Das ist das Kind, das so unter dem Bir- baum staunte, und nichts hörte, als die drey Weiber ihns zur Königin machten.
Die Reinoldin sprang hinten an ihns zu, schlug ihns mit beyden Händen auf die Achsel und sagte ihm, ins Ohr: du bists. --
Es erschrak, kehrte sich feuerroth um, und wußte, nicht was sie wollte, bis es sich erholete. -- Da umringte ihns alles, alles both ihm die Hand, und freute sich, daß es es seye. Da schossen ihm Thränen in die Augen, denn seit dem sein Vater tod ist, dachte es nie mehr in seinem Herzen, die Menschen sind gut; es dachte nur immer, der Vater war gut, und flohe die Menschen. -- Jezt dachte es wie- der, die Menschen sind gut, und Thränen schossen ihm in die Augen.
Da nahm ihns die Reinoldin bey der Hand, und sagte, komm'jezt, ich will dich jezt rüsten, wie eine Braut, und dich einen Spruch lehren wie ein Pfarrer.
Aber als sie ihm daheim das Gotten-Schäp- peli (ein breiter grosser Bauernkranz) auf den Kopf legen, und ein ganz weisses Kleid anzie- hen wollte, bat das Kind, sie solle doch das
O 3
§. 47. Noch einmal das Kind des Erhenkten.
Das iſt das Kind, das ſo unter dem Bir- baum ſtaunte, und nichts hoͤrte, als die drey Weiber ihns zur Koͤnigin machten.
Die Reinoldin ſprang hinten an ihns zu, ſchlug ihns mit beyden Haͤnden auf die Achſel und ſagte ihm, ins Ohr: du biſts. —
Es erſchrak, kehrte ſich feuerroth um, und wußte, nicht was ſie wollte, bis es ſich erholete. — Da umringte ihns alles, alles both ihm die Hand, und freute ſich, daß es es ſeye. Da ſchoſſen ihm Thraͤnen in die Augen, denn ſeit dem ſein Vater tod iſt, dachte es nie mehr in ſeinem Herzen, die Menſchen ſind gut; es dachte nur immer, der Vater war gut, und flohe die Menſchen. — Jezt dachte es wie- der, die Menſchen ſind gut, und Thraͤnen ſchoſſen ihm in die Augen.
Da nahm ihns die Reinoldin bey der Hand, und ſagte, komm’jezt, ich will dich jezt ruͤſten, wie eine Braut, und dich einen Spruch lehren wie ein Pfarrer.
Aber als ſie ihm daheim das Gotten-Schaͤp- peli (ein breiter groſſer Bauernkranz) auf den Kopf legen, und ein ganz weiſſes Kleid anzie- hen wollte, bat das Kind, ſie ſolle doch das
O 3
<TEI><text><body><pbfacs="#f0235"n="213"/><divn="1"><head>§. 47.<lb/>
Noch einmal das Kind des Erhenkten.</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>as iſt das Kind, das ſo unter dem Bir-<lb/>
baum ſtaunte, und nichts hoͤrte, als<lb/>
die drey Weiber ihns zur Koͤnigin machten.</p><lb/><p>Die Reinoldin ſprang hinten an ihns zu,<lb/>ſchlug ihns mit beyden Haͤnden auf die Achſel<lb/>
und ſagte ihm, ins Ohr: du biſts. —</p><lb/><p>Es erſchrak, kehrte ſich feuerroth um, und<lb/>
wußte, nicht was ſie wollte, bis es ſich erholete.<lb/>— Da umringte ihns alles, alles both ihm<lb/>
die Hand, und freute ſich, daß es es ſeye.<lb/>
Da ſchoſſen ihm Thraͤnen in die Augen, denn<lb/>ſeit dem ſein Vater tod iſt, dachte es nie mehr<lb/>
in ſeinem Herzen, die Menſchen ſind gut; es<lb/>
dachte nur immer, der Vater war gut, und<lb/>
flohe die Menſchen. — Jezt dachte es wie-<lb/>
der, die Menſchen ſind gut, und Thraͤnen<lb/>ſchoſſen ihm in die Augen.</p><lb/><p>Da nahm ihns die Reinoldin bey der Hand,<lb/>
und ſagte, komm’jezt, ich will dich jezt ruͤſten,<lb/>
wie eine Braut, und dich einen Spruch lehren<lb/>
wie ein Pfarrer.</p><lb/><p>Aber als ſie ihm daheim das Gotten-Schaͤp-<lb/>
peli (ein breiter groſſer Bauernkranz) auf den<lb/>
Kopf legen, und ein ganz weiſſes Kleid anzie-<lb/>
hen wollte, bat das Kind, ſie ſolle doch das<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 3</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[213/0235]
§. 47.
Noch einmal das Kind des Erhenkten.
Das iſt das Kind, das ſo unter dem Bir-
baum ſtaunte, und nichts hoͤrte, als
die drey Weiber ihns zur Koͤnigin machten.
Die Reinoldin ſprang hinten an ihns zu,
ſchlug ihns mit beyden Haͤnden auf die Achſel
und ſagte ihm, ins Ohr: du biſts. —
Es erſchrak, kehrte ſich feuerroth um, und
wußte, nicht was ſie wollte, bis es ſich erholete.
— Da umringte ihns alles, alles both ihm
die Hand, und freute ſich, daß es es ſeye.
Da ſchoſſen ihm Thraͤnen in die Augen, denn
ſeit dem ſein Vater tod iſt, dachte es nie mehr
in ſeinem Herzen, die Menſchen ſind gut; es
dachte nur immer, der Vater war gut, und
flohe die Menſchen. — Jezt dachte es wie-
der, die Menſchen ſind gut, und Thraͤnen
ſchoſſen ihm in die Augen.
Da nahm ihns die Reinoldin bey der Hand,
und ſagte, komm’jezt, ich will dich jezt ruͤſten,
wie eine Braut, und dich einen Spruch lehren
wie ein Pfarrer.
Aber als ſie ihm daheim das Gotten-Schaͤp-
peli (ein breiter groſſer Bauernkranz) auf den
Kopf legen, und ein ganz weiſſes Kleid anzie-
hen wollte, bat das Kind, ſie ſolle doch das
O 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/235>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.