Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 30.
Fortsetzung, wie Schelmen mit einander
reden und handeln, auf eine andere
Manier.

Wein her, Frau Vögtinn! Vogt! wir saufen auf
die Erndte hin; eine Garbe vom Zehenden für
die Maß.

Vogt. Ihr wollt mich bald bezahlen.

Bauern. Nicht so bald, aber desto schwerer.

Der Vogt setzt sich zu ihnen, und sanft auch
mit ihnen nach Herzenslust, auf den künftigen Zehn-
den.

Nun sind alle Mäuler offen, ein wildes Ge-
wühl von Fluchen und Schwören, von Zotten und
Possen, von Schimpfen und Trotzen, erhebt sich
an allen Tischen. Sie erzählen von Hurereyen und
Diebstälen, von Schlaghändeln und Scheltworten,
von Schulden, die sie lustig geläugnet, von Pro-
cessen, die sie mit feinen Streichen gewonnen hätten,
von Bosheiten und Unsinn -- davon das meiste er-
logen, viel aber, leider Gott erbarm! wahr
war; wie sie den alten Arner in Holz und Feld
und Zehnden bestohlen hätten; auch wie ihre Weiber

jezt

§. 30.
Fortſetzung, wie Schelmen mit einander
reden und handeln, auf eine andere
Manier.

Wein her, Frau Voͤgtinn! Vogt! wir ſaufen auf
die Erndte hin; eine Garbe vom Zehenden fuͤr
die Maß.

Vogt. Ihr wollt mich bald bezahlen.

Bauern. Nicht ſo bald, aber deſto ſchwerer.

Der Vogt ſetzt ſich zu ihnen, und ſanft auch
mit ihnen nach Herzensluſt, auf den kuͤnftigen Zehn-
den.

Nun ſind alle Maͤuler offen, ein wildes Ge-
wuͤhl von Fluchen und Schwoͤren, von Zotten und
Poſſen, von Schimpfen und Trotzen, erhebt ſich
an allen Tiſchen. Sie erzaͤhlen von Hurereyen und
Diebſtaͤlen, von Schlaghaͤndeln und Scheltworten,
von Schulden, die ſie luſtig gelaͤugnet, von Pro-
ceſſen, die ſie mit feinen Streichen gewonnen haͤtten,
von Bosheiten und Unſinn — davon das meiſte er-
logen, viel aber, leider Gott erbarm! wahr
war; wie ſie den alten Arner in Holz und Feld
und Zehnden beſtohlen haͤtten; auch wie ihre Weiber

jezt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0182" n="157"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 30.<lb/><hi rendition="#b">Fort&#x017F;etzung, wie Schelmen mit einander<lb/>
reden und handeln, auf eine andere<lb/>
Manier.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>ein her, Frau Vo&#x0364;gtinn! Vogt! wir &#x017F;aufen auf<lb/>
die Erndte hin; eine Garbe vom Zehenden fu&#x0364;r<lb/>
die Maß.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Ihr wollt mich bald bezahlen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Bauern.</hi> Nicht &#x017F;o bald, aber de&#x017F;to &#x017F;chwerer.</p><lb/>
          <p>Der Vogt &#x017F;etzt &#x017F;ich zu ihnen, und &#x017F;anft auch<lb/>
mit ihnen nach Herzenslu&#x017F;t, auf den ku&#x0364;nftigen Zehn-<lb/>
den.</p><lb/>
          <p>Nun &#x017F;ind alle Ma&#x0364;uler offen, ein wildes Ge-<lb/>
wu&#x0364;hl von Fluchen und Schwo&#x0364;ren, von Zotten und<lb/>
Po&#x017F;&#x017F;en, von Schimpfen und Trotzen, erhebt &#x017F;ich<lb/>
an allen Ti&#x017F;chen. Sie erza&#x0364;hlen von Hurereyen und<lb/>
Dieb&#x017F;ta&#x0364;len, von Schlagha&#x0364;ndeln und Scheltworten,<lb/>
von Schulden, die &#x017F;ie lu&#x017F;tig gela&#x0364;ugnet, von Pro-<lb/>
ce&#x017F;&#x017F;en, die &#x017F;ie mit feinen Streichen gewonnen ha&#x0364;tten,<lb/>
von Bosheiten und Un&#x017F;inn &#x2014; davon das mei&#x017F;te er-<lb/>
logen, viel aber, leider Gott erbarm! wahr<lb/>
war; wie &#x017F;ie den alten Arner in Holz und Feld<lb/>
und Zehnden be&#x017F;tohlen ha&#x0364;tten; auch wie ihre Weiber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">jezt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0182] §. 30. Fortſetzung, wie Schelmen mit einander reden und handeln, auf eine andere Manier. Wein her, Frau Voͤgtinn! Vogt! wir ſaufen auf die Erndte hin; eine Garbe vom Zehenden fuͤr die Maß. Vogt. Ihr wollt mich bald bezahlen. Bauern. Nicht ſo bald, aber deſto ſchwerer. Der Vogt ſetzt ſich zu ihnen, und ſanft auch mit ihnen nach Herzensluſt, auf den kuͤnftigen Zehn- den. Nun ſind alle Maͤuler offen, ein wildes Ge- wuͤhl von Fluchen und Schwoͤren, von Zotten und Poſſen, von Schimpfen und Trotzen, erhebt ſich an allen Tiſchen. Sie erzaͤhlen von Hurereyen und Diebſtaͤlen, von Schlaghaͤndeln und Scheltworten, von Schulden, die ſie luſtig gelaͤugnet, von Pro- ceſſen, die ſie mit feinen Streichen gewonnen haͤtten, von Bosheiten und Unſinn — davon das meiſte er- logen, viel aber, leider Gott erbarm! wahr war; wie ſie den alten Arner in Holz und Feld und Zehnden beſtohlen haͤtten; auch wie ihre Weiber jezt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/182
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/182>, abgerufen am 21.11.2024.