gemachet/
wann ihnen von vornen her ſcharffer Zeig/ ſchmertzli-
che Wuͤrckungen entgegen fuͤhret. Hergegen ver-
urſachen viel widerſpenſtige Pferde ihnen ſelber den
groͤſten Schmertzen und Schaden/ wann ſie der Zaͤu-
mung mit Gewalt widerſtreben/ weil ſie durch ihre
Bezeigungen die ſcharffe Wuͤrckungen ihrer Zaͤu-
mungs-Mittel mehr vergroͤſſern als demſelben ent-
fliehen: und eben darumb iſt es mehr ſchaͤdlich als
nuͤtzlich/ wenn die Pferde mit ſolchem ſcharffen Zeug
gezaͤumet werden wollen/ welche nicht allein den Na-
men/ ſondern auch das Anſehen haben/ als ob man
ſie mit Galgen und Rad ſtraffen wolle. Welche
Straffe den Miſſethaͤtern nicht mehr zulaſſen ihre un-
gezaͤumte Begierden zu zaͤumen/ ſondern fuͤr allemal
abzuſchneiden.
Benehmung unterſchiedlicher fal-
ſcher Meynungen.
DIe gute Zaͤumung dependiret nicht allein von
der Erkaͤntniß/ was dem Pferd hinterlich oder
ſchaͤdlich/ auch befoͤrderlich und nuͤtzlich iſt/ was in
denſelben zuverbeſſern muͤglich oder unmuͤglich/ leicht
oder ſchwer faͤllet/ was fuͤr Mittel hierzu die noͤthig-
ſten/ anfangs im Mittel oder zum Ende derſelben vor-
zunehmen/ ſondern auch in dem rechten Gebrauch al-
ler Zaͤumungs-Mittel/ welche wieder in der rechten
Maß/ daß deſſen weder zu viel noch zu wenig: in der
rechten Zeit/ daß es nicht zu fruͤh oder zu ſpaͤt: in der
rechten Ordnung wie ſie auf einander folgen/ ſolchen
beſtehen/ welche mit gewiſſer Raiſon dieſer und nechſt-
[Spaltenumbruch]
folgender Haupt-Eigenſchafften/ anzuſtellen/ nach-
dem die Empfindlichkeit des Pferdes und aller ſeiner
Glieder Beſchaffenheit iſt.
Die Urſach deſſen/ iſt dieſe/ ob gleich dieſelbe for-
derſt in den Theilen am meiſten geſuchet wird/ allwo
auch die ſubtilſte zu befinden/ ſo wird doch dieſelbe
niemahls in einer ſolchen Extremitaͤt ſeyn koͤñen/ daß
das glaͤttiſte Eiſen nicht ein mehrere Hartigkeit in ſich
haben/ mehr verletzen und zwingen/ als Bein und
Fleiſch ſolchem widerſtehen koͤnte: welcher Stren-
gigkeit deß Eyſens und deſſen ordinari-Wuͤrckung/
dahero eben einen vorſichtigen und maͤſſigen Ge-
brauch des Zaums erfodert/ als dem Eiſen eine mehre-
re Gelindigkeit anzuwuͤnſchen/ wann es moͤglich waͤ-
re/ als man Urſach hat/ ſolche ohne das ſtrenge Wuͤr-
ckung in der Form zu ſchaͤrffen.
Dann wo gleich alle dieſe Wiſſenſchafft/ aber da-
bey keine Gedult waͤre/ auff etwas zu warten/ ein und
anders Verbrechen ungeſtrafft zu laſſen/ und zwar
nach der Schaͤrffe des Zeigs und ſeiner Muͤglichkeit
oder Staͤrcke vollzogen wuͤrde: wo man bey der-
gleichen Affecten und Staͤrcke auch ſcharffen Zeig
kraͤfftig gebrauchet/ wird die Frucht zweyer ſchaͤdli-
cher Extremitaͤten die dritte verurſachen/ hergegen
aber linder Zeig dem unmaͤſſigen Gebrauch mindern/
weil der gelinde Zeig den ſtrengen Gebrauch eben ſo
viel maͤſſigen/ als der ſcharffe Zeig den leiſen Gebrauch
verſtaͤrcken kan.
Ein anderer Reuter iſt gantz kaltſinnig/ ſorgfaͤltig/
mitleidig/ ſanfftmuͤthig oder furchtſamb/ dem die
Pferde allen Trutz in ihren Bezeigungen beweiſen/
neue boͤſe Widerſetzungen je laͤnger |je mehr an ſich
nehmen/ und darinnen in capriciren/ welcher Beſſe-
rung er vergeblich allzu lang erwartet/ ſondern wil aus
eigener Erkaͤntniß ihrer Fehler einiger Schaͤrffe/ die
Correction mehr hoffen als ſuchen/ der wird mit ge-
lindem Zeig weniger ausrichten/ als ſein linder Ge-
brauch dabey etwas contribuiren kan/ weil das Pferd
ſolche mehr verachten als empfinden wird/ welches der
ſcharffe Zeig in etwas erſetzen moͤchte.
Solche beyde Manieren koͤnnen viel Nutzen
ſchaffen/ welche auch beyde zugleich und Wechſels-
Weiſe zu gebrauchen und zu verſuchen/ jedem Reu-
ter zu wiſſen/ und zu uͤben hoͤchſtnoͤthig ſeyn: dann
der Reuter gebrauche ſich gleich der allerſchaͤrffſten
Mittel ſo ſtreng und ſcharff als er wolle/ ſo wird er
doch mit denſelben ſein Jntent/ nicht erhalten/ wann
das Pferd zu demſelben was er ſuchet/ nicht diſponi-
ret/ ſondern von andern Zufaͤllen verhindert.
Jnmaſſen an einem Pferde/ wie an einem ſtarren-
den Halß wol zu ſpuͤren iſt/ welcher zwar den ſcharffen
Zaͤumungs-Mitteln und derſelben gleichmaͤſſigen
Gebrauch gern nach und ſich herbey geben/ und gelin-
des Zaums erweiſen wolte/ wann es ihm das widrige
Gewaͤchs zulieſſe/ welches es aber mit ungleich groͤſ-
ſerer Gewalt verhindert/ und zuwiderſetzen zwinget/
alſo ſeine Huͤlffe oder Verſicherung auff dem Zaum
nehmen muß/ wie ſchmertzlich wehe ihm auch die
Wuͤrckung des Zeugs thun moͤgen.
Dahero der Reuter mit gelindem Zeug und maͤſſi-
gem Gebrauch/ vielmehr in einer Stund bey einem
Pferde ſo ſolcher Maͤngel befreyt/ ſonder allen erwe-