Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

nach mathematischer Lehr-Art.
So habe ich wirklich auf Mensch gereimt, oh-
ne es selber zu denken.

Jst aber ein Reim vorhanden, der gleichwol
vielen unbekannt: So muß man ihm mit ein
paar drein gegebenen Reimen nachhelfen, bis
sich die Leser und Zuhörer dran gewöhnen. Z. E.

Wenn der geschwärzte Flohr der Einbil-
dung zerreißt,

klinget etwas hart und undeutlich: So hilft ihm
der Reimschmied ohngefehr also nach:

Denn wie ein schwarzer Flohr uns das Ge-
sicht bedecket,
Jst ein Hochmüthiger auch in sich selbst
verstecket.

Da siehet man hernach leicht, warum die Ein-
bildung
mit einem schwarzen Flohre verglichen
worden.

Anmerkung.

§ 16. Die Füll-Wörtergen, z. E. lobesan,
vernimms, ganz recht,
und tausend andre, hel-
fen einem Reimschmiede oft geschwinde aus der
Noth, daß er ein paar Reime zusammen löten
kann, die sonst gar nicht schienen mit einander
verknüpft werden zu können. Weil sie auch in
viel alten Kirchen-Gesängen vorkommen, hat
man sie billig in allen Gedichten für eine beson-
dere Zierde zu schätzen.

1. Lehrsatz.

§ 17. Ein Reim, den noch kein Dichter
vorher gebraucht, ist eine entdeckte neue

Wahr-
B 4

nach mathematiſcher Lehr-Art.
So habe ich wirklich auf Menſch gereimt, oh-
ne es ſelber zu denken.

Jſt aber ein Reim vorhanden, der gleichwol
vielen unbekannt: So muß man ihm mit ein
paar drein gegebenen Reimen nachhelfen, bis
ſich die Leſer und Zuhoͤrer dran gewoͤhnen. Z. E.

Wenn der geſchwaͤrzte Flohr der Einbil-
dung zerreißt,

klinget etwas hart und undeutlich: So hilft ihm
der Reimſchmied ohngefehr alſo nach:

Denn wie ein ſchwarzer Flohr uns das Ge-
ſicht bedecket,
Jſt ein Hochmuͤthiger auch in ſich ſelbſt
verſtecket.

Da ſiehet man hernach leicht, warum die Ein-
bildung
mit einem ſchwarzen Flohre verglichen
worden.

Anmerkung.

§ 16. Die Fuͤll-Woͤrtergen, z. E. lobeſan,
vernimms, ganz recht,
und tauſend andre, hel-
fen einem Reimſchmiede oft geſchwinde aus der
Noth, daß er ein paar Reime zuſammen loͤten
kann, die ſonſt gar nicht ſchienen mit einander
verknuͤpft werden zu koͤnnen. Weil ſie auch in
viel alten Kirchen-Geſaͤngen vorkommen, hat
man ſie billig in allen Gedichten fuͤr eine beſon-
dere Zierde zu ſchaͤtzen.

