Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

zum ersten besten Nachbar, fragte ihn von Wetter
und vom Wind, und von den Schnecken, die im
Herbst vor drey Jahren den Roggen verdünnert
hatten. Dann kam er nach einer Weile mit ein
Paar Durstigen wieder in sein Wirthshaus, gab
ihnen zu trinken, daß sie blieben -- nahm noch ein
Jastpulver vom Scheerer, und brachte so endlich
den Tag des Herrn zu Ende.


§. 47.
Häusliche Sonntagsfreuden.

Und nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des
Entsetzens -- Mein Herz war mir schwer, mein
Auge war finster, meine Stirne umwölkt, und
bang war's mir im Busen, über deinen Gräueln.

Nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des Ent-
setzens!

Mein Auge erheitert sich wieder, meine Stirne
entwölkt sich, und mein Busen athmet wieder un-
beklommen und frey.

Ich nähere mich wieder einer Hütte, in welcher
Menschlichkeit wohnt.

Da heut am Morgen der Lienhard und seine
Frau zur Kirche gegangen waren, sassen ihre Kin-
der fromm und still in der Wohnstube beysammen,

bete-
P 4

zum erſten beſten Nachbar, fragte ihn von Wetter
und vom Wind, und von den Schnecken, die im
Herbſt vor drey Jahren den Roggen verduͤnnert
hatten. Dann kam er nach einer Weile mit ein
Paar Durſtigen wieder in ſein Wirthshaus, gab
ihnen zu trinken, daß ſie blieben — nahm noch ein
Jaſtpulver vom Scheerer, und brachte ſo endlich
den Tag des Herrn zu Ende.


§. 47.
Haͤusliche Sonntagsfreuden.

Und nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des
Entſetzens — Mein Herz war mir ſchwer, mein
Auge war finſter, meine Stirne umwoͤlkt, und
bang war’s mir im Buſen, uͤber deinen Graͤueln.

Nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des Ent-
ſetzens!

Mein Auge erheitert ſich wieder, meine Stirne
entwoͤlkt ſich, und mein Buſen athmet wieder un-
beklommen und frey.

Ich naͤhere mich wieder einer Huͤtte, in welcher
Menſchlichkeit wohnt.

Da heut am Morgen der Lienhard und ſeine
Frau zur Kirche gegangen waren, ſaſſen ihre Kin-
der fromm und ſtill in der Wohnſtube beyſammen,

bete-
P 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0256" n="231"/>
zum er&#x017F;ten be&#x017F;ten Nachbar, fragte ihn von Wetter<lb/>
und vom Wind, und von den Schnecken, die im<lb/>
Herb&#x017F;t vor drey Jahren den Roggen verdu&#x0364;nnert<lb/>
hatten. Dann kam er nach einer Weile mit ein<lb/>
Paar Dur&#x017F;tigen wieder in &#x017F;ein Wirthshaus, gab<lb/>
ihnen zu trinken, daß &#x017F;ie blieben &#x2014; nahm noch ein<lb/>
Ja&#x017F;tpulver vom Scheerer, und brachte &#x017F;o endlich<lb/>
den Tag des Herrn zu Ende.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 47.<lb/><hi rendition="#b">Ha&#x0364;usliche Sonntagsfreuden.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">U</hi>nd nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des<lb/>
Ent&#x017F;etzens &#x2014; Mein Herz war mir &#x017F;chwer, mein<lb/>
Auge war fin&#x017F;ter, meine Stirne umwo&#x0364;lkt, und<lb/>
bang war&#x2019;s mir im Bu&#x017F;en, u&#x0364;ber deinen Gra&#x0364;ueln.</p><lb/>
          <p>Nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des Ent-<lb/>
&#x017F;etzens!</p><lb/>
          <p>Mein Auge erheitert &#x017F;ich wieder, meine Stirne<lb/>
entwo&#x0364;lkt &#x017F;ich, und mein Bu&#x017F;en athmet wieder un-<lb/>
beklommen und frey.</p><lb/>
          <p>Ich na&#x0364;here mich wieder einer Hu&#x0364;tte, in welcher<lb/>
Men&#x017F;chlichkeit wohnt.</p><lb/>
          <p>Da heut am Morgen der Lienhard und &#x017F;eine<lb/>
Frau zur Kirche gegangen waren, &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en ihre Kin-<lb/>
der fromm und &#x017F;till in der Wohn&#x017F;tube bey&#x017F;ammen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 4</fw><fw place="bottom" type="catch">bete-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0256] zum erſten beſten Nachbar, fragte ihn von Wetter und vom Wind, und von den Schnecken, die im Herbſt vor drey Jahren den Roggen verduͤnnert hatten. Dann kam er nach einer Weile mit ein Paar Durſtigen wieder in ſein Wirthshaus, gab ihnen zu trinken, daß ſie blieben — nahm noch ein Jaſtpulver vom Scheerer, und brachte ſo endlich den Tag des Herrn zu Ende. §. 47. Haͤusliche Sonntagsfreuden. Und nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des Entſetzens — Mein Herz war mir ſchwer, mein Auge war finſter, meine Stirne umwoͤlkt, und bang war’s mir im Buſen, uͤber deinen Graͤueln. Nun verlaß ich dich eine Weile, Haus des Ent- ſetzens! Mein Auge erheitert ſich wieder, meine Stirne entwoͤlkt ſich, und mein Buſen athmet wieder un- beklommen und frey. Ich naͤhere mich wieder einer Huͤtte, in welcher Menſchlichkeit wohnt. Da heut am Morgen der Lienhard und ſeine Frau zur Kirche gegangen waren, ſaſſen ihre Kin- der fromm und ſtill in der Wohnſtube beyſammen, bete- P 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/256
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/256>, abgerufen am 21.11.2024.