Wer einen poetischen Mist-Käfer in einem Gedichte gern characterisiren mögte, darf nur alles so plattzu nennen, wie es die Staupen- Brüder und Hallorum zu Halle thun. Er ziehe den Vorhang weg, den die Schamhaftig- keit vor die Zeugungs-Glieder und andere ver- deckte Theile vorgezogen, und nenne jedes so, wie es der Anatomicus, wenn ers mit Namen benennete, thun würde.
15. Maxime.
Jn verliebten Gedichten müssen entweder so natürliche Schwänke vorkommen, als in de- nen gemeinen Schauspielen und Romainen, z. E. daß der Amant vor seiner Schöne flugs auf die Knie fällt, vor ihren Augen sich ums Leben bringen, oder den nächsten den besten, der ihm aufstößt, ihr zu Ehren massacriren will; oder so ausstudirt, daß man eigen merke, der Amant habe den Talander, Menantes und andere vorher bemauset, um seine Paßion nach ihrer Vorschrift einzurichten.
16. Maxime.
Jn Epischen Gedichten, oder da lauter Hel- den und Heldinnen vorkommen, vergesse man ja nicht, Deum ex machina herbey zu hohlen, oder man bringe aus der tausend und einen Nacht abentheuerliche Begebenheiten und ver- wünschte Schlösser vor; oder in Stein verwan- delte ganze Städte; oder Riesen, die bis an
den
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bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
14. Maxime.
Wer einen poetiſchen Miſt-Kaͤfer in einem Gedichte gern characteriſiren moͤgte, darf nur alles ſo plattzu nennen, wie es die Staupen- Bruͤder und Hallorum zu Halle thun. Er ziehe den Vorhang weg, den die Schamhaftig- keit vor die Zeugungs-Glieder und andere ver- deckte Theile vorgezogen, und nenne jedes ſo, wie es der Anatomicus, wenn ers mit Namen benennete, thun wuͤrde.
15. Maxime.
Jn verliebten Gedichten muͤſſen entweder ſo natuͤrliche Schwaͤnke vorkommen, als in de- nen gemeinen Schauſpielen und Romainen, z. E. daß der Amant vor ſeiner Schoͤne flugs auf die Knie faͤllt, vor ihren Augen ſich ums Leben bringen, oder den naͤchſten den beſten, der ihm aufſtoͤßt, ihr zu Ehren maſſacriren will; oder ſo ausſtudirt, daß man eigen merke, der Amant habe den Talander, Menantes und andere vorher bemauſet, um ſeine Paßion nach ihrer Vorſchrift einzurichten.
16. Maxime.
Jn Epiſchen Gedichten, oder da lauter Hel- den und Heldinnen vorkommen, vergeſſe man ja nicht, Deum ex machina herbey zu hohlen, oder man bringe aus der tauſend und einen Nacht abentheuerliche Begebenheiten und ver- wuͤnſchte Schloͤſſer vor; oder in Stein verwan- delte ganze Staͤdte; oder Rieſen, die bis an
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bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
14. Maxime.
Wer einen poetiſchen Miſt-Kaͤfer in einem
Gedichte gern characteriſiren moͤgte, darf nur
alles ſo plattzu nennen, wie es die Staupen-
Bruͤder und Hallorum zu Halle thun. Er
ziehe den Vorhang weg, den die Schamhaftig-
keit vor die Zeugungs-Glieder und andere ver-
deckte Theile vorgezogen, und nenne jedes ſo,
wie es der Anatomicus, wenn ers mit Namen
benennete, thun wuͤrde.
15. Maxime.
Jn verliebten Gedichten muͤſſen entweder
ſo natuͤrliche Schwaͤnke vorkommen, als in de-
nen gemeinen Schauſpielen und Romainen, z.
E. daß der Amant vor ſeiner Schoͤne flugs auf
die Knie faͤllt, vor ihren Augen ſich ums Leben
bringen, oder den naͤchſten den beſten, der ihm
aufſtoͤßt, ihr zu Ehren maſſacriren will; oder
ſo ausſtudirt, daß man eigen merke, der Amant
habe den Talander, Menantes und andere
vorher bemauſet, um ſeine Paßion nach ihrer
Vorſchrift einzurichten.
16. Maxime.
Jn Epiſchen Gedichten, oder da lauter Hel-
den und Heldinnen vorkommen, vergeſſe man
ja nicht, Deum ex machina herbey zu hohlen,
oder man bringe aus der tauſend und einen
Nacht abentheuerliche Begebenheiten und ver-
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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/77>, abgerufen am 03.03.2025.
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