Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

flüßiges habt, es ihm gern gebet -- Nicht wahr,
Kinder! ihr wollt es gern thun?

O ja, Mutter! gewiß gerne -- sagten alle Kin-
der.


§. 32.
Die Freuden der Gebetsstunde.

Mutter.

Niclas! wen kennest du, der am meisten Hunger
leiden muß?

Niclas. Mutter! den Rudeli. Du warst
gestern bey seinem Vater, der muß schier Hun-
ger sterben; er isset Gras ab dem Boden.

Mutter. Wolltest du ihm gern dann und
wann dein Abendbrod geben?

Niclas. O ja, Mutter! darf ich gerad mor-
gen.

Mutter. Ja, du darfst es.

Niclas. Das freuet mich!

Mutter. Und du, Lise! wem wolltest du
dann und wann dein Abendbrod geben?

Lise. Ich besinne mich jezt nicht gerade, wem
ich's am liebsten gäbe.

Mutter. Kommt dir denn kein Kind in Sinn,
das Hunger leiden muß?

Lise.

fluͤßiges habt, es ihm gern gebet — Nicht wahr,
Kinder! ihr wollt es gern thun?

O ja, Mutter! gewiß gerne — ſagten alle Kin-
der.


§. 32.
Die Freuden der Gebetsſtunde.

Mutter.

Niclas! wen kenneſt du, der am meiſten Hunger
leiden muß?

Niclas. Mutter! den Rudeli. Du warſt
geſtern bey ſeinem Vater, der muß ſchier Hun-
ger ſterben; er iſſet Gras ab dem Boden.

Mutter. Wollteſt du ihm gern dann und
wann dein Abendbrod geben?

Niclas. O ja, Mutter! darf ich gerad mor-
gen.

Mutter. Ja, du darfſt es.

Niclas. Das freuet mich!

Mutter. Und du, Liſe! wem wollteſt du
dann und wann dein Abendbrod geben?

Liſe. Ich beſinne mich jezt nicht gerade, wem
ich’s am liebſten gaͤbe.

Mutter. Kommt dir denn kein Kind in Sinn,
das Hunger leiden muß?

Liſe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0193" n="168"/>
flu&#x0364;ßiges habt, es ihm gern gebet &#x2014; Nicht wahr,<lb/>
Kinder! ihr wollt es gern thun?</p><lb/>
          <p>O ja, Mutter! gewiß gerne &#x2014; &#x017F;agten alle Kin-<lb/>
der.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 32.<lb/><hi rendition="#b">Die Freuden der Gebets&#x017F;tunde.</hi></head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Mutter.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p><hi rendition="#in">N</hi>iclas! wen kenne&#x017F;t du, der am mei&#x017F;ten Hunger<lb/>
leiden muß?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Niclas.</hi> Mutter! den Rudeli. Du war&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;tern bey &#x017F;einem Vater, der muß &#x017F;chier Hun-<lb/>
ger &#x017F;terben; er i&#x017F;&#x017F;et Gras ab dem Boden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Mutter.</hi> Wollte&#x017F;t du ihm gern dann und<lb/>
wann dein Abendbrod geben?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Niclas.</hi> O ja, Mutter! darf ich gerad mor-<lb/>
gen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Mutter.</hi> Ja, du darf&#x017F;t es.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Niclas.</hi> Das freuet mich!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Mutter.</hi> Und du, Li&#x017F;e! wem wollte&#x017F;t du<lb/>
dann und wann dein Abendbrod geben?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Li&#x017F;e.</hi> Ich be&#x017F;inne mich jezt nicht gerade, wem<lb/>
ich&#x2019;s am lieb&#x017F;ten ga&#x0364;be.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Mutter.</hi> Kommt dir denn kein Kind in Sinn,<lb/>
das Hunger leiden muß?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Li&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0193] fluͤßiges habt, es ihm gern gebet — Nicht wahr, Kinder! ihr wollt es gern thun? O ja, Mutter! gewiß gerne — ſagten alle Kin- der. §. 32. Die Freuden der Gebetsſtunde. Mutter. Niclas! wen kenneſt du, der am meiſten Hunger leiden muß? Niclas. Mutter! den Rudeli. Du warſt geſtern bey ſeinem Vater, der muß ſchier Hun- ger ſterben; er iſſet Gras ab dem Boden. Mutter. Wollteſt du ihm gern dann und wann dein Abendbrod geben? Niclas. O ja, Mutter! darf ich gerad mor- gen. Mutter. Ja, du darfſt es. Niclas. Das freuet mich! Mutter. Und du, Liſe! wem wollteſt du dann und wann dein Abendbrod geben? Liſe. Ich beſinne mich jezt nicht gerade, wem ich’s am liebſten gaͤbe. Mutter. Kommt dir denn kein Kind in Sinn, das Hunger leiden muß? Liſe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/193
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/193>, abgerufen am 22.12.2024.