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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Der Islam.
neuen Gottesdienst mit hineinzuflechten. Ausserdem wurde an un-
sichtbare nicht menschliche Geschöpfe, an Dschinnen und an Engel
geglaubt und ihre Gewogenheit durch Verehrung zu erwerben ge-
sucht. Die Beduinen übrigens erkannten schon in älteren Zeiten
einen Schöpfer des Himmels und einen Weltherrscher unter der
Bezeichnung Allah, ein Name, der von dem Zeitwort lah abge-
leitet wird, welches ein Zittern und ein Leuchten bedeutet1). Sonst
wird auch seine Verwandtschaft mit dem hebräischen El oder Eloah
und mit Alahah, dem altarabischen Namen für die Sonne vermuthet2).
Eine Fortdauer nach dem Tode wurde verneint, so dass gerade
mit seiner Auferstehungslehre Mohammed bei den Angesehenen
unter seinen Landsleuten verstiess3).

Der Prophet, eine frühe Waise, in der Jugend zur erniedrigen-
den Beschäftigung als Schaf- und Ziegenhirt gezwungen, verbesserte
seine Lebensstellung dadurch dass er 24jährig eine mindestens 14
Jahre ältere begüterte Wittwe heirathete. Er litt Zeit seines Lebens
an hysterischen Anfällen und wäre schon deswegen unter afri-
kanischen, nordasiatischen oder amerikanischen Menschenstämmen
sicherlich ein mächtiger Schamane geworden. Wie diese allerorten
glaubte auch er fest daran, dass seine Offenbarungen ihm von
aussen zukämen und eine höhere Macht aus ihm redete. Als im
späteren Alter die Begeisterung allmählig erkaltete und die Uebung
ihm die Meisterschaft gewährte, seine krampfhaften Verzückungen,
die sich bis zum Schäumen des Mundes steigerten, beliebig hervor-
zurufen, veranstaltete er Offenbarungen zu den schmählichsten
Zwecken. Bevor er seine achte Gemahlin heimführte, verlangte
diese, dass ihre Ehe durch ein göttliches Wort befohlen werde,
das auf diese Bestellung nicht ausblieb4). Nachdem er einer
andren Gemahlin zugeschworen hatte, eine koptische Geliebte zu
verstossen und das Versprechen ihn hinterdrein reuete, liess er
sich von Gott offenbaren, dass solche Eide vor Frauen nicht ver-
bindlich sein sollten5). So wurde aus dem jugendlichen schama-
nistischen Selbstbetrogenen in den dürren Jahren ein schlauer

1) A. Sprenger, Das Leben des Mohammad. Bd. 1. S. 250. S. 291.
2) v. Kremer, Herrschende Ideen des Islam. S. 3.
3) Sprenger, Mohammad. Bd. 1. S. 358.
4) Sprenger, Mohammad. Bd. 3. S. 76
5) Sure LXVI. Wahl, der Qoran. S. 609--610.

Der Islâm.
neuen Gottesdienst mit hineinzuflechten. Ausserdem wurde an un-
sichtbare nicht menschliche Geschöpfe, an Dschinnen und an Engel
geglaubt und ihre Gewogenheit durch Verehrung zu erwerben ge-
sucht. Die Beduinen übrigens erkannten schon in älteren Zeiten
einen Schöpfer des Himmels und einen Weltherrscher unter der
Bezeichnung Allah, ein Name, der von dem Zeitwort lâh abge-
leitet wird, welches ein Zittern und ein Leuchten bedeutet1). Sonst
wird auch seine Verwandtschaft mit dem hebräischen El oder Eloah
und mit Alâhah, dem altarabischen Namen für die Sonne vermuthet2).
Eine Fortdauer nach dem Tode wurde verneint, so dass gerade
mit seiner Auferstehungslehre Mohammed bei den Angesehenen
unter seinen Landsleuten verstiess3).

