Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
bey der Froschmäusler-Gesellschaft.
14. Maxime.

Wer einen poetischen Mist-Käfer in einem
Gedichte gern characterisiren mögte, darf nur
alles so plattzu nennen, wie es die Staupen-
Brüder
und Hallorum zu Halle thun. Er
ziehe den Vorhang weg, den die Schamhaftig-
keit vor die Zeugungs-Glieder und andere ver-
deckte Theile vorgezogen, und nenne jedes so,
wie es der Anatomicus, wenn ers mit Namen
benennete, thun würde.

15. Maxime.

Jn verliebten Gedichten müssen entweder
so natürliche Schwänke vorkommen, als in de-
nen gemeinen Schauspielen und Romainen, z.
E. daß der Amant vor seiner Schöne flugs auf
die Knie fällt, vor ihren Augen sich ums Leben
bringen, oder den nächsten den besten, der ihm
aufstößt, ihr zu Ehren massacriren will; oder
so ausstudirt, daß man eigen merke, der Amant
habe den Talander, Menantes und andere
vorher bemauset, um seine Paßion nach ihrer
Vorschrift einzurichten.

16. Maxime.

Jn Epischen Gedichten, oder da lauter Hel-
den und Heldinnen vorkommen, vergesse man
ja nicht, Deum ex machina herbey zu hohlen,
oder man bringe aus der tausend und einen
Nacht
abentheuerliche Begebenheiten und ver-
wünschte Schlösser vor; oder in Stein verwan-
delte ganze Städte; oder Riesen, die bis an

den
E 3
bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
14. Maxime.

Wer einen poetiſchen Miſt-Kaͤfer in einem
Gedichte gern characteriſiren moͤgte, darf nur
alles ſo plattzu nennen, wie es die Staupen-
Bruͤder
und Hallorum zu Halle thun. Er
ziehe den Vorhang weg, den die Schamhaftig-
keit vor die Zeugungs-Glieder und andere ver-
deckte Theile vorgezogen, und nenne jedes ſo,
wie es der Anatomicus, wenn ers mit Namen
benennete, thun wuͤrde.

15. Maxime.

Jn verliebten Gedichten muͤſſen entweder
ſo natuͤrliche Schwaͤnke vorkommen, als in de-
nen gemeinen Schauſpielen und Romainen, z.
E. daß der Amant vor ſeiner Schoͤne flugs auf
die Knie faͤllt, vor ihren Augen ſich ums Leben
bringen, oder den naͤchſten den beſten, der ihm
aufſtoͤßt, ihr zu Ehren maſſacriren will; oder
ſo ausſtudirt, daß man eigen merke, der Amant
habe den Talander, Menantes und andere
vorher bemauſet, um ſeine Paßion nach ihrer
Vorſchrift einzurichten.

16. Maxime.

Jn Epiſchen Gedichten, oder da lauter Hel-
den und Heldinnen vorkommen, vergeſſe man
ja nicht, Deum ex machina herbey zu hohlen,
oder man bringe aus der tauſend und einen
Nacht
abentheuerliche Begebenheiten und ver-
wuͤnſchte Schloͤſſer vor; oder in Stein verwan-
delte ganze Staͤdte; oder Rieſen, die bis an

den
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0077" n="69"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">bey der Fro&#x017F;chma&#x0364;usler-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">14. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Wer einen <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;chen Mi&#x017F;t-Ka&#x0364;fer</hi> in einem<lb/>
Gedichte gern characteri&#x017F;iren mo&#x0364;gte, darf nur<lb/>
alles &#x017F;o plattzu nennen, wie es die <hi rendition="#fr">Staupen-<lb/>
Bru&#x0364;der</hi> und <hi rendition="#fr">Hallorum zu Halle</hi> thun. Er<lb/>
ziehe den Vorhang weg, den die Schamhaftig-<lb/>
keit vor die Zeugungs-Glieder und andere ver-<lb/>
deckte Theile vorgezogen, und nenne jedes &#x017F;o,<lb/>
wie es der <hi rendition="#fr">Anatomicus,</hi> wenn ers mit Namen<lb/>
benennete, thun wu&#x0364;rde.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">15. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Jn <hi rendition="#fr">verliebten Gedichten</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en entweder<lb/>
&#x017F;o <hi rendition="#fr">natu&#x0364;rliche Schwa&#x0364;nke</hi> vorkommen, als in de-<lb/>
nen gemeinen Schau&#x017F;pielen und Romainen, z.<lb/>
E. daß der Amant vor &#x017F;einer Scho&#x0364;ne flugs auf<lb/>
die Knie fa&#x0364;llt, vor ihren Augen &#x017F;ich ums Leben<lb/>
bringen, oder den na&#x0364;ch&#x017F;ten den be&#x017F;ten, der ihm<lb/>
auf&#x017F;to&#x0364;ßt, ihr zu Ehren ma&#x017F;&#x017F;acriren will; oder<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;o aus&#x017F;tudirt,</hi> daß man eigen merke, der Amant<lb/>
habe den <hi rendition="#fr">Talander, Menantes</hi> und andere<lb/>
vorher bemau&#x017F;et, um &#x017F;eine Paßion nach ihrer<lb/>
Vor&#x017F;chrift einzurichten.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">16. Maxime.</hi> </head><lb/>
          <p>Jn <hi rendition="#fr">Epi&#x017F;chen</hi> Gedichten, oder da lauter Hel-<lb/>
den und Heldinnen vorkommen, verge&#x017F;&#x017F;e man<lb/>
ja nicht, <hi rendition="#aq">Deum ex machina</hi> herbey zu hohlen,<lb/>
oder man bringe aus der <hi rendition="#fr">tau&#x017F;end und einen<lb/>
Nacht</hi> abentheuerliche Begebenheiten und ver-<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er vor; oder in Stein verwan-<lb/>
delte ganze Sta&#x0364;dte; oder <hi rendition="#fr">Rie&#x017F;en,</hi> die bis an<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0077] bey der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft. 14. Maxime. Wer einen poetiſchen Miſt-Kaͤfer in einem Gedichte gern characteriſiren moͤgte, darf nur alles ſo plattzu nennen, wie es die Staupen- Bruͤder und Hallorum zu Halle thun. Er ziehe den Vorhang weg, den die Schamhaftig- keit vor die Zeugungs-Glieder und andere ver- deckte Theile vorgezogen, und nenne jedes ſo, wie es der Anatomicus, wenn ers mit Namen benennete, thun wuͤrde. 15. Maxime. Jn verliebten Gedichten muͤſſen entweder ſo natuͤrliche Schwaͤnke vorkommen, als in de- nen gemeinen Schauſpielen und Romainen, z. E. daß der Amant vor ſeiner Schoͤne flugs auf die Knie faͤllt, vor ihren Augen ſich ums Leben bringen, oder den naͤchſten den beſten, der ihm aufſtoͤßt, ihr zu Ehren maſſacriren will; oder ſo ausſtudirt, daß man eigen merke, der Amant habe den Talander, Menantes und andere vorher bemauſet, um ſeine Paßion nach ihrer Vorſchrift einzurichten. 16. Maxime. Jn Epiſchen Gedichten, oder da lauter Hel- den und Heldinnen vorkommen, vergeſſe man ja nicht, Deum ex machina herbey zu hohlen, oder man bringe aus der tauſend und einen Nacht abentheuerliche Begebenheiten und ver- wuͤnſchte Schloͤſſer vor; oder in Stein verwan- delte ganze Staͤdte; oder Rieſen, die bis an den E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/77
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/77>, abgerufen am 13.11.2024.