Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.für einen Froschmäusler. Sucht die Milch-Jnsel,Sonst seyd- ihr ein Pin-sel. Hier giebt es abermals der Augenschein und 11. Frage. Hält es die Froschmäusler-Gesellschaft für ei- ne Schuldigkeit, sich an die drey Vers- Arten, die jambische, trochäische und da- ctylische, zu binden, oder suchet sie auch andere Arten in Schwang zu bringen? Antwort. Es lässet sich sonderlich die sapphische und he- 1) Probe von sapphischen Reimen: Willst du- mich lie-ben,- sage mirs- geschwin-de, Oder- ich ge-he- heute zur- Selin-de, Dem so- galan-ten- angeneh-men Kin-de, Wo ich sie- finde. 2) Eine Probe nach Art lateinischer heroi- scher Verse: Der Ja-cob scher-zet mit- seinem- Weibe Re- becke; Liebliche- Phillis- komm und- gehe mit- mir in die- Hecke, Oder auch- tritt mit- mir dort- an die- finstere- Ecke. Jch sehe nicht, warum dergleichen Arten Ver- und
fuͤr einen Froſchmaͤusler. Sucht die Milch-Jnſel,Sonſt ſeyd- ihr ein Pin-ſel. Hier giebt es abermals der Augenſchein und 11. Frage. Haͤlt es die Froſchmaͤusler-Geſellſchaft fuͤr ei- ne Schuldigkeit, ſich an die drey Vers- Arten, die jambiſche, trochaͤiſche und da- ctyliſche, zu binden, oder ſuchet ſie auch andere Arten in Schwang zu bringen? Antwort. Es laͤſſet ſich ſonderlich die ſapphiſche und he- 1) Probe von ſapphiſchen Reimen: Willſt du- mich lie-ben,- ſage mirs- geſchwin-de, Oder- ich ge-he- heute zur- Selin-de, Dem ſo- galan-ten- angeneh-men Kin-de, Wo ich ſie- finde. 2) Eine Probe nach Art lateiniſcher heroi- ſcher Verſe: Der Ja-cob ſcher-zet mit- ſeinem- Weibe Re- becke; Liebliche- Phillis- komm und- gehe mit- mir in die- Hecke, Oder auch- tritt mit- mir dort- an die- finſtere- Ecke. Jch ſehe nicht, warum dergleichen Arten Ver- und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <list> <item> <list> <item> <lg type="poem"> <pb n="91" facs="#f0099"/> <fw type="header" place="top"> <hi rendition="#b">fuͤr einen Froſchmaͤusler.</hi> </fw><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Sucht die Milch-Jnſel,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Sonſt ſeyd- ihr ein Pin-ſel.</hi> </l> </lg> </item> </list> </item> </list><lb/> <p>Hier giebt es abermals der Augenſchein und<lb/> die Sylben-Zahl, welches <hi rendition="#fr">lange Dactyli,</hi> und<lb/> welches hingegen <hi rendition="#fr">kurze</hi> heiſſen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">11. Frage.</hi> </head><lb/> <list> <item> <hi rendition="#fr">Haͤlt es die Froſchmaͤusler-Geſellſchaft fuͤr ei-<lb/> ne Schuldigkeit, ſich an die drey Vers-<lb/> Arten, die jambiſche, trochaͤiſche und da-<lb/> ctyliſche, zu binden, oder ſuchet ſie auch<lb/> andere Arten in Schwang zu bringen?</hi> </item> </list><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Antwort.</hi> </head><lb/> <p>Es laͤſſet ſich ſonderlich die <hi rendition="#fr">ſapphiſche</hi> und <hi rendition="#fr">he-<lb/> roiſche</hi> Vers-Art der Lateiner gar wol bey der<lb/> deutſchen Poeſie anbringen, als z. E.</p><lb/> <list> <item>1) <hi rendition="#fr">Probe von ſapphiſchen Reimen:</hi><lb/><lg type="poem"><l><hi rendition="#fr">Willſt du- mich lie-ben,- ſage mirs- geſchwin-de,</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr">Oder- ich ge-he- heute zur- Selin-de,</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr">Dem ſo- galan-ten- angeneh-men Kin-de,</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr"><hi rendition="#et">Wo ich ſie- finde.</hi></hi></l></lg></item><lb/> <item>2) <hi rendition="#fr">Eine Probe nach Art lateiniſcher heroi-<lb/> ſcher Verſe:</hi><lb/><lg type="poem"><l><hi rendition="#fr">Der Ja-cob ſcher-zet mit- ſeinem- Weibe Re-</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr"><hi rendition="#et">becke;</hi></hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr">Liebliche- Phillis- komm und- gehe mit- mir in</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr"><hi rendition="#et">die- Hecke,</hi></hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr">Oder auch- tritt mit- mir dort- an die- finſtere-</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr"><hi rendition="#et">Ecke.</hi></hi></l></lg></item> </list><lb/> <p>Jch ſehe nicht, warum dergleichen Arten Ver-<lb/> ſe nicht zum <hi rendition="#fr">Scherz</hi> und <hi rendition="#fr">Zeitvertreibe</hi> angehen<lb/> ſollten. Die E. Froſchmaͤusler-Geſellſchaft<lb/> wird wohl thun, wenn ſie, trotz denen neuen<lb/> Poeten, viel <hi rendition="#fr">neue Vers-Arten</hi> bekannt machen,<lb/> <fw type="catch" place="bottom">und</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0099]
fuͤr einen Froſchmaͤusler.
Sucht die Milch-Jnſel,
Sonſt ſeyd- ihr ein Pin-ſel.
Hier giebt es abermals der Augenſchein und
die Sylben-Zahl, welches lange Dactyli, und
welches hingegen kurze heiſſen.
11. Frage.
Haͤlt es die Froſchmaͤusler-Geſellſchaft fuͤr ei-
ne Schuldigkeit, ſich an die drey Vers-
Arten, die jambiſche, trochaͤiſche und da-
ctyliſche, zu binden, oder ſuchet ſie auch
andere Arten in Schwang zu bringen?
Antwort.
Es laͤſſet ſich ſonderlich die ſapphiſche und he-
roiſche Vers-Art der Lateiner gar wol bey der
deutſchen Poeſie anbringen, als z. E.
1) Probe von ſapphiſchen Reimen:
Willſt du- mich lie-ben,- ſage mirs- geſchwin-de,
Oder- ich ge-he- heute zur- Selin-de,
Dem ſo- galan-ten- angeneh-men Kin-de,
Wo ich ſie- finde.
2) Eine Probe nach Art lateiniſcher heroi-
ſcher Verſe:
Der Ja-cob ſcher-zet mit- ſeinem- Weibe Re-
becke;
Liebliche- Phillis- komm und- gehe mit- mir in
die- Hecke,
Oder auch- tritt mit- mir dort- an die- finſtere-
Ecke.
Jch ſehe nicht, warum dergleichen Arten Ver-
ſe nicht zum Scherz und Zeitvertreibe angehen
ſollten. Die E. Froſchmaͤusler-Geſellſchaft
wird wohl thun, wenn ſie, trotz denen neuen
Poeten, viel neue Vers-Arten bekannt machen,
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/99 |
Zitationshilfe: | Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/99>, abgerufen am 03.03.2025. |