Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.I. Eine zerfahrne Eyer-Suppe. Erstes Couvert. Eine zerfahrne Eyer-Suppe. Da ich, bereits vor mehrern Jahren, bey ei- Daß aber die Gelehrten, gleich uns, vom dazu
I. Eine zerfahrne Eyer-Suppe. Erſtes Couvert. Eine zerfahrne Eyer-Suppe. Da ich, bereits vor mehrern Jahren, bey ei- Daß aber die Gelehrten, gleich uns, vom dazu
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I. Eine zerfahrne Eyer-Suppe.
Erſtes Couvert.
Eine zerfahrne Eyer-Suppe.
Da ich, bereits vor mehrern Jahren, bey ei-
nem gewiſſen großen Koͤnige als Mund-
Koch geſtanden: So hoffe, einigermaßen im
Stande zu ſeyn, vom guten Geſchmacke ur-
theilen zu koͤnnen. Jch habe drey Haupt-Oer-
ter bemerket, wo ſich der gute Geſchmack aͤuſ-
ſert. Bey den Tafeln großer Herren; denn
da muͤſſen alle Geſpraͤche ſehr fein herauskom-
men, damit nicht denen hohen Gaͤſten der Ap-
petit verderbet werde. Ferner in den Cabinet-
tern vornehmer Miniſter; denn wenn der hohe
Miniſter auf der Serviette ſpeiſet, muß ſich der
gemeine Geſchmack ganz entfernen. Endlich
ſind die oͤffentlichen Speiſe-Haͤuſer, Coffee-
Haͤuſer, Opern-Haͤuſer und große Joachims-
Thaͤler der Sammel-Platz, wo Leute von gu-
tem Geſchmacke zuſammen zu kommen pflegen.
Daß aber die Gelehrten, gleich uns, vom
guten Geſchmacke auch reden wollen, haben
ſie bloß uns Koͤchen abgeborget. Denn wir
ſind ohnſtreitig Leute von dem allerfeinſten Ge-
ſchmacke. Doch ſind wir nicht ſo albern, daß
wir den guten Geſchmack, den wir in der Kuͤ-
che lernen muͤſſen, ſollten in einem Tempel ſu-
chen. Gleichwol iſt ein neuer gelehrter Mar-
ketenter aufgeſtanden, der hat einen eigenen
Tempel erfunden, wo man den guten Geſchmack
lernen ſoll. Jch zweifle, daß ſich die Tempel
dazu
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