Der Prophet, eine frühe Waise, in der Jugend zur erniedrigen-
den Beschäftigung als Schaf- und Ziegenhirt gezwungen, verbesserte
seine Lebensstellung dadurch dass er 24jährig eine mindestens 14
Jahre ältere begüterte Wittwe heirathete. Er litt Zeit seines Lebens
an hysterischen Anfällen und wäre schon deswegen unter afri-
kanischen, nordasiatischen oder amerikanischen Menschenstämmen
sicherlich ein mächtiger Schamane geworden. Wie diese allerorten
glaubte auch er fest daran, dass seine Offenbarungen ihm von
aussen zukämen und eine höhere Macht aus ihm redete. Als im
späteren Alter die Begeisterung allmählig erkaltete und die Uebung
ihm die Meisterschaft gewährte, seine krampfhaften Verzückungen,
die sich bis zum Schäumen des Mundes steigerten, beliebig hervor-
zurufen, veranstaltete er Offenbarungen zu den schmählichsten
Zwecken. Bevor er seine achte Gemahlin heimführte, verlangte
diese, dass ihre Ehe durch ein göttliches Wort befohlen werde,
das auf diese Bestellung nicht ausblieb4). Nachdem er einer
andren Gemahlin zugeschworen hatte, eine koptische Geliebte zu
verstossen und das Versprechen ihn hinterdrein reuete, liess er
sich von Gott offenbaren, dass solche Eide vor Frauen nicht ver-
bindlich sein sollten5). So wurde aus dem jugendlichen schama-
nistischen Selbstbetrogenen in den dürren Jahren ein schlauer

1) A. Sprenger, Das Leben des Mohammad. Bd. 1. S. 250. S. 291.
2) v. Kremer, Herrschende Ideen des Islâm. S. 3.
3) Sprenger, Mohammad. Bd. 1. S. 358.
4) Sprenger, Mohammad. Bd. 3. S. 76
5) Sure LXVI. Wahl, der Qorân. S. 609—610.
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[317/0335] Der Islâm. neuen Gottesdienst mit hineinzuflechten. Ausserdem wurde an un- sichtbare nicht menschliche Geschöpfe, an Dschinnen und an Engel geglaubt und ihre Gewogenheit durch Verehrung zu erwerben ge- sucht. Die Beduinen übrigens erkannten schon in älteren Zeiten einen Schöpfer des Himmels und einen Weltherrscher unter der Bezeichnung Allah, ein Name, der von dem Zeitwort lâh abge- leitet wird, welches ein Zittern und ein Leuchten bedeutet 1). Sonst wird auch seine Verwandtschaft mit dem hebräischen El oder Eloah und mit Alâhah, dem altarabischen Namen für die Sonne vermuthet 2). Eine Fortdauer nach dem Tode wurde verneint, so dass gerade mit seiner Auferstehungslehre Mohammed bei den Angesehenen unter seinen Landsleuten verstiess 3). Der Prophet, eine frühe Waise, in der Jugend zur erniedrigen- den Beschäftigung als Schaf- und Ziegenhirt gezwungen, verbesserte seine Lebensstellung dadurch dass er 24jährig eine mindestens 14 Jahre ältere begüterte Wittwe heirathete. Er litt Zeit seines Lebens an hysterischen Anfällen und wäre schon deswegen unter afri- kanischen, nordasiatischen oder amerikanischen Menschenstämmen sicherlich ein mächtiger Schamane geworden. Wie diese allerorten glaubte auch er fest daran, dass seine Offenbarungen ihm von aussen zukämen und eine höhere Macht aus ihm redete. Als im späteren Alter die Begeisterung allmählig erkaltete und die Uebung ihm die Meisterschaft gewährte, seine krampfhaften Verzückungen, die sich bis zum Schäumen des Mundes steigerten, beliebig hervor- zurufen, veranstaltete er Offenbarungen zu den schmählichsten Zwecken. Bevor er seine achte Gemahlin heimführte, verlangte diese, dass ihre Ehe durch ein göttliches Wort befohlen werde, das auf diese Bestellung nicht ausblieb 4). Nachdem er einer andren Gemahlin zugeschworen hatte, eine koptische Geliebte zu verstossen und das Versprechen ihn hinterdrein reuete, liess er sich von Gott offenbaren, dass solche Eide vor Frauen nicht ver- bindlich sein sollten 5). So wurde aus dem jugendlichen schama- nistischen Selbstbetrogenen in den dürren Jahren ein schlauer 1) A. Sprenger, Das Leben des Mohammad. Bd. 1. S. 250. S. 291. 2) v. Kremer, Herrschende Ideen des Islâm. S. 3. 3) Sprenger, Mohammad. Bd. 1. S. 358. 4) Sprenger, Mohammad. Bd. 3. S. 76 5) Sure LXVI. Wahl, der Qorân. S. 609—610.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/335>, abgerufen am 26.04.2024.