Meyerin, sie soll doch noch einen Augenblik zu ihr kommen, ihr Bruder habe etwas noth- wendiges mit ihr zu reden.
Die aber ließ ihr antworten, sie merke gar wohl, was dieses Nothwendige seye, aber sie wolle weder heut noch morn und auch in ein paar Wochen nichts davon hören, und bleibe bey dem was sie ihr schon gesagt.
Jezt wars aus. Die Vögtin sah, daß sie nichts weiters machen könnte, aber sie hängte doch das Maul, der Vogt hingegen zog es herauf, denn er war froh, daß er heute und morgen und vielleicht gar ein paar Wochen dieser Sach seiner Frauen halber Ruh, oder wie er sich ausdrükte, Galgenfrist habe.
§. 45. Folgen der Armuth, -- und die Un- gleichheit drey gleich guter Weiber.
Das war des Vogts Leben an diesem Tag; die Spinnerkinder hatten ein fröhliche- res.
Am Morgen ehe noch der Junker dem Wei- bel den Rodel gab, ob dem er seine Tasse Caf- fee verschüttet, und seinen Kopf verlohren, rieffen sie ihren Müttern aus dem Bett, daß sie doch aufstehen, sie auf ihren Zug zurüsten.
Meyerin, ſie ſoll doch noch einen Augenblik zu ihr kommen, ihr Bruder habe etwas noth- wendiges mit ihr zu reden.
Die aber ließ ihr antworten, ſie merke gar wohl, was dieſes Nothwendige ſeye, aber ſie wolle weder heut noch morn und auch in ein paar Wochen nichts davon hoͤren, und bleibe bey dem was ſie ihr ſchon geſagt.
Jezt wars aus. Die Voͤgtin ſah, daß ſie nichts weiters machen koͤnnte, aber ſie haͤngte doch das Maul, der Vogt hingegen zog es herauf, denn er war froh, daß er heute und morgen und vielleicht gar ein paar Wochen dieſer Sach ſeiner Frauen halber Ruh, oder wie er ſich ausdruͤkte, Galgenfriſt habe.
§. 45. Folgen der Armuth, — und die Un- gleichheit drey gleich guter Weiber.
Das war des Vogts Leben an dieſem Tag; die Spinnerkinder hatten ein froͤhliche- res.
Am Morgen ehe noch der Junker dem Wei- bel den Rodel gab, ob dem er ſeine Taſſe Caf- fee verſchuͤttet, und ſeinen Kopf verlohren, rieffen ſie ihren Muͤttern aus dem Bett, daß ſie doch aufſtehen, ſie auf ihren Zug zuruͤſten.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0225"n="203"/>
Meyerin, ſie ſoll doch noch einen Augenblik zu<lb/>
ihr kommen, ihr Bruder habe etwas noth-<lb/>
wendiges mit ihr zu reden.</p><lb/><p>Die aber ließ ihr antworten, ſie merke gar<lb/>
wohl, was dieſes Nothwendige ſeye, aber ſie<lb/>
wolle weder heut noch morn und auch in ein<lb/>
paar Wochen nichts davon hoͤren, und bleibe<lb/>
bey dem was ſie ihr ſchon geſagt.</p><lb/><p>Jezt wars aus. Die Voͤgtin ſah, daß ſie<lb/>
nichts weiters machen koͤnnte, aber ſie haͤngte<lb/>
doch das Maul, der Vogt hingegen zog es<lb/>
herauf, denn er war froh, daß er heute und<lb/>
morgen und vielleicht gar ein paar Wochen<lb/>
dieſer Sach ſeiner Frauen halber Ruh, oder<lb/>
wie er ſich ausdruͤkte, Galgenfriſt habe.</p></div><lb/><divn="1"><head>§. 45.<lb/>
Folgen der Armuth, — und die Un-<lb/>
gleichheit drey gleich guter Weiber.</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>as war des Vogts Leben an dieſem Tag;<lb/>
die Spinnerkinder hatten ein froͤhliche-<lb/>
res.</p><lb/><p>Am Morgen ehe noch der Junker dem Wei-<lb/>
bel den Rodel gab, ob dem er ſeine Taſſe Caf-<lb/>
fee verſchuͤttet, und ſeinen Kopf verlohren,<lb/>
rieffen ſie ihren Muͤttern aus dem Bett, daß<lb/>ſie doch aufſtehen, ſie auf ihren Zug zuruͤſten.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[203/0225]
Meyerin, ſie ſoll doch noch einen Augenblik zu
ihr kommen, ihr Bruder habe etwas noth-
wendiges mit ihr zu reden.
Die aber ließ ihr antworten, ſie merke gar
wohl, was dieſes Nothwendige ſeye, aber ſie
wolle weder heut noch morn und auch in ein
paar Wochen nichts davon hoͤren, und bleibe
bey dem was ſie ihr ſchon geſagt.
Jezt wars aus. Die Voͤgtin ſah, daß ſie
nichts weiters machen koͤnnte, aber ſie haͤngte
doch das Maul, der Vogt hingegen zog es
herauf, denn er war froh, daß er heute und
morgen und vielleicht gar ein paar Wochen
dieſer Sach ſeiner Frauen halber Ruh, oder
wie er ſich ausdruͤkte, Galgenfriſt habe.
§. 45.
Folgen der Armuth, — und die Un-
gleichheit drey gleich guter Weiber.
Das war des Vogts Leben an dieſem Tag;
die Spinnerkinder hatten ein froͤhliche-
res.
Am Morgen ehe noch der Junker dem Wei-
bel den Rodel gab, ob dem er ſeine Taſſe Caf-
fee verſchuͤttet, und ſeinen Kopf verlohren,
rieffen ſie ihren Muͤttern aus dem Bett, daß
ſie doch aufſtehen, ſie auf ihren Zug zuruͤſten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/225>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.