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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Bewaffnung.
Pfeile mit Schlangen- oder Pflanzengift geziehen 1). In Südafrika
bedienen sich nach Du Chaillu die Fanneger dieses verwerflichen
Mittels 2). Ferner erzählt Ladislaus Magyar 3) von den südlichen
Nachbarn der Kimbunda in Bihe, dass sie ihre Speerklingen ver-
gifteten. Livingstone berichtet von einem Gifte Namens Kombi,
welches die Anwohner des Schire aus einer Strophanthus-Art be-
reiten, sowie von einer andern Pfeilsalbe, die am Nyassa-See an-
gewendet wurde, endlich, dass die Buschmänner der Kalahari aus
den Eingeweiden einer kleinen Raupe unter dem Namen Nga ein
Gift für ihre Geschosse gewinnen 4). Nach Theophilus Hahn da-
gegen sollen diese Letzteren das Gift für die Jagdpfeile aus den
Zwiebeln von Haemanthus toxicarius, für die Kriegswaffen aber aus den
Giftdrüsen der Schlangen und dem Saft einer Wolfsmilchart (Eu-
phorbia candelabrum)
bereiten 5). Bei Kolbe's Anwesenheit salbten
auch die Hottentotten ihre Pfeile mit dem Gifte der Brillen-
schlangen 6). Plinius nennt uns arabische Piraten im troglody-
tischen Afrika, also am Gestade des südlichen rothen Meeres unter
den Pfeilvergiftern, zu denen wir noch einen asiatischen Stamm,
nämlich die Bhutia im himalayischen Bhutan, der Vollständigkeit
wegen anschliessen wollen 7).

Vergleichen wir die Wohnorte aller genannten Völker, so
fallen sie sämmtlich zwischen die Wendekreise oder wenigstens in
die subtropischen Gürtel. Ganz Nordamerika ist rein von diesem
Frevel, welcher nach Moriz Wagner in der neuen Welt seine
nördliche Begrenzung an der dariensischen Landenge und im
Choco am Atrato erreichen würde8). In der That ist auch uns
bisher nur eine einzige Ausnahme bekannt geworden, nämlich,
dass die Ceres oder Seris am californischen Meerbusen solcher

1) W. v. Harnier, Reise am obern Nil. S. 50.
2) Explorations and Adventures in Equatorial Africa. London 1861.
p. 77--78.
3) Reisen, Bd. 1. S. 357.
4) Livingstone, Zambesi. p. 466 sq. Eine Abbildung der Insecten-
larve bei Wood, Natural History of man. tom. I. p. 286.
5) Th. Hahn, im Globus 1870. 2. Sem. S. 100. Gustav Fritsch, Ein-
geborne Südafrikas. S. 431.
6) Vollständ. Beschreibung des Vorgebirges der guten Hoffnung. Nürn-
berg 1719. S. 532.
7) H. v. Schlagintweit, Indien und Hochasien. Bd. 2. S. 143.
8) Naturwissenschaftliche Reisen. Stuttgart 1869. S. 314.
13*

Die Bewaffnung.
Pfeile mit Schlangen- oder Pflanzengift geziehen 1). In Südafrika
bedienen sich nach Du Chaillu die Fanneger dieses verwerflichen
Mittels 2). Ferner erzählt Ladislaus Magyar 3) von den südlichen
Nachbarn der Kimbunda in Bihé, dass sie ihre Speerklingen ver-
gifteten. Livingstone berichtet von einem Gifte Namens Kombi,
welches die Anwohner des Schire aus einer Strophanthus-Art be-
reiten, sowie von einer andern Pfeilsalbe, die am Nyassa-See an-
gewendet wurde, endlich, dass die Buschmänner der Kalahari aus
den Eingeweiden einer kleinen Raupe unter dem Namen Nga ein
Gift für ihre Geschosse gewinnen 4). Nach Theophilus Hahn da-
gegen sollen diese Letzteren das Gift für die Jagdpfeile aus den
Zwiebeln von Haemanthus toxicarius, für die Kriegswaffen aber aus den
Giftdrüsen der Schlangen und dem Saft einer Wolfsmilchart (Eu-
phorbia candelabrum)
bereiten 5). Bei Kolbe’s Anwesenheit salbten
auch die Hottentotten ihre Pfeile mit dem Gifte der Brillen-
schlangen 6). Plinius nennt uns arabische Piraten im troglody-
tischen Afrika, also am Gestade des südlichen rothen Meeres unter
den Pfeilvergiftern, zu denen wir noch einen asiatischen Stamm,
nämlich die Bhutía im himalayischen Bhután, der Vollständigkeit
wegen anschliessen wollen 7).

