Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschwister, eins nach dem andern mit warmen
Thränen, besorgt die Todte zum Grabe, und geht
erst, nachdem sie alles, was nöthig war, gethan
hatte, wieder in ihre Hütte.


§. 19.
Guter Muth tröstet, heitert auf und hilft;
Kummerhaftigkeit aber plagt nur.

Der Untervogt, der zuerst zu Rudi gegangen war,
gieng von ihm weg zu den übrigen Taglöhnern,
und zuerst zu Jogli Bär. Dieser spaltete eben
Holz, sang und pfiff beym Scheitstock; als er aber
den Vogt sah, machte er grosse Augen: Wenn du
Geld willst, Vogt! so ist nichts da.

Vogt. Du singst und pfeifst ja wie die Vö-
gel im Hanfsamen; wie könnt's dir am Geld feh-
len?

Bär. Wenn Heulen Brod gäbe, ich würde nicht
pfeifen; aber im Ernst, was willst du?

Vogt. Nichts, als dir sagen, du seyst Hand-
langer beym Kirchbau, und habest des Tags fünf
und zwanzig Krenzer.

Bär. Ist das auch wahr?

Vogt.

Geſchwiſter, eins nach dem andern mit warmen
Thraͤnen, beſorgt die Todte zum Grabe, und geht
erſt, nachdem ſie alles, was noͤthig war, gethan
hatte, wieder in ihre Huͤtte.


§. 19.
Guter Muth troͤſtet, heitert auf und hilft;
Kummerhaftigkeit aber plagt nur.

Der Untervogt, der zuerſt zu Rudi gegangen war,
gieng von ihm weg zu den uͤbrigen Tagloͤhnern,
und zuerſt zu Jogli Baͤr. Dieſer ſpaltete eben
Holz, ſang und pfiff beym Scheitſtock; als er aber
den Vogt ſah, machte er groſſe Augen: Wenn du
Geld willſt, Vogt! ſo iſt nichts da.

Vogt. Du ſingſt und pfeifſt ja wie die Voͤ-
gel im Hanfſamen; wie koͤnnt’s dir am Geld feh-
len?

Baͤr. Wenn Heulen Brod gaͤbe, ich wuͤrde nicht
pfeifen; aber im Ernſt, was willſt du?

Vogt. Nichts, als dir ſagen, du ſeyſt Hand-
langer beym Kirchbau, und habeſt des Tags fuͤnf
und zwanzig Krenzer.

Baͤr. Iſt das auch wahr?

Vogt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="110"/>
Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter, eins nach dem andern mit warmen<lb/>
Thra&#x0364;nen, be&#x017F;orgt die Todte zum Grabe, und geht<lb/>
er&#x017F;t, nachdem &#x017F;ie alles, was no&#x0364;thig war, gethan<lb/>
hatte, wieder in ihre Hu&#x0364;tte.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 19.<lb/><hi rendition="#b">Guter Muth tro&#x0364;&#x017F;tet, heitert auf und hilft;<lb/>
Kummerhaftigkeit aber plagt nur.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>er Untervogt, der zuer&#x017F;t zu Rudi gegangen war,<lb/>
gieng von ihm weg zu den u&#x0364;brigen Taglo&#x0364;hnern,<lb/>
und zuer&#x017F;t zu Jogli Ba&#x0364;r. Die&#x017F;er &#x017F;paltete eben<lb/>
Holz, &#x017F;ang und pfiff beym Scheit&#x017F;tock; als er aber<lb/>
den Vogt &#x017F;ah, machte er gro&#x017F;&#x017F;e Augen: Wenn du<lb/>
Geld will&#x017F;t, Vogt! &#x017F;o i&#x017F;t nichts da.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Du &#x017F;ing&#x017F;t und pfeif&#x017F;t ja wie die Vo&#x0364;-<lb/>
gel im Hanf&#x017F;amen; wie ko&#x0364;nnt&#x2019;s dir am Geld feh-<lb/>
len?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Ba&#x0364;r.</hi> Wenn Heulen Brod ga&#x0364;be, ich wu&#x0364;rde nicht<lb/>
pfeifen; aber im Ern&#x017F;t, was will&#x017F;t du?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Nichts, als dir &#x017F;agen, du &#x017F;ey&#x017F;t Hand-<lb/>
langer beym Kirchbau, und habe&#x017F;t des Tags fu&#x0364;nf<lb/>
und zwanzig Krenzer.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Ba&#x0364;r.</hi> I&#x017F;t das auch wahr?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Vogt.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0135] Geſchwiſter, eins nach dem andern mit warmen Thraͤnen, beſorgt die Todte zum Grabe, und geht erſt, nachdem ſie alles, was noͤthig war, gethan hatte, wieder in ihre Huͤtte. §. 19. Guter Muth troͤſtet, heitert auf und hilft; Kummerhaftigkeit aber plagt nur. Der Untervogt, der zuerſt zu Rudi gegangen war, gieng von ihm weg zu den uͤbrigen Tagloͤhnern, und zuerſt zu Jogli Baͤr. Dieſer ſpaltete eben Holz, ſang und pfiff beym Scheitſtock; als er aber den Vogt ſah, machte er groſſe Augen: Wenn du Geld willſt, Vogt! ſo iſt nichts da. Vogt. Du ſingſt und pfeifſt ja wie die Voͤ- gel im Hanfſamen; wie koͤnnt’s dir am Geld feh- len? Baͤr. Wenn Heulen Brod gaͤbe, ich wuͤrde nicht pfeifen; aber im Ernſt, was willſt du? Vogt. Nichts, als dir ſagen, du ſeyſt Hand- langer beym Kirchbau, und habeſt des Tags fuͤnf und zwanzig Krenzer. Baͤr. Iſt das auch wahr? Vogt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/135
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/135>, abgerufen am 30.12.2024.