§ 10. Wenn aber entweder der Reim schon vorhanden ist, ehe noch der Gedanke vestgesetzet worden; oder aber der Begriff im Kopfe zwar ausgehecket, aber sich nicht recht in Reime will ausdrücken lassen: heißt solches das Schwere in der Reimschmiederey und kriechenden Poesie; das Leichte aber, wenn beydes, ohne groß Nach- sinnen, einem flugs einfällt.
3. Grundsatz.
§ 11. Bey der Reimschmiederey hat man vollkommene Freyheit, so gut zu reimen, als der poetische Amboß und Schmiede-Hammer den Reim heraustreiben kann.
1. Anmerkung.
§ 12. Die gekünstelte Poesie will alle Rei- me nach genauem Sylben-Maasse, Abschnitt, Cesur, Scansion, Füßen und Construction, oder richtiger Wortfügung, abgemessen haben; aber die Reimschmiede-Kunst nimmt sich mehr Freyheit heraus. Man darf ganze Sylben ver- schlucken; braucht die pedes nicht zu zehlen; die Cesur mag fallen, wie sie will: der Reim- schmied fällt nie aus dem Gleise; die Constru- ction mag verworfen werden, wie sie will: es schadet nichts. Die Hans-Sachsen-Poesie ist also der menschlichen Natur conformer, wel- che die Freyheit und Ungebundenheit mehr lie- bet, als so genaue Einschränkungen.
2. An-
B 3
nach mathematiſcher Lehr-Art.
3. Zuſatz.
§ 10. Wenn aber entweder der Reim ſchon vorhanden iſt, ehe noch der Gedanke veſtgeſetzet worden; oder aber der Begriff im Kopfe zwar ausgehecket, aber ſich nicht recht in Reime will ausdruͤcken laſſen: heißt ſolches das Schwere in der Reimſchmiederey und kriechenden Poeſie; das Leichte aber, wenn beydes, ohne groß Nach- ſinnen, einem flugs einfaͤllt.
3. Grundſatz.
§ 11. Bey der Reimſchmiederey hat man vollkommene Freyheit, ſo gut zu reimen, als der poetiſche Amboß und Schmiede-Hammer den Reim heraustreiben kann.
1. Anmerkung.
§ 12. Die gekuͤnſtelte Poeſie will alle Rei- me nach genauem Sylben-Maaſſe, Abſchnitt, Ceſur, Scanſion, Fuͤßen und Conſtruction, oder richtiger Wortfuͤgung, abgemeſſen haben; aber die Reimſchmiede-Kunſt nimmt ſich mehr Freyheit heraus. Man darf ganze Sylben ver- ſchlucken; braucht die pedes nicht zu zehlen; die Ceſur mag fallen, wie ſie will: der Reim- ſchmied faͤllt nie aus dem Gleiſe; die Conſtru- ction mag verworfen werden, wie ſie will: es ſchadet nichts. Die Hans-Sachſen-Poeſie iſt alſo der menſchlichen Natur conformer, wel- che die Freyheit und Ungebundenheit mehr lie- bet, als ſo genaue Einſchraͤnkungen.
2. An-
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nach mathematiſcher Lehr-Art.
3. Zuſatz.
§ 10. Wenn aber entweder der Reim ſchon
vorhanden iſt, ehe noch der Gedanke veſtgeſetzet
worden; oder aber der Begriff im Kopfe zwar
ausgehecket, aber ſich nicht recht in Reime will
ausdruͤcken laſſen: heißt ſolches das Schwere
in der Reimſchmiederey und kriechenden Poeſie;
das Leichte aber, wenn beydes, ohne groß Nach-
ſinnen, einem flugs einfaͤllt.
3. Grundſatz.
§ 11. Bey der Reimſchmiederey hat man
vollkommene Freyheit, ſo gut zu reimen, als
der poetiſche Amboß und Schmiede-Hammer
den Reim heraustreiben kann.
1. Anmerkung.
§ 12. Die gekuͤnſtelte Poeſie will alle Rei-
me nach genauem Sylben-Maaſſe, Abſchnitt,
Ceſur, Scanſion, Fuͤßen und Conſtruction,
oder richtiger Wortfuͤgung, abgemeſſen haben;
aber die Reimſchmiede-Kunſt nimmt ſich mehr
Freyheit heraus. Man darf ganze Sylben ver-
ſchlucken; braucht die pedes nicht zu zehlen;
die Ceſur mag fallen, wie ſie will: der Reim-
ſchmied faͤllt nie aus dem Gleiſe; die Conſtru-
ction mag verworfen werden, wie ſie will: es
ſchadet nichts. Die Hans-Sachſen-Poeſie iſt
alſo der menſchlichen Natur conformer, wel-
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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/29>, abgerufen am 03.03.2025.
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