Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

haus geht und Saufschulden hat, wie du eins
hast.

Behüt mich Gott vor dem, daß ich so ein
Kind habe; aber du hast einmal so eins, sagte
die Hügin.

Und die Lindenbergerin, ha -- ich komm
einmal eben jezt von deinem weg, das da-
heim am Ofen steht und mich gebetten hat
ich solle dir sagen, daß es am Freytag unter
die Linde müsse.

Ae mein Gott, sagte die Hügin, und zeigte
mit der Hand gegen den Ofen; den Augenblik
steht deines da zu, und bittet mich, daß ich es
dir sage.

So kamen die zwey Schwestern fast bis
zum Zanken, ehe sie merkten, daß sie beyde wie
gute Mütter ob ihren Kindern verirret. --

Aber ich kan nicht alles erzählen; es gab
fast in allen Häuseren dergleichen Auftritt,
ob der armen Rechnung, die der Pfarrer am
Sonntag in der Mittagspredigt verlesen müs-
sen.

§. 6.
Ueberzeugung und Muthwillen in einem
Mund...

Es war nur Schad um seine Morgenpre-
digt, die man ob diesem Mittagszedel

haus geht und Saufſchulden hat, wie du eins
haſt.

Behuͤt mich Gott vor dem, daß ich ſo ein
Kind habe; aber du haſt einmal ſo eins, ſagte
die Huͤgin.

Und die Lindenbergerin, ha — ich komm
einmal eben jezt von deinem weg, das da-
heim am Ofen ſteht und mich gebetten hat
ich ſolle dir ſagen, daß es am Freytag unter
die Linde muͤſſe.

Ae mein Gott, ſagte die Huͤgin, und zeigte
mit der Hand gegen den Ofen; den Augenblik
ſteht deines da zu, und bittet mich, daß ich es
dir ſage.

So kamen die zwey Schweſtern faſt bis
zum Zanken, ehe ſie merkten, daß ſie beyde wie
gute Muͤtter ob ihren Kindern verirret. —

Aber ich kan nicht alles erzaͤhlen; es gab
faſt in allen Haͤuſeren dergleichen Auftritt,
ob der armen Rechnung, die der Pfarrer am
Sonntag in der Mittagspredigt verleſen muͤſ-
ſen.

§. 6.
Ueberzeugung und Muthwillen in einem
Mund…

Es war nur Schad um ſeine Morgenpre-
digt, die man ob dieſem Mittagszedel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="25"/>
haus geht und Sauf&#x017F;chulden hat, wie du eins<lb/>
ha&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Behu&#x0364;t mich Gott vor dem, daß ich &#x017F;o ein<lb/>
Kind habe; aber du ha&#x017F;t einmal &#x017F;o eins, &#x017F;agte<lb/>
die Hu&#x0364;gin.</p><lb/>
        <p>Und die Lindenbergerin, ha &#x2014; ich komm<lb/>
einmal eben jezt von deinem weg, das da-<lb/>
heim am Ofen &#x017F;teht und mich gebetten hat<lb/>
ich &#x017F;olle dir &#x017F;agen, daß es am Freytag unter<lb/>
die Linde mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Ae mein Gott, &#x017F;agte die Hu&#x0364;gin, und zeigte<lb/>
mit der Hand gegen den Ofen; den Augenblik<lb/>
&#x017F;teht deines da zu, und bittet mich, daß ich es<lb/>
dir &#x017F;age.</p><lb/>
        <p>So kamen die zwey Schwe&#x017F;tern fa&#x017F;t bis<lb/>
zum Zanken, ehe &#x017F;ie merkten, daß &#x017F;ie beyde wie<lb/>
gute Mu&#x0364;tter ob ihren Kindern verirret. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Aber ich kan nicht alles erza&#x0364;hlen; es gab<lb/>
fa&#x017F;t in allen Ha&#x0364;u&#x017F;eren dergleichen Auftritt,<lb/>
ob der armen Rechnung, die der Pfarrer am<lb/>
Sonntag in der Mittagspredigt verle&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 6.<lb/>
Ueberzeugung und Muthwillen in einem<lb/>
Mund&#x2026;</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s war nur Schad um &#x017F;eine Morgenpre-<lb/>
digt, die man ob die&#x017F;em Mittagszedel<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0047] haus geht und Saufſchulden hat, wie du eins haſt. Behuͤt mich Gott vor dem, daß ich ſo ein Kind habe; aber du haſt einmal ſo eins, ſagte die Huͤgin. Und die Lindenbergerin, ha — ich komm einmal eben jezt von deinem weg, das da- heim am Ofen ſteht und mich gebetten hat ich ſolle dir ſagen, daß es am Freytag unter die Linde muͤſſe. Ae mein Gott, ſagte die Huͤgin, und zeigte mit der Hand gegen den Ofen; den Augenblik ſteht deines da zu, und bittet mich, daß ich es dir ſage. So kamen die zwey Schweſtern faſt bis zum Zanken, ehe ſie merkten, daß ſie beyde wie gute Muͤtter ob ihren Kindern verirret. — Aber ich kan nicht alles erzaͤhlen; es gab faſt in allen Haͤuſeren dergleichen Auftritt, ob der armen Rechnung, die der Pfarrer am Sonntag in der Mittagspredigt verleſen muͤſ- ſen. §. 6. Ueberzeugung und Muthwillen in einem Mund… Es war nur Schad um ſeine Morgenpre- digt, die man ob dieſem Mittagszedel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/47
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/47>, abgerufen am 21.11.2024.