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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
In Südamerika bedienen sich der Thongeschirre selbst die Boto-
cuden, überhaupt alle Eingebornen bis auf einige Horden in den
Pampas 1). Sie fehlen auch nicht den Papuanen, wohl aber, um
es zu wiederholen den Polynesiern und Australiern.

Zum Zerlegen des Fleisches in grössere Stücke bedienten sich
alle Menschenstämme ihrer schneidenden Werkzeuge, rohe Völker
gewöhnlich mit anatomischer Meisterschaft. Die Gabeln die, wie
wir später sehen werden, noch vor wenigen Jahrhunderten selbst
in Nordeuropa mangelten 2), hat man nur bei reifen Culturvölkern
und ausserdem bei papuanischen Fidschiinsulanern angetroffen 3).
Das erste Vorbild zum Löffel gab die Muschel, die noch jetzt an
der atlantischen Küste Maroccos seine Dienste verrichten muss 4).
Am weissen Nil essen die Bari-Neger ihren Mehlbrei mit Holz-
löffeln und die Kitschneger mit Flussmuschelschalen 5). In Süd-
afrika verfertigen die Hottentotten ihre Löffel aus Perlmutter oder
aus Schildpat 6) und bei Bantunegern schnitzen Künstler diese Ge-
räthe aus Holz und schmücken sie mit Thierfiguren 7). Endlich
sind Essstäbchen, nach chinesischer Art, und Kochlöffel bei den
Papuanen Neuguineas in Gebrauch 8).

Alexander v. Humboldt bemerkt in Bezug auf die rohen Ein-
gebornen Südamerikas, dass sie auf einerlei Pflanzenkost beschränkt,
wie die Raupen, bei Uebersiedlung schwer an andre Nahrung sich
gewöhnen und meistens erkranken. Der Jahreszeitenwechsel in
den gemilderten Erdvierteln, fährt er fort, reizte den Menschen
auf verschiedene Art und zwang ihn Verschiednes verdauen zu
lernen, zugleich erwarb er aber auch dadurch grössere Freiheit in
der Wahl seiner Wohnorte 9). Die Zubereitung der Nahrungsmittel

1) d'Orbigny, l'Homme americain. p. 98.
2) Ueber den Gebrauch der Gabeln in Europa ist noch vieles dunkel.
Wie Tylor belegt hat, waren Gabeln zu Ruysbroek's Zeiten (1253) sowohl
im Abendlande wie bei den Mongolen schon im Gebrauch. Urgeschichte. S. 22.
3) Williams, Fiji. tom. I. p. 212.
4) Gerhard Rohlfs, Erster Aufenthalt in Marokko. Bremen 1873. S. 75.
5) W. v. Harnier's Reise am obern Nil. S. 49.
6) Kolben's Reise an das Vorgeb. d. G. Hoffnung. S. 456.
7) Casalis, Les Bassoutos. Paris 1859. p. 147.
8) Otto Finsch, Neu-Guinea. Bremen 1865. S. 100 und Nieuw Guinea,
ethnographisch en natuurkundig onderzocht, uitgegeven door het kon. Institut
voor taal-, land- en volkenkunde. Amsterdam 1862. Tafel VV. fig. 2.
9) Handschriften. Bd. III. Eigene Gedanken. §. 10. S. 30.

Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
In Südamerika bedienen sich der Thongeschirre selbst die Boto-
cuden, überhaupt alle Eingebornen bis auf einige Horden in den
Pampas 1). Sie fehlen auch nicht den Papuanen, wohl aber, um
es zu wiederholen den Polynesiern und Australiern.

Zum Zerlegen des Fleisches in grössere Stücke bedienten sich
alle Menschenstämme ihrer schneidenden Werkzeuge, rohe Völker
gewöhnlich mit anatomischer Meisterschaft. Die Gabeln die, wie
wir später sehen werden, noch vor wenigen Jahrhunderten selbst
in Nordeuropa mangelten 2), hat man nur bei reifen Culturvölkern
und ausserdem bei papuanischen Fidschiinsulanern angetroffen 3).
Das erste Vorbild zum Löffel gab die Muschel, die noch jetzt an
der atlantischen Küste Maroccos seine Dienste verrichten muss 4).
Am weissen Nil essen die Bari-Neger ihren Mehlbrei mit Holz-
löffeln und die Kitschneger mit Flussmuschelschalen 5). In Süd-
afrika verfertigen die Hottentotten ihre Löffel aus Perlmutter oder
aus Schildpat 6) und bei Bantunegern schnitzen Künstler diese Ge-
räthe aus Holz und schmücken sie mit Thierfiguren 7). Endlich
sind Essstäbchen, nach chinesischer Art, und Kochlöffel bei den
Papuanen Neuguineas in Gebrauch 8).

