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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die mittelländische Race.
Begründung, denn die Maori haben den Namen für das Haus-
schwein und die Cocosnuss beibehalten, obgleich auf Neu-
seeland beide fehlten1). Hätten die Altarier in ihrer Heimat
solche heroische Raubthiere wie Tiger und Löwe gesehen und
bekämpft, sicherlich wären ihre Namen in irgend einer anderen
Bedeutung erhalten geblieben. Der Beweis aber, dass dies nicht
geschehen sei, fällt als Last auf diejenigen, welche Bactrien als
die schicklichste Heimat der Indoeuropäer erwählt haben.

Es bleibt uns nur noch die Untersuchung übrig, ob Europa
als Wohnort zur Beschleunigung der Gesittung beigetragen habe
oder nicht. So ausdrucksvoll haben sich aber Land und Meer in
diesem Erdraum abgesondert, dass schon Strabo2), der doch die
nächsten Festlande noch so unvollständig kannte, Europa als
reichgegliedert (poluskhemon) gepriesen hat. Unser Welttheil,
selbst eine halbinselartige Verlängerung Asiens, hat alle seine Um-
risse wieder halbinselartig ausgebildet, denn im Süden tritt er mit
drei solchen Gestaltungen in das Mittelmeer, im Norden berühren
sich nahezu Scandinavien und die cimbrische Landzunge, ja selbst
die britischen Königreiche lassen uns noch erkennen, dass, bevor
der seichte Aermelcanal vom Meer ausgefurcht worden war, auch
sie als vorspringende Landmassen mit dem Hauptkörper vereinigt
waren. In Folge dieser zahlreichen rhythmischen Vorsprünge un-
seres Festlandes tritt das Meer immer mehr oder weniger golfförmig in
das Festland herein.

Meerengen, die durch Annäherung des Festen an das
Feste entstehen, sind ebenso selten als bedeutungsvoll. Miss-
achtet musste daher dasjenige Festland am längsten bleiben, das
keine besitzt, nämlich Australien. Amerika wiederum erhielt seine
ersten Bewohner höchst wahrscheinlich über die Berings-Enge.
Europa endlich kann nicht nur sein Kattegat mit dem Sund auf-
weisen, sondern es bildet mit Afrika und Asien die Meerengen
von Gibraltar, von Sicilien, und den Hellespont sammt dem Bos-
porus, welche das Mittelmeer in drei gesonderte Becken trennen.
An jede dieser drei Zusammenschnürungen knüpfen sich zeiten-
verändernde Weltbegebenheiten. Dort, wo Sicilien sich dem Saum
von Afrika nähert, musste die grösste Seemacht des Alterthums

1) S. oben S. 374.
2) Geogr. lib. II, cap. 5. (Tauchn. edit. tom. I, p. 201.)

Die mittelländische Race.
Begründung, denn die Maori haben den Namen für das Haus-
schwein und die Cocosnuss beibehalten, obgleich auf Neu-
seeland beide fehlten1). Hätten die Altarier in ihrer Heimat
solche heroische Raubthiere wie Tiger und Löwe gesehen und
bekämpft, sicherlich wären ihre Namen in irgend einer anderen
Bedeutung erhalten geblieben. Der Beweis aber, dass dies nicht
geschehen sei, fällt als Last auf diejenigen, welche Bactrien als
die schicklichste Heimat der Indoeuropäer erwählt haben.

Es bleibt uns nur noch die Untersuchung übrig, ob Europa
als Wohnort zur Beschleunigung der Gesittung beigetragen habe
oder nicht. So ausdrucksvoll haben sich aber Land und Meer in
diesem Erdraum abgesondert, dass schon Strabo2), der doch die
nächsten Festlande noch so unvollständig kannte, Europa als
reichgegliedert (πολυσχέμων) gepriesen hat. Unser Welttheil,
selbst eine halbinselartige Verlängerung Asiens, hat alle seine Um-
risse wieder halbinselartig ausgebildet, denn im Süden tritt er mit
drei solchen Gestaltungen in das Mittelmeer, im Norden berühren
sich nahezu Scandinavien und die cimbrische Landzunge, ja selbst
die britischen Königreiche lassen uns noch erkennen, dass, bevor
der seichte Aermelcanal vom Meer ausgefurcht worden war, auch
sie als vorspringende Landmassen mit dem Hauptkörper vereinigt
waren. In Folge dieser zahlreichen rhythmischen Vorsprünge un-
seres Festlandes tritt das Meer immer mehr oder weniger golfförmig in
das Festland herein.

