Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

bey der Froschmäusler-Gesellschaft.
stehet er Sprachen: So machet er die Unwis-
senden weiß, was er z. E. aus einem Moliere,
Tasso,
sonderlich aus den englischen und grie-
chischen
Poeten übersetzet, als wäre es auf sei-
nem eigenen Bete gewachsen. Wer ihn ver-
räth,
an dessen Ehren-Ruhm sucht er was ab-
zunagen, wie die Maus am Brodte.

33. Maxime.

Eine poetische Schlange versetzet entweder
dem, der sie reizet, oder auch, wie es ihr ein-
kömmt, giftige Stiche. Sein Wahlspruch ist:
Calumniare audacter, semper aliquid haeret.

Bezüchtge einen hart, und red ihm Böses
nach;
Der angehängte Fleck ist ihm schon eine
Schmach.
34. Maxime.

Ein poetischer Jgel passet die Gelegenheit
fleißig ab, durch kurze Stachel-Reime dem,
dem er übel will, einen Trebs zu versetzen.
Weiß er etliche lächerliche Histörgen von ihm,
wenn es auch noch Fehler einer längst verstri-
chenen Jugend
wären, er wird sie ihm im ho-
hen Alter,
da er sie vorlängst abgelegt, noch
vorrücken. Weiß er keine: So richtet er an-
dere nach sich,
und denkt, sie stehen hinter der
Thüre, wohinter man ihn selber öfters noch
stehen siehet.

35. Maxime.

Ein poetischer Hund ist entweder ein grim-

miger
F

bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
ſtehet er Sprachen: So machet er die Unwiſ-
ſenden weiß, was er z. E. aus einem Moliere,
Taſſo,
ſonderlich aus den engliſchen und grie-
chiſchen
Poeten uͤberſetzet, als waͤre es auf ſei-
nem eigenen Bete gewachſen. Wer ihn ver-
raͤth,
an deſſen Ehren-Ruhm ſucht er was ab-
zunagen, wie die Maus am Brodte.

33. Maxime.

Eine poetiſche Schlange verſetzet entweder
dem, der ſie reizet, oder auch, wie es ihr ein-
koͤmmt, giftige Stiche. Sein Wahlſpruch iſt:
Calumniare audacter, ſemper aliquid haeret.

Bezuͤchtge einen hart, und red ihm Boͤſes
nach;
Der angehaͤngte Fleck iſt ihm ſchon eine
Schmach.
34. Maxime.

Ein poetiſcher Jgel paſſet die Gelegenheit
fleißig ab, durch kurze Stachel-Reime dem,
dem er uͤbel will, einen Trebs zu verſetzen.
Weiß er etliche laͤcherliche Hiſtoͤrgen von ihm,
wenn es auch noch Fehler einer laͤngſt verſtri-
chenen Jugend
waͤren, er wird ſie ihm im ho-
hen Alter,
da er ſie vorlaͤngſt abgelegt, noch
vorruͤcken. Weiß er keine: So richtet er an-
dere nach ſich,
und denkt, ſie ſtehen hinter der
Thuͤre, wohinter man ihn ſelber oͤfters noch
ſtehen ſiehet.