Alexander v. Humboldt bemerkt in Bezug auf die rohen Ein-
gebornen Südamerikas, dass sie auf einerlei Pflanzenkost beschränkt,
wie die Raupen, bei Uebersiedlung schwer an andre Nahrung sich
gewöhnen und meistens erkranken. Der Jahreszeitenwechsel in
den gemilderten Erdvierteln, fährt er fort, reizte den Menschen
auf verschiedene Art und zwang ihn Verschiednes verdauen zu
lernen, zugleich erwarb er aber auch dadurch grössere Freiheit in
der Wahl seiner Wohnorte 9). Die Zubereitung der Nahrungsmittel

1) d’Orbigny, l’Homme américain. p. 98.
2) Ueber den Gebrauch der Gabeln in Europa ist noch vieles dunkel.
Wie Tylor belegt hat, waren Gabeln zu Ruysbroek’s Zeiten (1253) sowohl
im Abendlande wie bei den Mongolen schon im Gebrauch. Urgeschichte. S. 22.
3) Williams, Fiji. tom. I. p. 212.
4) Gerhard Rohlfs, Erster Aufenthalt in Marokko. Bremen 1873. S. 75.
5) W. v. Harnier’s Reise am obern Nil. S. 49.
6) Kolben’s Reise an das Vorgeb. d. G. Hoffnung. S. 456.
7) Casalis, Les Bassoutos. Paris 1859. p. 147.
8) Otto Finsch, Neu-Guinea. Bremen 1865. S. 100 und Nieuw Guinea,
ethnographisch en natuurkundig onderzocht, uitgegeven door het kon. Institut
voor taal-, land- en volkenkunde. Amsterdam 1862. Tafel VV. fig. 2.
9) Handschriften. Bd. III. Eigene Gedanken. §. 10. S. 30.
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[174/0192] Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. In Südamerika bedienen sich der Thongeschirre selbst die Boto- cuden, überhaupt alle Eingebornen bis auf einige Horden in den Pampas 1). Sie fehlen auch nicht den Papuanen, wohl aber, um es zu wiederholen den Polynesiern und Australiern. Zum Zerlegen des Fleisches in grössere Stücke bedienten sich alle Menschenstämme ihrer schneidenden Werkzeuge, rohe Völker gewöhnlich mit anatomischer Meisterschaft. Die Gabeln die, wie wir später sehen werden, noch vor wenigen Jahrhunderten selbst in Nordeuropa mangelten 2), hat man nur bei reifen Culturvölkern und ausserdem bei papuanischen Fidschiinsulanern angetroffen 3). Das erste Vorbild zum Löffel gab die Muschel, die noch jetzt an der atlantischen Küste Maroccos seine Dienste verrichten muss 4). Am weissen Nil essen die Bari-Neger ihren Mehlbrei mit Holz- löffeln und die Kitschneger mit Flussmuschelschalen 5). In Süd- afrika verfertigen die Hottentotten ihre Löffel aus Perlmutter oder aus Schildpat 6) und bei Bantunegern schnitzen Künstler diese Ge- räthe aus Holz und schmücken sie mit Thierfiguren 7). Endlich sind Essstäbchen, nach chinesischer Art, und Kochlöffel bei den Papuanen Neuguineas in Gebrauch 8). Alexander v. Humboldt bemerkt in Bezug auf die rohen Ein- gebornen Südamerikas, dass sie auf einerlei Pflanzenkost beschränkt, wie die Raupen, bei Uebersiedlung schwer an andre Nahrung sich gewöhnen und meistens erkranken. Der Jahreszeitenwechsel in den gemilderten Erdvierteln, fährt er fort, reizte den Menschen auf verschiedene Art und zwang ihn Verschiednes verdauen zu lernen, zugleich erwarb er aber auch dadurch grössere Freiheit in der Wahl seiner Wohnorte 9). Die Zubereitung der Nahrungsmittel 1) d’Orbigny, l’Homme américain. p. 98. 2) Ueber den Gebrauch der Gabeln in Europa ist noch vieles dunkel. Wie Tylor belegt hat, waren Gabeln zu Ruysbroek’s Zeiten (1253) sowohl im Abendlande wie bei den Mongolen schon im Gebrauch. Urgeschichte. S. 22. 3) Williams, Fiji. tom. I. p. 212. 4) Gerhard Rohlfs, Erster Aufenthalt in Marokko. Bremen 1873. S. 75. 5) W. v. Harnier’s Reise am obern Nil. S. 49. 6) Kolben’s Reise an das Vorgeb. d. G. Hoffnung. S. 456. 7) Casalis, Les Bassoutos. Paris 1859. p. 147. 8) Otto Finsch, Neu-Guinea. Bremen 1865. S. 100 und Nieuw Guinea, ethnographisch en natuurkundig onderzocht, uitgegeven door het kon. Institut voor taal-, land- en volkenkunde. Amsterdam 1862. Tafel VV. fig. 2. 9) Handschriften. Bd. III. Eigene Gedanken. §. 10. S. 30.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/192>, abgerufen am 19.03.2024.