Vergleichen wir die Wohnorte aller genannten Völker, so
fallen sie sämmtlich zwischen die Wendekreise oder wenigstens in
die subtropischen Gürtel. Ganz Nordamerika ist rein von diesem
Frevel, welcher nach Moriz Wagner in der neuen Welt seine
nördliche Begrenzung an der dariensischen Landenge und im
Choco am Atrato erreichen würde8). In der That ist auch uns
bisher nur eine einzige Ausnahme bekannt geworden, nämlich,
dass die Ceres oder Seris am californischen Meerbusen solcher

1) W. v. Harnier, Reise am obern Nil. S. 50.
2) Explorations and Adventures in Equatorial Africa. London 1861.
p. 77—78.
3) Reisen, Bd. 1. S. 357.
4) Livingstone, Zambesi. p. 466 sq. Eine Abbildung der Insecten-
larve bei Wood, Natural History of man. tom. I. p. 286.
5) Th. Hahn, im Globus 1870. 2. Sem. S. 100. Gustav Fritsch, Ein-
geborne Südafrikas. S. 431.
6) Vollständ. Beschreibung des Vorgebirges der guten Hoffnung. Nürn-
berg 1719. S. 532.
7) H. v. Schlagintweit, Indien und Hochasien. Bd. 2. S. 143.
8) Naturwissenschaftliche Reisen. Stuttgart 1869. S. 314.
13*
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[195/0213] Die Bewaffnung. Pfeile mit Schlangen- oder Pflanzengift geziehen 1). In Südafrika bedienen sich nach Du Chaillu die Fanneger dieses verwerflichen Mittels 2). Ferner erzählt Ladislaus Magyar 3) von den südlichen Nachbarn der Kimbunda in Bihé, dass sie ihre Speerklingen ver- gifteten. Livingstone berichtet von einem Gifte Namens Kombi, welches die Anwohner des Schire aus einer Strophanthus-Art be- reiten, sowie von einer andern Pfeilsalbe, die am Nyassa-See an- gewendet wurde, endlich, dass die Buschmänner der Kalahari aus den Eingeweiden einer kleinen Raupe unter dem Namen Nga ein Gift für ihre Geschosse gewinnen 4). Nach Theophilus Hahn da- gegen sollen diese Letzteren das Gift für die Jagdpfeile aus den Zwiebeln von Haemanthus toxicarius, für die Kriegswaffen aber aus den Giftdrüsen der Schlangen und dem Saft einer Wolfsmilchart (Eu- phorbia candelabrum) bereiten 5). Bei Kolbe’s Anwesenheit salbten auch die Hottentotten ihre Pfeile mit dem Gifte der Brillen- schlangen 6). Plinius nennt uns arabische Piraten im troglody- tischen Afrika, also am Gestade des südlichen rothen Meeres unter den Pfeilvergiftern, zu denen wir noch einen asiatischen Stamm, nämlich die Bhutía im himalayischen Bhután, der Vollständigkeit wegen anschliessen wollen 7). Vergleichen wir die Wohnorte aller genannten Völker, so fallen sie sämmtlich zwischen die Wendekreise oder wenigstens in die subtropischen Gürtel. Ganz Nordamerika ist rein von diesem Frevel, welcher nach Moriz Wagner in der neuen Welt seine nördliche Begrenzung an der dariensischen Landenge und im Choco am Atrato erreichen würde 8). In der That ist auch uns bisher nur eine einzige Ausnahme bekannt geworden, nämlich, dass die Ceres oder Seris am californischen Meerbusen solcher 1) W. v. Harnier, Reise am obern Nil. S. 50. 2) Explorations and Adventures in Equatorial Africa. London 1861. p. 77—78. 3) Reisen, Bd. 1. S. 357. 4) Livingstone, Zambesi. p. 466 sq. Eine Abbildung der Insecten- larve bei Wood, Natural History of man. tom. I. p. 286. 5) Th. Hahn, im Globus 1870. 2. Sem. S. 100. Gustav Fritsch, Ein- geborne Südafrikas. S. 431. 6) Vollständ. Beschreibung des Vorgebirges der guten Hoffnung. Nürn- berg 1719. S. 532. 7) H. v. Schlagintweit, Indien und Hochasien. Bd. 2. S. 143. 8) Naturwissenschaftliche Reisen. Stuttgart 1869. S. 314. 13*

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/213>, abgerufen am 26.04.2024.