Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

der Vogt dir auch noch die Nützung deines Guts
und deine Kosten zu verguten schuldig sey.

Pfarrer. Hierüber muß ich doch, Gnädiger
Herr! dem Rudi etwas vorstellen -- der Vogt ist
in sehr klammen Umständen. -- Er ist dir freylich
die Nützung und die Kosten schuldig, Rudi!
aber ich weiß, du hast so viel Mitleiden, daß du
mit ihm nicht genau rechnen, und ihn in seinen
alten Tagen nicht ganz an Bettelstab bringen wirst.
Ich habe ihm in seinen traurigen Umständen ver-
sprochen, so viel ich könne, für ihn um Barmher-
zigkeit und um Mitleiden zu bitten, und ich muß es
also auch gegen dich thun, Rudi! Erbarme dich
seiner in seinem Elend.


§. 96.
Reine Herzensgüte eines armen Manns,
gegen seinen Feind.

Rudi. Von der Nützung ist gar nicht zu reden,
Wohlehrwürdiger Herr Pfarrer! Und wenn der
Vogt arm wird, ich will mich nicht rühme[n], aber
ich will gewiß auch thun, was recht ist.

Seht,
A a

der Vogt dir auch noch die Nuͤtzung deines Guts
und deine Koſten zu verguten ſchuldig ſey.

Pfarrer. Hieruͤber muß ich doch, Gnaͤdiger
Herr! dem Rudi etwas vorſtellen — der Vogt iſt
in ſehr klammen Umſtaͤnden. — Er iſt dir freylich
die Nuͤtzung und die Koſten ſchuldig, Rudi!
aber ich weiß, du haſt ſo viel Mitleiden, daß du
mit ihm nicht genau rechnen, und ihn in ſeinen
alten Tagen nicht ganz an Bettelſtab bringen wirſt.
Ich habe ihm in ſeinen traurigen Umſtaͤnden ver-
ſprochen, ſo viel ich koͤnne, fuͤr ihn um Barmher-
zigkeit und um Mitleiden zu bitten, und ich muß es
alſo auch gegen dich thun, Rudi! Erbarme dich
ſeiner in ſeinem Elend.


§. 96.
Reine Herzensguͤte eines armen Manns,
gegen ſeinen Feind.

Rudi. Von der Nuͤtzung iſt gar nicht zu reden,
Wohlehrwuͤrdiger Herr Pfarrer! Und wenn der
Vogt arm wird, ich will mich nicht ruͤhme[n], aber
ich will gewiß auch thun, was recht iſt.

Seht,
A a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0394" n="369"/>
der Vogt dir auch noch die Nu&#x0364;tzung deines Guts<lb/>
und deine Ko&#x017F;ten zu verguten &#x017F;chuldig &#x017F;ey.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Pfarrer.</hi> Hieru&#x0364;ber muß ich doch, Gna&#x0364;diger<lb/>
Herr! dem Rudi etwas vor&#x017F;tellen &#x2014; der Vogt i&#x017F;t<lb/>
in &#x017F;ehr klammen Um&#x017F;ta&#x0364;nden. &#x2014; Er i&#x017F;t dir freylich<lb/>
die Nu&#x0364;tzung und die Ko&#x017F;ten &#x017F;chuldig, Rudi!<lb/>
aber ich weiß, du ha&#x017F;t &#x017F;o viel Mitleiden, daß du<lb/>
mit ihm nicht genau rechnen, und ihn in &#x017F;einen<lb/>
alten Tagen nicht ganz an Bettel&#x017F;tab bringen wir&#x017F;t.<lb/>
Ich habe ihm in &#x017F;einen traurigen Um&#x017F;ta&#x0364;nden ver-<lb/>
&#x017F;prochen, &#x017F;o viel ich ko&#x0364;nne, fu&#x0364;r ihn um Barmher-<lb/>
zigkeit und um Mitleiden zu bitten, und ich muß es<lb/>
al&#x017F;o auch gegen dich thun, Rudi! Erbarme dich<lb/>
&#x017F;einer in &#x017F;einem Elend.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="2">
        <head>§. 96.<lb/><hi rendition="#b">Reine Herzensgu&#x0364;te eines armen Manns,<lb/>
gegen &#x017F;einen Feind.</hi></head><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Rudi.</hi><hi rendition="#in">V</hi>on der Nu&#x0364;tzung i&#x017F;t gar nicht zu reden,<lb/>
Wohlehrwu&#x0364;rdiger Herr Pfarrer! Und wenn der<lb/>
Vogt arm wird, ich will mich nicht ru&#x0364;hme<supplied>n</supplied>, aber<lb/>
ich will gewiß auch thun, was recht i&#x017F;t.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">A a</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Seht,</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0394] der Vogt dir auch noch die Nuͤtzung deines Guts und deine Koſten zu verguten ſchuldig ſey. Pfarrer. Hieruͤber muß ich doch, Gnaͤdiger Herr! dem Rudi etwas vorſtellen — der Vogt iſt in ſehr klammen Umſtaͤnden. — Er iſt dir freylich die Nuͤtzung und die Koſten ſchuldig, Rudi! aber ich weiß, du haſt ſo viel Mitleiden, daß du mit ihm nicht genau rechnen, und ihn in ſeinen alten Tagen nicht ganz an Bettelſtab bringen wirſt. Ich habe ihm in ſeinen traurigen Umſtaͤnden ver- ſprochen, ſo viel ich koͤnne, fuͤr ihn um Barmher- zigkeit und um Mitleiden zu bitten, und ich muß es alſo auch gegen dich thun, Rudi! Erbarme dich ſeiner in ſeinem Elend. §. 96. Reine Herzensguͤte eines armen Manns, gegen ſeinen Feind. Rudi. Von der Nuͤtzung iſt gar nicht zu reden, Wohlehrwuͤrdiger Herr Pfarrer! Und wenn der Vogt arm wird, ich will mich nicht ruͤhmen, aber ich will gewiß auch thun, was recht iſt. Seht, A a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/394
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/394>, abgerufen am 21.11.2024.