Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Dreyßig Fragestücke Oden aber die jambischen. Aber es trifft nichtzu; man kann freudige trochäische Oden und traurige jambische Oden machen, nachdem die Umstände vorfallen. 1) Probe einer traurigen jambischen Ode: Jch armer Hahnrey sitze nun! O hätte ich niemals gefreyet! Was soll ich nun im Alter thun, Weil man mir in die Ohren schreyet: Jch solle doch die Hörner decken, Man könne sie am Haupte sehn! Ach! wüßt ich solche zu verstecken! Jch muß zu einem Doctor gehn. Mich deucht, dieser Anfang einer Ode klingt 2) Probe einer freudigen, lustigen und aufgeweckten trochäischen Ode: O ihr alten schönen Thaler, Seyd willkommen, seyd geküßt! Mein alt Weibgen ist der Zahler. Ja, wenn die Runkunkel wüßt, Wie ich sie nur bloß gefreyet, Daß ich ihre Thaler hätt; Glaub ich, daß sie mich anspeyet, Und scheidt sich vom Tisch und Bett. Jch glaube nicht, daß etwas trauriges in die- 15. Frage. Schicken sich dactylische Verse nicht zu Oden; oder darf man nicht wenigstens in einer Ode
Dreyßig Frageſtuͤcke Oden aber die jambiſchen. Aber es trifft nichtzu; man kann freudige trochaͤiſche Oden und traurige jambiſche Oden machen, nachdem die Umſtaͤnde vorfallen. 1) Probe einer traurigen jambiſchen Ode: Jch armer Hahnrey ſitze nun! O haͤtte ich niemals gefreyet! Was ſoll ich nun im Alter thun, Weil man mir in die Ohren ſchreyet: Jch ſolle doch die Hoͤrner decken, Man koͤnne ſie am Haupte ſehn! Ach! wuͤßt ich ſolche zu verſtecken! Jch muß zu einem Doctor gehn. Mich deucht, dieſer Anfang einer Ode klingt 2) Probe einer freudigen, luſtigen und aufgeweckten trochaͤiſchen Ode: O ihr alten ſchoͤnen Thaler, Seyd willkommen, ſeyd gekuͤßt! Mein alt Weibgen iſt der Zahler. Ja, wenn die Runkunkel wuͤßt, Wie ich ſie nur bloß gefreyet, Daß ich ihre Thaler haͤtt; Glaub ich, daß ſie mich anſpeyet, Und ſcheidt ſich vom Tiſch und Bett. Jch glaube nicht, daß etwas trauriges in die- 15. Frage. Schicken ſich dactyliſche Verſe nicht zu Oden; oder darf man nicht wenigſtens in einer Ode
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Dreyßig Frageſtuͤcke
Oden aber die jambiſchen. Aber es trifft nicht
zu; man kann freudige trochaͤiſche Oden und
traurige jambiſche Oden machen, nachdem die
Umſtaͤnde vorfallen.
1) Probe einer traurigen jambiſchen Ode:
Jch armer Hahnrey ſitze nun!
O haͤtte ich niemals gefreyet!
Was ſoll ich nun im Alter thun,
Weil man mir in die Ohren ſchreyet:
Jch ſolle doch die Hoͤrner decken,
Man koͤnne ſie am Haupte ſehn!
Ach! wuͤßt ich ſolche zu verſtecken!
Jch muß zu einem Doctor gehn.
Mich deucht, dieſer Anfang einer Ode klingt
traurig genug, und ſollte ganz beweglich klin-
gen, wenn Traverſen dazu geſpielt wuͤrden.
2) Probe einer freudigen, luſtigen und
aufgeweckten trochaͤiſchen Ode:
O ihr alten ſchoͤnen Thaler,
Seyd willkommen, ſeyd gekuͤßt!
Mein alt Weibgen iſt der Zahler.
Ja, wenn die Runkunkel wuͤßt,
Wie ich ſie nur bloß gefreyet,
Daß ich ihre Thaler haͤtt;
Glaub ich, daß ſie mich anſpeyet,
Und ſcheidt ſich vom Tiſch und Bett.
Jch glaube nicht, daß etwas trauriges in die-
ſer Ode ſey, es muͤßte ſie denn des Poeten al-
tes Weib ohngefehr zu Geſichte kriegen, oder
abſingen hoͤren; ich glaube aber, ſie wuͤrde eher
daruͤber raſend, als traurig, werden.
15. Frage.
Schicken ſich dactyliſche Verſe nicht zu Oden;
oder darf man nicht wenigſtens in einer
Ode
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