berger her, und wo noch ein Bein von dem Mann herstamme, so sey es ehrenvester und schamhafter als alles andere Volk im Dorf -- und die Tochter welche den Wein gereicht, und ins Vogts Buch eingeschrieben seye danu ganz unschuldig, sie habe keinen Tropfen davon getrunken, auch sage ihr Vater alle Stund zu ihr, sie müsse ihm die Schande nicht ausstehen, er seye schuldig, und er wolle unter die Linde, aber sie wolle ihn nicht lassen, und bitte ihn um tausend Gotteswillen er solle das nicht thun, -- aber sie habe dann doch vom Mor- gen bis in die Nacht feuerrothe Augen vom Schreyen.
O Gott! Wie wären diese Menschen an- derst, wenn man anderst mit ihnen umgegan- gen wäre, sagte der Junker wieder zu sich selber. -- Und auch dieser Vorfall füllte sein Herz mit Güte für diese Elende, und machte ihm eine gute Weile den Anblik erträglicher, den er unter der Linde hatte.
§. 38. Das reine landesväterliche Herz meines Manns.
Er bedaurte die Kinder am meisten, er ließ ihnen auch zuerst ruffen, damit sie aus
berger her, und wo noch ein Bein von dem Mann herſtamme, ſo ſey es ehrenveſter und ſchamhafter als alles andere Volk im Dorf — und die Tochter welche den Wein gereicht, und ins Vogts Buch eingeſchrieben ſeye danu ganz unſchuldig, ſie habe keinen Tropfen davon getrunken, auch ſage ihr Vater alle Stund zu ihr, ſie muͤſſe ihm die Schande nicht ausſtehen, er ſeye ſchuldig, und er wolle unter die Linde, aber ſie wolle ihn nicht laſſen, und bitte ihn um tauſend Gotteswillen er ſolle das nicht thun, — aber ſie habe dann doch vom Mor- gen bis in die Nacht feuerrothe Augen vom Schreyen.
O Gott! Wie waͤren dieſe Menſchen an- derſt, wenn man anderſt mit ihnen umgegan- gen waͤre, ſagte der Junker wieder zu ſich ſelber. — Und auch dieſer Vorfall fuͤllte ſein Herz mit Guͤte fuͤr dieſe Elende, und machte ihm eine gute Weile den Anblik ertraͤglicher, den er unter der Linde hatte.
§. 38. Das reine landesvaͤterliche Herz meines Manns.
Er bedaurte die Kinder am meiſten, er ließ ihnen auch zuerſt ruffen, damit ſie aus
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[171/0193]
berger her, und wo noch ein Bein von dem
Mann herſtamme, ſo ſey es ehrenveſter und
ſchamhafter als alles andere Volk im Dorf
— und die Tochter welche den Wein gereicht,
und ins Vogts Buch eingeſchrieben ſeye danu
ganz unſchuldig, ſie habe keinen Tropfen davon
getrunken, auch ſage ihr Vater alle Stund zu
ihr, ſie muͤſſe ihm die Schande nicht ausſtehen,
er ſeye ſchuldig, und er wolle unter die Linde,
aber ſie wolle ihn nicht laſſen, und bitte ihn
um tauſend Gotteswillen er ſolle das nicht
thun, — aber ſie habe dann doch vom Mor-
gen bis in die Nacht feuerrothe Augen vom
Schreyen.
O Gott! Wie waͤren dieſe Menſchen an-
derſt, wenn man anderſt mit ihnen umgegan-
gen waͤre, ſagte der Junker wieder zu ſich
ſelber. — Und auch dieſer Vorfall fuͤllte ſein
Herz mit Guͤte fuͤr dieſe Elende, und machte
ihm eine gute Weile den Anblik ertraͤglicher,
den er unter der Linde hatte.
§. 38.
Das reine landesvaͤterliche Herz meines
Manns.
Er bedaurte die Kinder am meiſten, er ließ
ihnen auch zuerſt ruffen, damit ſie aus
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/193>, abgerufen am 21.11.2024.
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