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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Ein anders Gesezbuch zu machen, dachte er
wohl, aber die es konnten, sagten, sie können es
nicht; und die, so es nicht konnten, wollten es
machen, aber er sah, daß sie es nicht konnten.

Das war seine Lage. Er sah im Allgemeinen
wohl, wo er hindenken sollte, aber er irrte sich
Stück für Stück in den Mitteln, und kam endlich
dahin, wo viele Menschen in ähnlichen Fällen hin-
kommen, zu glauben, es sey unmöglich zu seinem
Ziel zu gelangen.



§. 39.
Grundsätze des Dickhalses, der dem Teu-
fel in der Lavaterischen Physiognomik
gleich sieht.

In dieser Lag und in dieser Stimmung war er,
als er mit Helidor Bekanntschaft machte, und sich
an ihm irrte. Zeitvertreib und Zerstreuung waren
ihm wieder körperliche Bedürfnisse geworden, und
die unerschöpfliche Kunst des Manns, jeden Spiegel
umzukehren, der etwas unangenehmes darstell-
te, und jeden Gedanken wegzubannen, den er
weg wünschte, der Anschein eines unerschütter-
ten Muths, und seine Kunst immer zu lachen

Ein anders Geſezbuch zu machen, dachte er
wohl, aber die es konnten, ſagten, ſie koͤnnen es
nicht; und die, ſo es nicht konnten, wollten es
machen, aber er ſah, daß ſie es nicht konnten.

Das war ſeine Lage. Er ſah im Allgemeinen
wohl, wo er hindenken ſollte, aber er irrte ſich
Stuͤck fuͤr Stuͤck in den Mitteln, und kam endlich
dahin, wo viele Menſchen in aͤhnlichen Faͤllen hin-
kommen, zu glauben, es ſey unmoͤglich zu ſeinem
Ziel zu gelangen.



§. 39.
Grundſaͤtze des Dickhalſes, der dem Teu-
fel in der Lavateriſchen Phyſiognomik
gleich ſieht.

In dieſer Lag und in dieſer Stimmung war er,
als er mit Helidor Bekanntſchaft machte, und ſich
an ihm irrte. Zeitvertreib und Zerſtreuung waren
ihm wieder koͤrperliche Beduͤrfniſſe geworden, und
die unerſchoͤpfliche Kunſt des Manns, jeden Spiegel
umzukehren, der etwas unangenehmes darſtell-
te, und jeden Gedanken wegzubannen, den er
weg wuͤnſchte, der Anſchein eines unerſchuͤtter-
ten Muths, und ſeine Kunſt immer zu lachen

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[157/0175] Ein anders Geſezbuch zu machen, dachte er wohl, aber die es konnten, ſagten, ſie koͤnnen es nicht; und die, ſo es nicht konnten, wollten es machen, aber er ſah, daß ſie es nicht konnten. Das war ſeine Lage. Er ſah im Allgemeinen wohl, wo er hindenken ſollte, aber er irrte ſich Stuͤck fuͤr Stuͤck in den Mitteln, und kam endlich dahin, wo viele Menſchen in aͤhnlichen Faͤllen hin- kommen, zu glauben, es ſey unmoͤglich zu ſeinem Ziel zu gelangen. §. 39. Grundſaͤtze des Dickhalſes, der dem Teu- fel in der Lavateriſchen Phyſiognomik gleich ſieht. In dieſer Lag und in dieſer Stimmung war er, als er mit Helidor Bekanntſchaft machte, und ſich an ihm irrte. Zeitvertreib und Zerſtreuung waren ihm wieder koͤrperliche Beduͤrfniſſe geworden, und die unerſchoͤpfliche Kunſt des Manns, jeden Spiegel umzukehren, der etwas unangenehmes darſtell- te, und jeden Gedanken wegzubannen, den er weg wuͤnſchte, der Anſchein eines unerſchuͤtter- ten Muths, und ſeine Kunſt immer zu lachen

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/175>, abgerufen am 21.11.2024.