[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.§. 58. Aberglauben und Abgötterey. Aber er kannte auch den Geist der Pfafheit *) -- *) Anmerkung. Muß ich hier widerrufen?
Verzeihet! ich werde bald müde. Ao. 1520- 30 machte man wenige Komplimente mit dem Aberglauben und die ihn begünstigenden See- lenstimmung, und ihn nährenden Form des Gottesdiensts. Der Misbrauch der bürgerli- chen Gewalt heißt in der Volkssprache Tiran- ney, und die Näherung der Seelenstimmung zu diesem Misbrauch tirannischer Sinn. -- Aber in der Volkssprache ist kein Ausdruck, den Misbrauch der kirchlichen Gewalt, und die Näherung der Seelenstimmung zu diesem Mis- brauch zu bezeichnen. -- Merk dirs Volk! du hast kein Wort in deiner Sprache, den Unwillen gegen die Bande der Seelen und die Knecht- schaft des Geistes auszudrücken, wie du deinen Unwillen gegen den Misbrauch der bürgerli- chen Gewalt ausdrückst -- und nimm, wenn du kein bessers weißest, die Wörter Pfafheit und Pfaffensinn in deine Sprache auf, wie du die Worte Tiranney und Tirannen Sinn darin aufgenommen -- dieß ist meine Entschuldi- gung. -- Fodert ihr mehr Schonung als Für- sten -- so redet! Gott braucht keine Scho- §. 58. Aberglauben und Abgoͤtterey. Aber er kannte auch den Geiſt der Pfafheit *) — *) Anmerkung. Muß ich hier widerrufen?
Verzeihet! ich werde bald muͤde. Ao. 1520- 30 machte man wenige Komplimente mit dem Aberglauben und die ihn beguͤnſtigenden See- lenſtimmung, und ihn naͤhrenden Form des Gottesdienſts. Der Misbrauch der buͤrgerli- chen Gewalt heißt in der Volksſprache Tiran- ney, und die Naͤherung der Seelenſtimmung zu dieſem Misbrauch tiranniſcher Sinn. — Aber in der Volksſprache iſt kein Ausdruck, den Misbrauch der kirchlichen Gewalt, und die Naͤherung der Seelenſtimmung zu dieſem Mis- brauch zu bezeichnen. — Merk dirs Volk! du haſt kein Wort in deiner Sprache, den Unwillen gegen die Bande der Seelen und die Knecht- ſchaft des Geiſtes auszudruͤcken, wie du deinen Unwillen gegen den Misbrauch der buͤrgerli- chen Gewalt ausdruͤckſt — und nimm, wenn du kein beſſers weißeſt, die Woͤrter Pfafheit und Pfaffenſinn in deine Sprache auf, wie du die Worte Tiranney und Tirannen Sinn darin aufgenommen — dieß iſt meine Entſchuldi- gung. — Fodert ihr mehr Schonung als Fuͤr- ſten — ſo redet! Gott braucht keine Scho- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0348" n="330"/> <div n="1"> <head>§. 58.<lb/> Aberglauben und Abgoͤtterey.</head><lb/> <p><hi rendition="#in">A</hi>ber er kannte auch den Geiſt der Pfafheit <note xml:id="seg2pn_5_1" next="#seg2pn_5_2" place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. Muß ich hier widerrufen?<lb/> Verzeihet! ich werde bald muͤde. Ao. 1520-<lb/> 30 machte man wenige Komplimente mit dem<lb/> Aberglauben und die ihn beguͤnſtigenden See-<lb/> lenſtimmung, und ihn naͤhrenden Form des<lb/> Gottesdienſts. Der Misbrauch der buͤrgerli-<lb/> chen Gewalt heißt in der Volksſprache Tiran-<lb/> ney, und die Naͤherung der Seelenſtimmung<lb/> zu dieſem Misbrauch tiranniſcher Sinn. —<lb/> Aber in der Volksſprache iſt kein Ausdruck, den<lb/> Misbrauch der kirchlichen Gewalt, und die<lb/> Naͤherung der Seelenſtimmung zu dieſem Mis-<lb/> brauch zu bezeichnen. — Merk dirs Volk! du<lb/> haſt kein Wort in deiner Sprache, den Unwillen<lb/> gegen die Bande der Seelen und die Knecht-<lb/> ſchaft des Geiſtes auszudruͤcken, wie du deinen<lb/> Unwillen gegen den Misbrauch der buͤrgerli-<lb/> chen Gewalt ausdruͤckſt — und nimm, wenn<lb/> du kein beſſers weißeſt, die Woͤrter Pfafheit<lb/> und Pfaffenſinn in deine Sprache auf, wie du<lb/> die Worte Tiranney und Tirannen Sinn darin<lb/> aufgenommen — dieß iſt meine Entſchuldi-<lb/> gung. — Fodert ihr mehr Schonung als Fuͤr-<lb/> ſten — ſo redet! Gott braucht keine Scho-</note> —<lb/> und namenloſe Dienerin des Aberglaubens; er<lb/> achtete dich nicht als waͤreſt du Gott —!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [330/0348]
§. 58.
Aberglauben und Abgoͤtterey.
Aber er kannte auch den Geiſt der Pfafheit *) —
und namenloſe Dienerin des Aberglaubens; er
achtete dich nicht als waͤreſt du Gott —!
*) Anmerkung. Muß ich hier widerrufen?
Verzeihet! ich werde bald muͤde. Ao. 1520-
30 machte man wenige Komplimente mit dem
Aberglauben und die ihn beguͤnſtigenden See-
lenſtimmung, und ihn naͤhrenden Form des
Gottesdienſts. Der Misbrauch der buͤrgerli-
chen Gewalt heißt in der Volksſprache Tiran-
ney, und die Naͤherung der Seelenſtimmung
zu dieſem Misbrauch tiranniſcher Sinn. —
Aber in der Volksſprache iſt kein Ausdruck, den
Misbrauch der kirchlichen Gewalt, und die
Naͤherung der Seelenſtimmung zu dieſem Mis-
brauch zu bezeichnen. — Merk dirs Volk! du
haſt kein Wort in deiner Sprache, den Unwillen
gegen die Bande der Seelen und die Knecht-
ſchaft des Geiſtes auszudruͤcken, wie du deinen
Unwillen gegen den Misbrauch der buͤrgerli-
chen Gewalt ausdruͤckſt — und nimm, wenn
du kein beſſers weißeſt, die Woͤrter Pfafheit
und Pfaffenſinn in deine Sprache auf, wie du
die Worte Tiranney und Tirannen Sinn darin
aufgenommen — dieß iſt meine Entſchuldi-
gung. — Fodert ihr mehr Schonung als Fuͤr-
ſten — ſo redet! Gott braucht keine Scho-
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Zitationshilfe: | [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/348>, abgerufen am 23.02.2025. |