1. Lehrſatz.

§ 17. Ein Reim, den noch kein Dichter
vorher gebraucht, iſt eine entdeckte neue

Wahr-
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0031" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">nach mathemati&#x017F;cher Lehr-Art.</hi></fw><lb/>
So habe ich wirklich auf <hi rendition="#fr">Men&#x017F;ch</hi> gereimt, oh-<lb/>
ne es &#x017F;elber zu denken.</p><lb/>
                <p>J&#x017F;t aber ein Reim vorhanden, der gleichwol<lb/>
vielen unbekannt: So muß man ihm mit ein<lb/>
paar <hi rendition="#fr">drein gegebenen Reimen</hi> nachhelfen, bis<lb/>
&#x017F;ich die Le&#x017F;er und Zuho&#x0364;rer dran gewo&#x0364;hnen. Z. E.</p><lb/>
                <list>
                  <item> <hi rendition="#fr">Wenn der ge&#x017F;chwa&#x0364;rzte Flohr der Einbil-<lb/>
dung zerreißt,</hi> </item>
                </list><lb/>
                <p>klinget etwas hart und undeutlich: So hilft ihm<lb/>
der Reim&#x017F;chmied ohngefehr al&#x017F;o nach:</p><lb/>
                <list>
                  <item> <hi rendition="#fr">Denn wie ein &#x017F;chwarzer Flohr uns das Ge-<lb/>
&#x017F;icht bedecket,</hi> </item><lb/>
                  <item> <hi rendition="#fr">J&#x017F;t ein Hochmu&#x0364;thiger auch in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ver&#x017F;tecket.</hi> </item>
                </list><lb/>
                <p>Da &#x017F;iehet man hernach leicht, warum die <hi rendition="#fr">Ein-<lb/>
bildung</hi> mit einem <hi rendition="#fr">&#x017F;chwarzen Flohre</hi> verglichen<lb/>
worden.</p><lb/>
                <div n="6">
                  <head> <hi rendition="#b">Anmerkung.</hi> </head><lb/>
                  <p>§ 16. Die <hi rendition="#fr">Fu&#x0364;ll-Wo&#x0364;rtergen,</hi> z. E. <hi rendition="#fr">lobe&#x017F;an,<lb/>
vernimms, ganz recht,</hi> und tau&#x017F;end andre, hel-<lb/>
fen einem Reim&#x017F;chmiede oft ge&#x017F;chwinde aus der<lb/>
Noth, daß er ein paar Reime <hi rendition="#fr">zu&#x017F;ammen lo&#x0364;ten</hi><lb/>
kann, die &#x017F;on&#x017F;t gar nicht &#x017F;chienen mit einander<lb/>
verknu&#x0364;pft werden zu ko&#x0364;nnen. Weil &#x017F;ie auch in<lb/>
viel alten Kirchen-Ge&#x017F;a&#x0364;ngen vorkommen, hat<lb/>
man &#x017F;ie billig in allen Gedichten fu&#x0364;r eine be&#x017F;on-<lb/>
dere Zierde zu &#x017F;cha&#x0364;tzen.</p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head> <hi rendition="#b">1. Lehr&#x017F;atz.</hi> </head><lb/>
                  <p>§ 17. <hi rendition="#fr">Ein Reim, den noch kein Dichter<lb/>
vorher gebraucht, i&#x017F;t eine entdeckte neue</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Wahr-</hi></fw><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0031] nach mathematiſcher Lehr-Art. So habe ich wirklich auf Menſch gereimt, oh- ne es ſelber zu denken. Jſt aber ein Reim vorhanden, der gleichwol vielen unbekannt: So muß man ihm mit ein paar drein gegebenen Reimen nachhelfen, bis ſich die Leſer und Zuhoͤrer dran gewoͤhnen. Z. E. Wenn der geſchwaͤrzte Flohr der Einbil- dung zerreißt, klinget etwas hart und undeutlich: So hilft ihm der Reimſchmied ohngefehr alſo nach: Denn wie ein ſchwarzer Flohr uns das Ge- ſicht bedecket, Jſt ein Hochmuͤthiger auch in ſich ſelbſt verſtecket. Da ſiehet man hernach leicht, warum die Ein- bildung mit einem ſchwarzen Flohre verglichen worden. Anmerkung. § 16. Die Fuͤll-Woͤrtergen, z. E. lobeſan, vernimms, ganz recht, und tauſend andre, hel- fen einem Reimſchmiede oft geſchwinde aus der Noth, daß er ein paar Reime zuſammen loͤten kann, die ſonſt gar nicht ſchienen mit einander verknuͤpft werden zu koͤnnen. Weil ſie auch in viel alten Kirchen-Geſaͤngen vorkommen, hat man ſie billig in allen Gedichten fuͤr eine beſon- dere Zierde zu ſchaͤtzen. 1. Lehrſatz. § 17. Ein Reim, den noch kein Dichter vorher gebraucht, iſt eine entdeckte neue Wahr- B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/31
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/31>, abgerufen am 21.11.2024.