Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Wirthsrecht rauben, und den Schild in der Herr-
schaft allein aushängen. Bey Mannsgedenken ha-
ben alle Vögte gewirthet. Alle Händel giengen
durch unsere Hände. Dieser läuft jezt allenthal-
ben selbst nach, und frägelt jeden Floh aus,
wie ein Dorfschulmeister. Daher trotzet jezt jeder
Bub einem Gerichtsmann und sagt daß er selbst mit
Arner reden könne. So kömmt das Gericht um
alles Ansehn und wir sitzen und schweigen, wie
andere Schurken. Da er so an uns alle alte Lan-
desrechte kränkt und beugt.

So verdrehte der alte Schelm die guten und
weisen Thaten des edeln Herrn bey sich selbst,
schnaubte und sann auf Rache, bis er entschlief.


§. 6.
Wahrhafte Bauerngespräche.

Am Morgen aber war er frühe auf, und sang
und pfiff unter dem Fenster, auf daß man glaube,
er sey wegen dem, so gestern vorgefallen war, ganz
unbesorgt.

Aber Fritz, sein Nachbar, rief ihm über die
Gasse: Hast du schon so frühe Gäste, daß es so
lustig geht? und lächelte bey sich selbst.

Sie

Wirthsrecht rauben, und den Schild in der Herr-
ſchaft allein aushaͤngen. Bey Mannsgedenken ha-
ben alle Voͤgte gewirthet. Alle Haͤndel giengen
durch unſere Haͤnde. Dieſer laͤuft jezt allenthal-
ben ſelbſt nach, und fraͤgelt jeden Floh aus,
wie ein Dorfſchulmeiſter. Daher trotzet jezt jeder
Bub einem Gerichtsmann und ſagt daß er ſelbſt mit
Arner reden koͤnne. So koͤmmt das Gericht um
alles Anſehn und wir ſitzen und ſchweigen, wie
andere Schurken. Da er ſo an uns alle alte Lan-
desrechte kraͤnkt und beugt.

So verdrehte der alte Schelm die guten und
weiſen Thaten des edeln Herrn bey ſich ſelbſt,
ſchnaubte und ſann auf Rache, bis er entſchlief.


§. 6.
Wahrhafte Bauerngeſpraͤche.

Am Morgen aber war er fruͤhe auf, und ſang
und pfiff unter dem Fenſter, auf daß man glaube,
er ſey wegen dem, ſo geſtern vorgefallen war, ganz
unbeſorgt.

Aber Fritz, ſein Nachbar, rief ihm uͤber die
Gaſſe: Haſt du ſchon ſo fruͤhe Gaͤſte, daß es ſo
luſtig geht? und laͤchelte bey ſich ſelbſt.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0057" n="34"/>
Wirthsrecht rauben, und den Schild in der Herr-<lb/>
&#x017F;chaft allein ausha&#x0364;ngen. Bey Mannsgedenken ha-<lb/>
ben alle Vo&#x0364;gte gewirthet. Alle Ha&#x0364;ndel giengen<lb/>
durch un&#x017F;ere Ha&#x0364;nde. Die&#x017F;er la&#x0364;uft jezt allenthal-<lb/>
ben &#x017F;elb&#x017F;t nach, und fra&#x0364;gelt jeden Floh aus,<lb/>
wie ein Dorf&#x017F;chulmei&#x017F;ter. Daher trotzet jezt jeder<lb/>
Bub einem Gerichtsmann und &#x017F;agt daß er &#x017F;elb&#x017F;t mit<lb/>
Arner reden ko&#x0364;nne. So ko&#x0364;mmt das Gericht um<lb/>
alles An&#x017F;ehn und wir &#x017F;itzen und &#x017F;chweigen, wie<lb/>
andere Schurken. Da er &#x017F;o an uns alle alte Lan-<lb/>
desrechte kra&#x0364;nkt und beugt.</p><lb/>
          <p>So verdrehte der alte Schelm die guten und<lb/>
wei&#x017F;en Thaten des edeln Herrn bey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;chnaubte und &#x017F;ann auf Rache, bis er ent&#x017F;chlief.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 6.<lb/><hi rendition="#b">Wahrhafte Bauernge&#x017F;pra&#x0364;che.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">A</hi>m Morgen aber war er fru&#x0364;he auf, und &#x017F;ang<lb/>
und pfiff unter dem Fen&#x017F;ter, auf daß man glaube,<lb/>
er &#x017F;ey wegen dem, &#x017F;o ge&#x017F;tern vorgefallen war, ganz<lb/>
unbe&#x017F;orgt.</p><lb/>
          <p>Aber Fritz, &#x017F;ein Nachbar, rief ihm u&#x0364;ber die<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;e: Ha&#x017F;t du &#x017F;chon &#x017F;o fru&#x0364;he Ga&#x0364;&#x017F;te, daß es &#x017F;o<lb/>
lu&#x017F;tig geht? und la&#x0364;chelte bey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0057] Wirthsrecht rauben, und den Schild in der Herr- ſchaft allein aushaͤngen. Bey Mannsgedenken ha- ben alle Voͤgte gewirthet. Alle Haͤndel giengen durch unſere Haͤnde. Dieſer laͤuft jezt allenthal- ben ſelbſt nach, und fraͤgelt jeden Floh aus, wie ein Dorfſchulmeiſter. Daher trotzet jezt jeder Bub einem Gerichtsmann und ſagt daß er ſelbſt mit Arner reden koͤnne. So koͤmmt das Gericht um alles Anſehn und wir ſitzen und ſchweigen, wie andere Schurken. Da er ſo an uns alle alte Lan- desrechte kraͤnkt und beugt. So verdrehte der alte Schelm die guten und weiſen Thaten des edeln Herrn bey ſich ſelbſt, ſchnaubte und ſann auf Rache, bis er entſchlief. §. 6. Wahrhafte Bauerngeſpraͤche. Am Morgen aber war er fruͤhe auf, und ſang und pfiff unter dem Fenſter, auf daß man glaube, er ſey wegen dem, ſo geſtern vorgefallen war, ganz unbeſorgt. Aber Fritz, ſein Nachbar, rief ihm uͤber die Gaſſe: Haſt du ſchon ſo fruͤhe Gaͤſte, daß es ſo luſtig geht? und laͤchelte bey ſich ſelbſt. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/57
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/57>, abgerufen am 21.12.2024.