Meerengen, die durch Annäherung des Festen an das
Feste entstehen, sind ebenso selten als bedeutungsvoll. Miss-
achtet musste daher dasjenige Festland am längsten bleiben, das
keine besitzt, nämlich Australien. Amerika wiederum erhielt seine
ersten Bewohner höchst wahrscheinlich über die Berings-Enge.
Europa endlich kann nicht nur sein Kattegat mit dem Sund auf-
weisen, sondern es bildet mit Afrika und Asien die Meerengen
von Gibraltar, von Sicilien, und den Hellespont sammt dem Bos-
porus, welche das Mittelmeer in drei gesonderte Becken trennen.
An jede dieser drei Zusammenschnürungen knüpfen sich zeiten-
verändernde Weltbegebenheiten. Dort, wo Sicilien sich dem Saum
von Afrika nähert, musste die grösste Seemacht des Alterthums

1) S. oben S. 374.
2) Geogr. lib. II, cap. 5. (Tauchn. edit. tom. I, p. 201.)
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[546/0564] Die mittelländische Race. Begründung, denn die Maori haben den Namen für das Haus- schwein und die Cocosnuss beibehalten, obgleich auf Neu- seeland beide fehlten 1). Hätten die Altarier in ihrer Heimat solche heroische Raubthiere wie Tiger und Löwe gesehen und bekämpft, sicherlich wären ihre Namen in irgend einer anderen Bedeutung erhalten geblieben. Der Beweis aber, dass dies nicht geschehen sei, fällt als Last auf diejenigen, welche Bactrien als die schicklichste Heimat der Indoeuropäer erwählt haben. Es bleibt uns nur noch die Untersuchung übrig, ob Europa als Wohnort zur Beschleunigung der Gesittung beigetragen habe oder nicht. So ausdrucksvoll haben sich aber Land und Meer in diesem Erdraum abgesondert, dass schon Strabo 2), der doch die nächsten Festlande noch so unvollständig kannte, Europa als reichgegliedert (πολυσχέμων) gepriesen hat. Unser Welttheil, selbst eine halbinselartige Verlängerung Asiens, hat alle seine Um- risse wieder halbinselartig ausgebildet, denn im Süden tritt er mit drei solchen Gestaltungen in das Mittelmeer, im Norden berühren sich nahezu Scandinavien und die cimbrische Landzunge, ja selbst die britischen Königreiche lassen uns noch erkennen, dass, bevor der seichte Aermelcanal vom Meer ausgefurcht worden war, auch sie als vorspringende Landmassen mit dem Hauptkörper vereinigt waren. In Folge dieser zahlreichen rhythmischen Vorsprünge un- seres Festlandes tritt das Meer immer mehr oder weniger golfförmig in das Festland herein. Meerengen, die durch Annäherung des Festen an das Feste entstehen, sind ebenso selten als bedeutungsvoll. Miss- achtet musste daher dasjenige Festland am längsten bleiben, das keine besitzt, nämlich Australien. Amerika wiederum erhielt seine ersten Bewohner höchst wahrscheinlich über die Berings-Enge. Europa endlich kann nicht nur sein Kattegat mit dem Sund auf- weisen, sondern es bildet mit Afrika und Asien die Meerengen von Gibraltar, von Sicilien, und den Hellespont sammt dem Bos- porus, welche das Mittelmeer in drei gesonderte Becken trennen. An jede dieser drei Zusammenschnürungen knüpfen sich zeiten- verändernde Weltbegebenheiten. Dort, wo Sicilien sich dem Saum von Afrika nähert, musste die grösste Seemacht des Alterthums 1) S. oben S. 374. 2) Geogr. lib. II, cap. 5. (Tauchn. edit. tom. I, p. 201.)

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/564>, abgerufen am 26.04.2024.