Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

So redte der Vogt mit sich selber. Das Schre-
cken war nun völlig seinem Zorn, seinem Stolz,
und seiner Brandtsflasche gewichen.

Er gieng wieder so hochmüthig und so feindse-
lig einher, als er je that.

Er nickte den Leuten auf dem Feld, die ihn
grüßten, vogtrichterlich stolz, nur so ein klein we-
nig zu. Er trug seinen knorrichten Stock so
gebieterisch hoch in der Hand, als ob er im
Land mehr zu befehlen habe, als zehn Arner; er
hängte sein Maul, wie eine alte Stutte, und mach-
te Augen so groß und so rund, man sagt bey uns,
wie ein Pflugsrädli.

So gieng der Tropf einher, zu einer Zeit, da
er so wenig Ursach hatte.


§. 58.
Wer bey ihm war.

Neben ihm gieng sein grosser Türk, ein Hund,
der auf einen Wink des Vogts die grossen weissen
Zähne gegen Jedermann zeigte; auf einen andern
aber seinen Mann auf Leib und Leben packte. Die-
ser grosse Türk, der weit und breit das Schrecken
des armen lumpigten Mannes so gut war, als sein
Meister das Schrecken aller armen gedrückten Miet-

linge

So redte der Vogt mit ſich ſelber. Das Schre-
cken war nun voͤllig ſeinem Zorn, ſeinem Stolz,
und ſeiner Brandtsflaſche gewichen.

Er gieng wieder ſo hochmuͤthig und ſo feindſe-
lig einher, als er je that.

Er nickte den Leuten auf dem Feld, die ihn
gruͤßten, vogtrichterlich ſtolz, nur ſo ein klein we-
nig zu. Er trug ſeinen knorrichten Stock ſo
gebieteriſch hoch in der Hand, als ob er im
Land mehr zu befehlen habe, als zehn Arner; er
haͤngte ſein Maul, wie eine alte Stutte, und mach-
te Augen ſo groß und ſo rund, man ſagt bey uns,
wie ein Pflugsraͤdli.

So gieng der Tropf einher, zu einer Zeit, da
er ſo wenig Urſach hatte.


§. 58.
Wer bey ihm war.

Neben ihm gieng ſein groſſer Tuͤrk, ein Hund,
der auf einen Wink des Vogts die groſſen weiſſen
Zaͤhne gegen Jedermann zeigte; auf einen andern
aber ſeinen Mann auf Leib und Leben packte. Die-
ſer groſſe Tuͤrk, der weit und breit das Schrecken
des armen lumpigten Mannes ſo gut war, als ſein
Meiſter das Schrecken aller armen gedruͤckten Miet-

linge
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0289" n="264"/>
          <p>So redte der Vogt mit &#x017F;ich &#x017F;elber. Das Schre-<lb/>
cken war nun vo&#x0364;llig &#x017F;einem Zorn, &#x017F;einem Stolz,<lb/>
und &#x017F;einer Brandtsfla&#x017F;che gewichen.</p><lb/>
          <p>Er gieng wieder &#x017F;o hochmu&#x0364;thig und &#x017F;o feind&#x017F;e-<lb/>
lig einher, als er je that.</p><lb/>
          <p>Er nickte den Leuten auf dem Feld, die ihn<lb/>
gru&#x0364;ßten, vogtrichterlich &#x017F;tolz, nur &#x017F;o ein klein we-<lb/>
nig zu. Er trug &#x017F;einen knorrichten Stock &#x017F;o<lb/>
gebieteri&#x017F;ch hoch in der Hand, als ob er im<lb/>
Land mehr zu befehlen habe, als zehn Arner; er<lb/>
ha&#x0364;ngte &#x017F;ein Maul, wie eine alte Stutte, und mach-<lb/>
te Augen &#x017F;o groß und &#x017F;o rund, man &#x017F;agt bey uns,<lb/>
wie ein Pflugsra&#x0364;dli.</p><lb/>
          <p>So gieng der Tropf einher, zu einer Zeit, da<lb/>
er &#x017F;o wenig Ur&#x017F;ach hatte.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 58.<lb/><hi rendition="#b">Wer bey ihm war.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">N</hi>eben ihm gieng &#x017F;ein gro&#x017F;&#x017F;er Tu&#x0364;rk, ein Hund,<lb/>
der auf einen Wink des Vogts die gro&#x017F;&#x017F;en wei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Za&#x0364;hne gegen Jedermann zeigte; auf einen andern<lb/>
aber &#x017F;einen Mann auf Leib und Leben packte. Die-<lb/>
&#x017F;er gro&#x017F;&#x017F;e Tu&#x0364;rk, der weit und breit das Schrecken<lb/>
des armen lumpigten Mannes &#x017F;o gut war, als &#x017F;ein<lb/>
Mei&#x017F;ter das Schrecken aller armen gedru&#x0364;ckten Miet-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">linge</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0289] So redte der Vogt mit ſich ſelber. Das Schre- cken war nun voͤllig ſeinem Zorn, ſeinem Stolz, und ſeiner Brandtsflaſche gewichen. Er gieng wieder ſo hochmuͤthig und ſo feindſe- lig einher, als er je that. Er nickte den Leuten auf dem Feld, die ihn gruͤßten, vogtrichterlich ſtolz, nur ſo ein klein we- nig zu. Er trug ſeinen knorrichten Stock ſo gebieteriſch hoch in der Hand, als ob er im Land mehr zu befehlen habe, als zehn Arner; er haͤngte ſein Maul, wie eine alte Stutte, und mach- te Augen ſo groß und ſo rund, man ſagt bey uns, wie ein Pflugsraͤdli. So gieng der Tropf einher, zu einer Zeit, da er ſo wenig Urſach hatte. §. 58. Wer bey ihm war. Neben ihm gieng ſein groſſer Tuͤrk, ein Hund, der auf einen Wink des Vogts die groſſen weiſſen Zaͤhne gegen Jedermann zeigte; auf einen andern aber ſeinen Mann auf Leib und Leben packte. Die- ſer groſſe Tuͤrk, der weit und breit das Schrecken des armen lumpigten Mannes ſo gut war, als ſein Meiſter das Schrecken aller armen gedruͤckten Miet- linge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/289
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/289>, abgerufen am 21.12.2024.