35. Maxime.

Ein poetiſcher Hund iſt entweder ein grim-

miger
F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0089" n="81"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">bey der Fro&#x017F;chma&#x0364;usler-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</hi></fw><lb/>
&#x017F;tehet er Sprachen: So machet er die Unwi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enden weiß, was er z. E. aus einem <hi rendition="#fr">Moliere,<lb/>
Ta&#x017F;&#x017F;o,</hi> &#x017F;onderlich aus den <hi rendition="#fr">engli&#x017F;chen</hi> und <hi rendition="#fr">grie-<lb/>
chi&#x017F;chen</hi> Poeten u&#x0364;ber&#x017F;etzet, als wa&#x0364;re es auf &#x017F;ei-<lb/>
nem <hi rendition="#fr">eigenen Bete</hi> gewach&#x017F;en. Wer ihn <hi rendition="#fr">ver-<lb/>
ra&#x0364;th,</hi> an de&#x017F;&#x017F;en Ehren-Ruhm &#x017F;ucht er was ab-<lb/>
zunagen, wie die Maus am Brodte.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">33. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Eine <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;che Schlange</hi> ver&#x017F;etzet entweder<lb/>
dem, der &#x017F;ie reizet, oder auch, wie es ihr ein-<lb/>
ko&#x0364;mmt, giftige Stiche. Sein Wahl&#x017F;pruch i&#x017F;t:<lb/><hi rendition="#aq">Calumniare audacter, &#x017F;emper aliquid haeret.</hi></p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#fr">Bezu&#x0364;chtge einen hart, und red ihm Bo&#x0364;&#x017F;es</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">nach;</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Der angeha&#x0364;ngte Fleck i&#x017F;t ihm &#x017F;chon eine</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">Schmach.</hi> </hi> </l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">34. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Ein <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;cher Jgel</hi> pa&#x017F;&#x017F;et die Gelegenheit<lb/>
fleißig ab, durch <hi rendition="#fr">kurze Stachel-Reime</hi> dem,<lb/>
dem er u&#x0364;bel will, einen Trebs zu ver&#x017F;etzen.<lb/>
Weiß er etliche <hi rendition="#fr">la&#x0364;cherliche Hi&#x017F;to&#x0364;rgen</hi> von ihm,<lb/>
wenn es auch noch Fehler einer <hi rendition="#fr">la&#x0364;ng&#x017F;t ver&#x017F;tri-<lb/>
chenen Jugend</hi> wa&#x0364;ren, er wird &#x017F;ie ihm im <hi rendition="#fr">ho-<lb/>
hen Alter,</hi> da er &#x017F;ie vorla&#x0364;ng&#x017F;t abgelegt, noch<lb/>
vorru&#x0364;cken. Weiß er keine: So <hi rendition="#fr">richtet er an-<lb/>
dere nach &#x017F;ich,</hi> und denkt, &#x017F;ie &#x017F;tehen hinter der<lb/>
Thu&#x0364;re, wohinter man ihn &#x017F;elber o&#x0364;fters noch<lb/>
&#x017F;tehen &#x017F;iehet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">35. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Ein <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;cher Hund</hi> i&#x017F;t entweder ein grim-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F</fw><fw place="bottom" type="catch">miger</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0089] bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft. ſtehet er Sprachen: So machet er die Unwiſ- ſenden weiß, was er z. E. aus einem Moliere, Taſſo, ſonderlich aus den engliſchen und grie- chiſchen Poeten uͤberſetzet, als waͤre es auf ſei- nem eigenen Bete gewachſen. Wer ihn ver- raͤth, an deſſen Ehren-Ruhm ſucht er was ab- zunagen, wie die Maus am Brodte. 33. Maxime. Eine poetiſche Schlange verſetzet entweder dem, der ſie reizet, oder auch, wie es ihr ein- koͤmmt, giftige Stiche. Sein Wahlſpruch iſt: Calumniare audacter, ſemper aliquid haeret. Bezuͤchtge einen hart, und red ihm Boͤſes nach; Der angehaͤngte Fleck iſt ihm ſchon eine Schmach. 34. Maxime. Ein poetiſcher Jgel paſſet die Gelegenheit fleißig ab, durch kurze Stachel-Reime dem, dem er uͤbel will, einen Trebs zu verſetzen. Weiß er etliche laͤcherliche Hiſtoͤrgen von ihm, wenn es auch noch Fehler einer laͤngſt verſtri- chenen Jugend waͤren, er wird ſie ihm im ho- hen Alter, da er ſie vorlaͤngſt abgelegt, noch vorruͤcken. Weiß er keine: So richtet er an- dere nach ſich, und denkt, ſie ſtehen hinter der Thuͤre, wohinter man ihn ſelber oͤfters noch ſtehen ſiehet. 35. Maxime. Ein poetiſcher Hund iſt entweder ein grim- miger F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/89
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/89>, abgerufen am 23.12.2024.